Artur Mas gibt den Walter Ulbricht: “Natürlich wollen wir eine Mauer bauen!”

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Artur Mas will die Katalanen nach einem Wahlsieg auf jeden Fall konsultieren. Sogar die Frage ist ihm jetzt schon eingefallen, die er der Bevölkerung stellen will: “Möchten Sie, dass Katalonien zu einem neuen Staat der EU wird?” – Dummdreist nennt man das, wenn jemand so dreist ist, dass er alle anderen für dumm hält. Da ist kein Wort von Unabhängigkeit oder Abtrennung von Spanien. Das lässt man besser weg, so merkt niemand, was sowieso jeder weiss, und man kann später die Hand besser verstecken, die den Stein geworfen hat. Jetzt muss Artur Mas “nur” noch die Unternehmer in Katalonien überzeugen. Und die husten ihm was!

Zuerst will er die Wahl am 25. November überzeugend gewinnen. Danach werde es “in den kommenden vier Jahren in jedem Fall” eine Befragung der Bevölkerung geben, versichert Artur Mas. Nicht etwa sofort oder mindestens bald oder baldmöglichst – ach was, “in den kommenden vier Jahren” ist viel besser geeignet. So hat man eine genügend lange Bank geschaffen, auf die man das Thema schieben kann. Wenn Madrid genügend erpresst werden kann, haben die Menschen irgendwann wieder vergessen, was da als Plan verkündet wurde, spätestens wenn die nächste Mediensau durchs Dorf getrieben wird. Hauptsache jetzt Entschlossenheit demonstrieren, alles andere sehen wir später.

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Nicht nur die angepeilte Frage bleibt bewusst vage formuliert, auch die Grundlage dafür wabert weiterhin im Nebel. Gesetze seien ja nun “nicht unabänderbar”, schwadroniert der Regierungschef Kataloniens, und man könne immer noch die “internationale Gesetzgebung” benutzen, wenn die spanische Gesetzgebung eine solche Volksbefragung nicht ermögliche. Mas eiert von links und rechts, oben und unten um die klar definierte nationale Lage herum: Wenn schon Volksbefragung, dann stimmen alle Spanier ab, nicht nur die Katalanen. Artur Mas weiss das genau und vermeidet es deswegen angestrengt, sich konkret zur inexistenten juristischen Basis seines Referendums zu äussern.

Deswegen auch die Frage “nach einem neuen Staat der EU”. Damit wird der Terminus “Unabhängigkeit” krampfhaft vermieden, und Artur Mas will dem bösen Drachen, der Feuer spucken könnte, gleich per vorauseilender Formulierung die Zähne ziehen: Unabhängig zu sein, aber nicht als EU-Mitglied anerkannt zu werden; diese Aussicht macht den Nationalisten vollkommen fertig. Das wäre die Höchststrafe, die allerdings wirklich droht. Dabei wäre es dann nur noch das kleinste Problem, wenn der FC Barcelona demnächst in der Regionalliga Kataloniens gegen Tarragona um die Meisterschale spielt.

Doch zunächst müssen andere “Kleinigkeiten” bewältigt und die Skeptiker überzeugt werden. Artur Mas fordert die Unternehmer Kataloniens auf, sich “dem tiefgreifenden kulturellen Wandel” zu öffnen. Diese Form sprachlicher Situationsvernebelung mittels der gefährlichen Chemikalie Schwafeldioxid soll die Angst des Regierungschefs vor seinen Chefs verbrämen. Denn ohne die grossen Unternehmer, die in Katalonien wirklich bestimmen, was zu geschehen hat und was zu lassen ist, ist sein “neuer EU-Staat” von vornherein Makulatur. Die Angst vor den Unternehmern lässt Mas auch das Wort “Unabhängigkeit” fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Mehrere grosse Firmenchefs Kataloniens haben in den vergangenen Wochen schon sehr deutlich gemacht, was sie von der Aussicht halten, dass der spanische Markt für ihre Produkte bald Ausland sein soll, und tippen sich nur abschätzig an die Stirn: Dann werde man Katalonien eben verlassen müssen.

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Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!”

Doch selbst diejenigen, die für die Unabhängigkeit Kataloniens eintreten, sind nicht glücklich mit der Haltung des nordöstlichen Regierungschefs: “Mas will sich das Hoheitsrecht nehmen, etwas zu entscheiden und sogar die Frage zu formulieren, die nur alle Katalanen zusammen entscheiden können; das geht so nicht”, wetterte jetzt die “Iniciativa per Catalunya”. Währenddessen laviert Artur Mas herum zwischen dem öffentlichen Bekunden, die Unabhängigkeitsbestrebungen konsequent weiter zu verfolgen, und seiner inneren Überzeugung, dass er die bösen Geister, die er rief, schnellstmöglich wieder loswerden muss, ohne irreparablen politischen Schaden zu erleiden.

Walter Ulbricht sagte 1961: Niemand will eine Mauer bauen – und dann kam sie doch. Artur Mas macht es genauso, nur andersherum: “Natürlich wollen wir eine Mauer bauen!” – Die Glaubwürdigkeit ist exakt dieselbe.


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