Im vergangenen Beitrag haben wir festgestellt, dass Armutsvergleiche nicht so einfach sind, weil unsere umgangssprachliche Definition nicht immer mit der statistischen übereinstimmt. Wie gesehen, kann die (relative) Armut in einem Land sinken, obwohl die Armen immer ärmer werden, solange die Mittelschicht noch schneller arm wird.
Dazu passt eine Meldung der OECD, dass in Europa die Zahl der armen Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen deutlich angestiegen, die der Armen über 65 aber gesunken ist. Verantwortlich sind aber keine Rentengeschenke, wie in Deutschland, sondern schlicht die Tatsache, dass die Renten vergleichsweise stabil geblieben sind. Sie sind in vielen Ländern nominal gleich geblieben, berücksichtigt man die Inflation leicht gesunken. Damit stehen die Älteren aber deutlich besser da als ihre Kinder und Enkel, die deutliche Einkommensverluste hinnehmen mussten und vielen schon als verlorene Generation gelten. Dadurch ist die (relative) Armut der Alten gesunken.
Zusammenhang auch bei relativer Armut
Auch wenn Armut relativ gemessen wird bleibt die Frage, ob es in den OECD-Staaten ein Zusammenhang zwischen dem Wohlstand eines Landes und der relativen Armut gibt, es also in reichen Staaten beispielsweise auch bei relativer Messung weniger Arme gibt. Für diese Annahme gibt es durchaus Gründe. Von Gewerkschaften wird argumentiert, dass weniger Armut das Wirtschaftswachstum antreiben würde. Umgekehrt lässt sich auch argumentieren, dass Reichtum die Bereitschaft steigt, höhere Steuern zur Armutsbekämpfung zu zahlen, weil man es sich vereinfacht gesagt eher leisten kann zu teilen und weil neben materielle Bedürfnisse wie ein möglichst hohes Nettoeinkommen andere Wünsche wie der nach Gleichheit oder Sicherheit treten (man denke an die Maslowsche Bedürfnishierarchie). Drittens könnte man argumentieren, dass leistungsstarke Institutionen, also vor allem gut funktionierende Behörden, gleichermaßen für mehr Wohlstand und weniger Armut sorgen.
Relative Armut und absoluter Reichtum in der OECD
Das zu überprüfen ist natürlich nicht ganz so einfach. Wir können uns aber zumindest mal ansehen, ob es einen Zusammenhang zwischen Wohlstand und Armutsquote in der OECD gibt. Den Wohlstand messen wir hier einfach mal mit dem Bruttoinlandsprodukt (BIP).
Das arme Griechenland hat eine besonders hohe relative Armutsquote, das reiche Dänemark eine niedrige. Gibt es da einen Zusammenhang? Quelle: OECD
Bei dieser Darstellung sieht man etwas deutlicher, dass in den europäischen OECD-Staaten reiche Staaten auch bei der relativen Armut tendenziell besser dastehen. Die Trendgerade zeigt nach unten. Luxemburg liegt aufgrund des hohen BIP außerhalb der Grafik. Quelle: OECD
Tatsächlich sieht man in den Grafiken, dass es in der Tendenz einen Zusammenhang zwischen Wohlstand und relativer Armut in den europäischen OECD-Staaten gibt. In den reicheren Ländern gibt es nicht nur weniger absolute, sondern auch weniger relative Armut.
Sonderfall Osteuropa
Bewusst weggelassen habe ich übrigens osteuropäische OECD-Staaten, weil die aufgrund ihrer sozialistischen Geschichte andere Ausgangsbedingungen haben. Weil bis Ende der 198er Jahre die Einkommen dort relativ gleich verteilt waren, haben sich dort bisher weniger große Vermögen bilden können, gleichzeitig sind die Staaten aber noch immer relativ arm. Ausnahme ist übrigens Russland, dass nach rund 20 Jahren Marktwirtschaft so ungleich ist wie die USA nach über 200.
Am Ergebnis würde das aber nicht viel ändern, nimmt man Osteuropa dazu, bleibt der Zusammenhang bestehen.
Was sagt uns das?
Ob eine unserer Theorien zutrifft, ob also Gleichheit Wohlstand schafft oder Wohlstand Gleichheit oder aber ob gut arbeitende Institutionen für beides sorgen - das aufgrund so einer einfachen Betrachtung beurteilen zu wollen wäre ziemlich vermessen. Aber immerhin spricht einiges dafür.