Arthur Abraham, die Ehre und Robert Stieglitz

„Ich möchte gern noch einmal gegen Andre Direll, Carl Froch und Andre Ward boxen. Doch zuerst kommt Robert Stieglitz. Ich will meinen Gürtel zurück. Es geht um die Ehre.“ Mit diesen Worten begründet Ex-Weltmeister Arthur Abraham (41 Kämpfe, 37 Siege, 28 durch KO, 4 Niederlagen, 1 durch KO), dass er unbedingt den WBO Weltmeister im Super Mittelgewicht Robert Stieglitz (48 Kämpfe, 45 Siege, 26 durch KO, 3 Niederlagen, 2 durch KO) boxen will.
Ich muss dazu sagen, mich überfordert diese Äußerung von Abraham. Nun passiert es mir relativ häufig, dass ich mich überfordert fühle, wenn Menschen von „Ehre“ sprechen. Zu schwierig und vielschichtig ist der Begriff. Wikipedia ist auch wenig hilfreich: „Zusammengefasst kann man Ehre als sozialen Zwang begreifen, den man als Bestandteil seiner eigenen Persönlichkeit begreift und verteidigt.“ Meiner Erfahrung nach wird der Begriff Ehre aber häufig angeführt, um etwas Anderes zu verschleiern.
Schauen wir uns aber die Aussage von Abraham einmal genauer an:
Abraham behauptet, wieder gegen Andre Direll (22 Kämpfe, 21 Siege, 14 durch KO, 1 Niederlage) boxen zu wollen. Er hatte am 27.03.2010 gegen ihn durch Disqualifikation verloren. Boxerisch hatte Direll ihn geradezu vorgeführt. Als er dann aber in der elften Runde auf dem nassen Boden in der Ringecke von Abraham ausrutsche und auf dem Boden saß, holte Abraham aus und schlug ihm einen rechten Schwinger an den Kopf. Damals gab es schon einige, die Abraham die Absicht unterstellten, einer verheerenden Punktniederlage durch Disqualifikation entgehen zu wollen.

Nun will Abraham, nach eigenem Bekunden, auch noch gegen Carl Froch (33 Kämpfe, 31 Siege, 22 durch KO, 2 Niederlagen), den WBA und IBF Weltmeister antreten, der immerhin als der zurzeit beste Super Mittelgewichtler gilt. Abraham hat am 27.11.2010 schon gegen ihn geboxt, und er hatte nicht den Hauch einer Chance. Zwei Punktrichter gaben Froch jede einzelne Runde. Einer gab Abraham immerhin noch eine Runde.

Weiter steht noch Andre Ward auf der Wunschliste von Abraham. Ward (26 Kämpfe, 26 Siege, 14 durch KO) ist WBC und WBA Superchampion im Supermittelgewicht. Auch er deklassierte Abraham, als er am 14.05.2011 gegen ihn boxte. Abraham behauptet also, er wolle irgendwann noch einmal ausgerechnet gegen die drei Boxer antreten, die ihn so dermaßen deklassiert haben.
Aber er besteht darauf, erst gegen Stieglitz boxen zu wollen. Das begündet er damit, dass er „seinen Gürtel“ zurückhaben will. Das hört sich zunächst zwar gut an. Es kommt mir aber doch recht merkwürdig vor. Abraham hat besagten WBO Gürtel schließlich nur ein einziges Mal erfolgreich verteidigt. Dementsprechend dürfte seine emotionale Bindung an dieses Stück Leder mit dem vergoldeten Blech doch nicht ganz so groß sein. Sollte er seinen nächsten Kampf gewinnen, woran niemand zweifelt, hat er den WBO Intercontinental Gürtel schon länger. Den IBF Gürtel im Mittelgewicht hatte er dreieinhalb Jahre lang.
Wieso soll jetzt also ausgerechnet der WBO Titel sein Gürtel sein und die Niederlage gegen Stieglitz ihm an die Ehre gehen?
Vielleicht finden wir die Antwort in der Art und Weise der Niederlagen begründet. Gegen Andre Direll, Carl Froch und Andre Ward verlor er entweder durch Punkte oder durch Disqualifikation. Gegen Stieglitz verlor er durch Aufgabe. Laut Augen- und Ohrenzeugen kam er zurück in seine Ecke und sagte zu seinem Trainer Ulli Wegner: „Ich will nicht mehr!“ Hiernach befand man seinen Cut für so gefährlich, dass der Kampf abgebrochen werden musste. Womöglich geht Abraham ja seine Aufgabe an die Ehre. Damit weiß ich aber immer noch nicht genau, was er damit gesagt haben will.
© Uwe Betker



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