Zunächst muss man verstehen, dass diese Glut essbar ist. Wenn Küchenchefs vom Schlag eines Tim Byres die Glut schüren, dann liegt dort reines Holz. Er reibt sein Steak zudem mit einem Rub ein, das eine Schicht Öl zwischen Fleischoberfläche und Gluthitze bringt. Dann erst ist das Steak bereit fürs die Kohlen. Die Kruste mit rauchigem Aroma, die dabei entsteht, soll Grillfans in Ekstase versetzen. Ich konnte das bislang noch nicht probieren, doch es führt mich zu einem anderen Stück Fleisch, dass viel mit dem Ansatz von Tim Byres gemeinsam hat.
Im Schlüchtern bei Fulda leistet Dirk Ludwig Pionierarbeit in Sachen Fleischentwicklung. Auf sein Konto gehen Innovationen wie Fleischreifung in Mineralwasser (Aqua Aging), auch das noch immer als Geheimtipp gehandelte Fleisch von fetten alten Kühen vertreibt er als einer von wenigen Händlern in Deutschland. Seine neueste Erfindung ist das „Asche Aged Beef“. Ludwig verwendet dafür Fleisch aus der Hochrippe vom Simmentaler Weiderind und lässt es 4-12 Wochen, bedeckt von einem Berg aus Asche reifen. Genauer: Eine Mischung aus Salz, Gewürzen und Asche. Gerade so viel Salz, dass nur minimale Pökelprozesse einsetzen, die dem Fleisch ein klein wenig Wasser entziehen und den Geschmack konzentrieren. Ludwig knüpft dort an, wo Köche wie Tim Byres gerade einen Trend setzen: Er setzt auf Kohle- bzw. Aschekontakt als Genusselement.
Ludwig verwendet bei seiner neuen Reifungsart reine Buchenholzasche. Sie konserviert das Fleisch während der Reifezeit und sendet ein dezentes Raucharoma in die Hochrippe. Nach Ende der Reifung schneidet Ludwig 400-Gramm-Ribeyesteaks aus dem Stück, die von einem schwarzen Asche-Mantel umgeben sind. Ludwig empfiehlt, die Asche vor dem Grillen oder Braten abzuschneiden oder abzuspülen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Ein paar kleine Reste stören nicht – ganz im Gegenteil. Sie machen das Steak erst perfekt.
Es sind vor allem drei Faktoren, die mich noch heute mit Freude an dieses Steak zurückdenken lassen. Es ist die Verbindung aus Fettanteil, Fleischqualität und dem Einfluss der Asche. Der hohe Fettanteil des Rib-Eyes bietet die perfekte geschmackstragende Basis für das Zusammenspiel aus Fleisch- und Raucharomen. Dieses Steak schmeckt aus der Pfanne so, als habe man es eben erst auf den Grill geworfen und echtem Rauch ausgesetzt. Dabei fällt auf: Die eingedrungenen Raucharomen hinterlassen keine bittere, verbrannte Note, sondern lediglich eine mir bislang unbekannte, edle Rauchspur. Die leicht salzhaltige Hülle macht es nahezu überflüssig zusätzlich zu würzen – etwas Fleur de Sel darf man aber durchaus verwenden.
Während die Zähne den Fleischsaft aus dem wirklich zarten Steak herauszwingen, schmilzt das Fett in den Mund hinein und trägt diese einzigartig unaufdringlich rauchigen Aromen weiter an die Zunge. Dieses Asche Aged Beef ist für mich ein bislang vollkommen unbekanntes Geschmackserlebnis, das die Stärken aus hochwertigem Fleisch und dem so geschätzten Aroma von Holzkohle verbindet – ohne, dass man dafür zwangsläufig einen Grill anwerfen muss.