Fakten:
Assassin's Creed
USA. 2016. Regie: Justin Kurzel. Buch: Bill Collage, Adam Cooper, Michael Lesslie. Mit: Michael Fassbender, Marion Cotillard, Jeremy Irons, Brendan Gleeson, Charlotte Rampling, Michael Kenneth Williams, Denis Ménochet, Ariane Labed, Khalid Abdalla, Essie Davis, Matias Padin, Callum Turner, Carlos Bardem, Javier Gutiérrez, Hovik Keuchkerian, Crystal Clarke uvm. Länge: 148 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Ab 27. Dezember 2016 im Kinol
Story:Mit einer revolutionären Technologie, die seine genetischen Erinnerungen entschlüsselt, erlebt Callum Lynch (Michael Fassbender) die Abenteuer seines Vorfahren Aguilar im Spanien des 15. Jahrhunderts. Callum erkennt, dass er von einem mysteriösen Geheimbund, den Assassinen, abstammt und sammelt unglaubliches Wissen und Fähigkeiten, um sich dem unterdrückenden und mächtigen Templerorden in der Gegenwart entgegenzustellen.
Kritik:Wer für einen Film von Justin Kurzel bezahlt, bekommt auch einen Film von Justin Kurzel geliefert. Ganz gleich, ob man nun eine Neuverfilmung von „Macbeth“ oder eine Adaption der Videospielreihe „Assassin's Creed“besucht und bekannte Erzählmuster erwartet: In diesen beweist sich so oder so jener Australier, welcher einen anhand seiner „Morde von Snowtown“ in den Schlund der Gewalt trieb und unterkühlte Analysen dessen mit Charakteren versuchte, die weniger Sympathieträger als menschliche Monster waren, schlicht gefangen im Zyklus eines von außerhalb vergessenen Daseins, der gegenseitigen Zerfleischung überlassen. Genau die Art emotionale Zermürbung, mit Höchstwerten im befremdlich schön-hässlichen Stilexzess, ist nun also auch in seiner Interpretation des oben genannten Ubisoft-Franchise omnipräsent, für welches er erneut seine „Macbeth“-Hauptdarsteller Michael Fassbender und Marion Cotillard gewinnen konnte und von außen hin glauben lässt, dass ein regulärer Blockbuster zu Weihnachten ins Kino einlädt. Auch wenn das Gros an Schauwerten und inhaltlichen Topoi berechenbar geradlinig ausfällt, wird man selten so wie hier vom Nihilismus zerbombt, mit permanent finsterer Brutalität konfrontiert, die via 130-Millionen-Dollar-Budget ein Abbild an Jahrhunderten nebeneinander stellt, welche sich an Unterdrückung nichts schenken und von sich aus auch ausnahmslos in jener Manier repräsentiert werden. Entsättigt und voll harter Kontraste im Farbspektrum, mit dem seelenzerschmetternd lauten Soundtrack von Jed Kurzel auf Terrortrieb eingestellt, lässt der Adler der Ewigkeit seinen Blick auf Generationen an Assassinen fallen, die im Spanien des 15. Jahrhunderts stilecht per Muttersprache um den Einfluss der Inquisition fürchten und somit ihren Geheimbund zum Morden einschwören, die Wurzel des freien Willen im Menschen zu beschützen (= ein Apfel aus dem Garten Eden), was sich sodann im abgefuckten Leben von Blutsnachkomme Callum Lynch (Fassbender) fortsetzt.
Der hat als Kind schon reichlich Schrammen im Parkour inklusive Bike abgefangen, gleichsam ein Drama innerhalb der Familie mitgekriegt, das in furchteinflößender Mechanik die Klinge ausstreckt, vom Kodex des Tötens und Sterbens murmelt, dass er in seiner Verzweiflung und Wut zwangsweise verstoßen wird, bis er 30 Jahre später nun schließlich im Todestrakt enden soll. Als Zuschauer glaubt man, den Tod gleich mit zu empfangen, so wie Kurzel jede schleichende Ahnung mit der Kamera akzentuiert, die Gefahr in der Stille des Einzelnen mit krassen Knalleffekten aufzeichnet und natürlich mit Blut wie Leichen an unsere Vergänglichkeit erinnert. Seine Vision zieht er bis in die Todeszelle durch, wo Lynch das Empfangen seiner Sterblichkeit fürchten muss, was jedoch als eine der wenigen Instanzen gewertet werden kann, in denen Kurzel Empathie evoziert. Laut eigener Aussage hat man es eben mit einem Gewalttäter zu tun, der sein Leben lang Angst und Schrecken lebt, was auch so reinforciert wird, als möchte man Zack Snyder Konkurrenz machen. Denn was erwartet ihn/uns im Nachleben? Eine Gefangenschaft als Versuchsobjekt im geheimnisvollen Animus, einer Technologie mit Pseudo-Nazi-Symbol oben drauf, anhand derer Dr. Sophia Rikken (Cotillard) sowie ihr Vater Alan (Jeremy Irons) den Probanden mental durch die Erinnerungen seiner Vorfahren schleusen, um das Eden-Macguffin aufzufinden sowie das Ende der Gewalt im Abtöten der Individualität zu erwirken. Die Motive sind solch widersprüchlicher Logik untergeordnet wie ihre jeweiligen Parteien auch von der Inszenierung nicht eindeutig identifiziert werden können. Sie landen ihrer selbst willen ambivalent im Diskurs an Grautönen und menschlichen Unvermeidlichkeiten, während man Callum die kargen Flure entlang tritt und schleift, auf dass er sofort ohne Vorbereitung in die Medieval-Matrix eingesteckt gehört – wohlgemerkt nachdem man ihm bei der ersten Flucht dazu angestiftet hat, Selbstmord zu wagen.
