In einer Zeit, als Rap-Crews wie N.W.A. die Musik von der Westküste aus mit Gangster-Attitüde revolutionierten, startete im Süden der USA mit Arrested Development eine ganz eigene Bewegung. Gute Laune Sound und trotz Liebesbotschaft sozialkritisch. So lautete die Erfolgsformel des achtköpfigen Konglomerats afrozentrischer Künstler, das 1993 vom Rolling Stone zur Band des Jahres gewählt wurde. 18 Jahre, fünf Monate und zwei Tage später stehen Arrested Development immer noch für positiven HipHop, wovon man sich bei ihrem Live-Auftritt in Heidelberg überzeugen konnte.
Strong heißt das neue Album von Arrested Development, mit dem sich die Combo erstmals nach fünf Jahren wieder auf eine große Europa-Tour begeben hat. Auch wenn das Album nicht restlos überzeugt, wissen die Fans mittlerweile bescheid, dass zwischen AD im Studio und AD auf der Live-Bühne Welten liegen. So wunderte es kaum, dass der Heidelberger Karlstorbahnhof trotz frühsommerlichen Hitzewallungen und Sonntagtermin komplett gefüllt war. Nur zu siebt trat die Band um Frontmann Speech heute an. Vom geistigen Leiter Baba Oje, der längst zur Kultfigur im HipHop aufgestiegen ist, war leider nichts zu sehen, da der 78-jährige vermutlich immer noch gesundheitlich angeschlagen ist.
Mit La La La und The World Is Changing eröffneten AD die Show gleich mit ersten Titeln von Strong, die, unterstützt von Gitarrist JJ Boogie, Za am Bass und Schlagzeuger Rasa Don, deutlich gesteigertes Entfaltungspotenzial offenbarten als vom heimischen CD-Spieler. Zentrales Element der energiegeladenen Arrested Development Auftritte sind die beiden charismatischen Sängerinnen Tasha Larae und Montsho Eshe. Während Tasha mit ihrem mächtigen Soulorgan die Tonleitern im Zick Zack zerschmettert, sorgen besonders die unkonventionellen Tanzeinlagen der quirligen Eshe für Begeisterung. Fishin’ 4 Religion vom viel gefeierten Debütalbum 3 Years, 5 Months & 2 Days in the Life Of… markierte dann den Auftakt zu einem ausgewogenen Best-of-Programm der Tennessee-Truppe. Mit Hits wie Dawn Of The Dreads, Ease My Mind, Tennessee und Natural wurden alle Geschmäcker des vielschichtigen Publikums bedient. Von Folk, Rock, den erquickenden Rap-Einlagen von One Love und Speech bis hin zu Gospel-Anleihen und Südstaaten-Soul der mit einem standesgemäßen Soulclap zelebriert wurde, boten AD das bunte Kaleidoskop an Einflüssen dar, für das sie stehen. Immer wieder mischten sie mit Bloody, Let Your Voice Be Heard oder Haters auch neue Titel unter die Setliste, was der überschwänglich abgetanzten Party keinen Abriss tat. Spätestens als Speech die All-Time-Classics Mr. Wendal und People Everyday abfeuerten, gab es im Karlstorbahnhof überhaupt kein halten mehr.
In der Zugabe offenbarten die Sieben erneut ihre Freude für spontane Jam-Sessions. Tasha rief mit ihrem Gesang die fast vergessenen 4 Non Blondes wieder ins Gedächtnis, indem sie in ihrer persönlichen Neuinterpretation von What’s up, in mächtigen „Hey Yeah Gesang“ einstimmte und das ganze am Ende mit Three Little Birds von Bob Marley verwurstelte. Auch wenn AD einen ihrer stärksten Live-Songs, Miracles, heute nicht gespielt haben, war ihre Show ein Ausrufezeichen der musikalischen Vielseitigkeit. Mit ihrer einzigartigen Interpretation von HipHop unterstreichen sie vor allem die oft verloren gegangene Positivität und das macht ihre Auftritte erfrischend anders.
Andreas Margara (30. Mai 2011)