Von wegen Kruscht! Wer wie ich einen Hang zu Erinnerungs-Stücken hat, kann aufatmen: ab sofort werden die mehr oder weniger großen Kostbarkeiten zu kunstvollen Objekten voller Poesie. „Art In A Box“ heißt das traumhaft schöne Buch, in dem Marlies Maehrle einzigartige Sammlungen in kleinen Kästchen inszeniert.
Mitbringsel vom Wald-Spaziergang, Flohmarkt-Schätze, Fundstücke aus dem Nähkörbchen, (handgeschöpftes) Papier und andere kleine, ganz persönliche Lieblings-Objekte werden zu 3D-Stillleben der besonderen Art.
Knöpfe, Mini-Autos, Sicherheitsnadeln, Streu-Deko, Eierschalen, Farbmuster, Stoffreste, alte Schlüssel, Drahtfiguren, Zeitungsausschnitte, Scherenschnitte und Schriftzüge, kleine Flaschen und Gläser, Spielzeug-Tiere und Mini-Autos kommen mit kunstvoll gestalteten Passepartouts, Holz- und Papprahmen groß raus!
Besonders gut gefallen mir die Schaukästen mit Papier und Naturmaterialien: das gesamte Sammelsurium aus getrockneten Blättern, verblühten Gräsern, schönen Kieseln, Schneckenhäusern und kleinen Ästen wird – ästhetisch und puristisch arrangiert – zum absoluten Hingucker, der sich in jedem Design-Shop gut machen würde.
Fast in jedem Haushalt lassen sich „absichtslose“ Kästchen entdecken, in denen unterschiedlichste Utensilien bis zur nächsten Nutzung aufbewahrt werden. Warum nicht mal ganz bewusst einen Guckkasten inszenieren?
„Nicht nur die Dinge, die dort gesammelt und gezeigt werden, erzählen eine Geschichte, sondern auch die Auswahl und die Anordnung, die eine Mischung aus Neugierde, Sehnsucht, romantischen Illusionen erahnen lassen, womit sie sehr menschliche Bedürfnisse ausdrücken“, schreibt Marlis Maehrle in ihrem Vorwort über die so genannten Wunderkästen, die ab dem 16. Jahrhundert entstanden sind.
Kein Wunder also, ist das Kästchenthema ganz aktuell und lebendig, sind selbst erschaffene Miniwelten in Haus und Garten sehr beliebt! Dass „Kästchen-Machen“ kein freakiges Hobby ist sondern durchaus „echte“ Kunst sein kann, bewies der 1972 verstorbene Maler, Bildhauer und Experimentalfilmer Joseph Cornell mit seiner „Kästchen-Ausstellung“ im Museum of Modern Art New York.
Sowohl seine Ausstellung wie Marlis Maehrles Buch waren und sind eine Einladung, ganz persönliche Wunderwelten zu erschaffen – entweder thematisch geordnet oder einfach wild inspiriert. Auch und gerade Skurriles ist dabei ausdrücklich erlaubt!
Neben Tipps fürs Werkzeug, Material und Verarbeitung zeigt Marlis Maehrle eigene Arrangements sowie eine Werks-Auswahl verschiedenster KünstlerInnen, zum Beispiel von Papierkünstlerin Simone Schäffer, vom Stuttgarter Litograph, Maler und Dichter Peter Schlack, von der japanischen Malerin Setsuko Fukushima, von Buchbinderin Hedi Kyle, Kunsttherapeutin Annemarie Steiner oder Goldschmiedin Barbara Sackermann.
Besonders poetischen Zauber entfalten die skulpturalen Collagen mit selbst gefertigen Schachteln und Kästen, durch leporelloartige Passepartout-Landschaften, bemalte oder beklebte Rahmen und Hintergründe. Als leidenschaftliche Buchbinderin bin ich da natürlich im siebten Kästchen-Himmel. „Art In A Box“ lässt mein Herz tanzen und ist mit den wunderschönen Fotos selbst ein kleines Gesatkunstwerk!
Marlis Maehrle „Art In A Box„, 176 Seiten mit zahlreichen Farbfotos, Hardcover, 39 Euro 90, Haupt Verlag