Nun klingt das schon an sich trist und grimmig genug, doch das Prozedere geht dafür noch mit einem Druck voran, den man sich wie eine morbide Variante der „Fury Road“ vorstellen muss, nur dass Kurzel noch weit chaotischer mit Actionszenen hantiert. So begibt er sich also ins Wechselspiel der Vergangenheit und Gegenwart, welches durchaus repetitiv, unkonzentriert und gleichförmig zum Schluss der Schicksalsanerkennung kommt, bis dahin jedoch von einer konsequenten Atmosphäre profitiert, die optische Leckerbissen vom Schmerz der Weltgeschichte sowie ein Charakterspektrum liefert, das in seiner Rohheit einen ehrfürchtigen Biss vorweisen kann – ganz zu schweigen davon, dass dieses währenddessen noch von Geistern des Gewissens drangsaliert wird. In den besten Momenten jener Probe/Psychose der (Seelen-)Gefangenschaft entsteht daraus eine intime Pein, die wirklicher nachhallt, als es eine Videospielverfilmung von dem Format normalerweise verdient hätte. Gleichsam wenig bleibt von den sonstigen Werten des Menschsein hängen, wenn auch noch die mittelalterliche Zone in atemberaubenden Kameraflügen über dem Ekel des religiösen Krieges schwebt, verbrannte Leichen und dogmatische Unbarmherzigkeit vor den Latz knallt, dass ständig mit dem Schlimmsten gerechnet werden muss. Das ist nicht fern von damaliger Realität und nicht minder immersiv à la „Es ist schwer, ein Gott zu sein“, aber eben auch auf Extreme fokussiert, die sich selbst jeden Raum zur Differenzierung nehmen. Wenn im kakophonischen Fieber dann noch die Akrobatik der Assassine zur Unterhaltung einladen soll, ist es wahrscheinlich schon zu spät, so wie der Film die Permanenz leidenden Daseins ballt und die Gegenwehr dazu hingegen im geschulten Totschlag findet. Sophia ist da als Mittler noch am Ehesten moralisch zwischen den Stühlen, wie sich auch Callum/sein Vorfahre Aguilar an ihr mit der Notwendigkeit der Gnade befassen will.
Doch deren Befreiung geschieht eher aus der Erkenntnis, dass die Machtlosigkeit gegenüber falschen oder fehlenden Götzen nur vorübergehend besteht, sobald sich das Kollektiv der Assassinen als geistig verbundene Schläfer entpuppt und über die Dimensionen des Seins hinweg mit der Pflicht meuchelnder Gerechtigkeit anbandelt. Gut, dass man das als Zuschauer (abgesehen von kleinen Edgelords im Publikum) nicht allzu heroisch empfangen kann, schließlich kommt jene Machtfantasie mit einer Drastik zum Ausbruch, die Helden und Bösewichte gleichermaßen brachial erscheinen lässt, dem Protagonisten die Worte „Nicht jeder verdient es, zu leben.“ in den Mund legt und Sophia erschüttert zurück lässt. Bei solch einer Kompromisslosigkeit bleibt aber auch sonst manch gemeinsamer Nenner auf der Strecke, wenn das Spektakel in seinem von Gewalt abhängigen Weltbild doch noch dem narrativen Konsens angeheftet bleiben will, ohne entsprechende Kontraste an Ethik herauszuheben. Vage zu bleiben und von dort aus nicht weiter greifen zu wollen, ist irgendwann eben nicht mehr genug. Selbst in der Verquickung der Gezeiten regiert der Ist-Zustand, Reflexionen zum Gewesenen offenbaren lediglich veränderte Konstellationen der Gewalt oder eben den Bezug zum Macguffin, was den Film trotz seiner Intensität an zwischenmenschlicher Spannung der Belanglosigkeit anfällig macht, ihn mehrmals um sich selbst drehen und seine Darsteller energisch wie verbraucht zugleich erscheinen lässt. Einige starke Ansätze zum Verständnis untereinander tauchen da noch bereichernd auf, doch für solche Spitzen der Gänsehaut hat man einiges an konzeptionell ungenauem Frust abzuarbeiten. Die Ambition zum Stil als Unikum im Franchise-Modell ist da also gewiss keine Todsünde und hebt Kurzels nihilistisches Manifest eindeutig von der Masse heraus, doch mit dem Stempel durchweg harter Wahrhaftigkeiten ist noch lange kein vollständiges Gesamtwerk gegeben.
6 von 10 harschen Klingensounds
vom Witte