Muhammad Yunus erfand den Mikrokredit und bekam den Nobelpreis dafür, Andreas Schabering und sein Freund Peter Tucke (Namen geändert) setzten das Konzept gemeinsam mit der gerade 16-jährigen Mandy Masewald (Bild unten rechts) als allererste auch in Deutschland um - und müssen sich dafür nun vor Gericht verantworten. Betrug in bis zu 41 Fällen legt die Staatsanwaltschaft in Halle den beiden Mittvierzigern zur Last, welche Rolle die noch minderjährige Mitangeklagte gespielt hat, soll das Verfahren klären.
Fest steht: Zwischen August 2002 und März 2003 begannen die drei Beschuldigten mit ihrer segensreichen Tätigkeit im mitteldeutschen Armenhaus Halle und dessen Umgebung. Gemeinsam hatten sie eigens ein Unternehmen gegründet, das Kurzkredite an die Ärmsten der Armen vergeben sollte, weil die von kaum einer Bank mit Darlehen versorgt werden. Das Risiko eines Zahlungsausfalls hatten die Helfer der Benachteiligten geschickt weitergereicht: "Unter Ausnutzung des zwischen den Banken abgeschlossenen Lastschriftabkommens", heißt es in der Anklageschrift mit dem Aktenzeichen 2 KLs 10/09, "lag es vollständig bei den beteiligten Banken".
Eigentlich ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie gut sich viele Ostdeutsche inzwischen in den Wirtschaftsabläufen der größer gewordenen Bundesrepublik zurechtfinden, wie integriert sie sind und wie kreativ sie gebotene Möglichkeiten des Geldsystems zu nutzen wissen. Wer braucht noch Sicherheiten, wenn er eine Bank hat, das erkannten sie lange bevor Banken in den USA begannen, Kredite exzessiv auch an Mitbürger auszureichen, die nicht mal in der Lage waren, die Raten dafür zu bedienen, geschweige denn, mit der Tilgung zu beginnen. Zinsen zahlen und tilgen musste aber auch niemand, weil es allen schon allein durch die Ausreichung der Kredite besyser ging: Die einen hatten Geld für ein haus, die anderen Steuereinnahmen, die dritten bündelten 10.000 Kredite aus Minnesota und verkauften sie an eine irische Tochtergesellschaft der sächsischen Landesbank, die schon nach einer Woche eine halbe Million Gewinn aus dem Geschäft in den Büchern stehen hatte.
Alle schauten zu, alle freuten sich mit. Doch die Staatsanwaltschaft, die bis heute keinen der Milliardenvernichter aus den Chetetagen der staatlichen deutschen Landesbanken vor Gericht gebracht hat, entschloss sich, die Finanzkrise ausgerechnet hier aufzuarbeiten. Den Banken sei wahrheitswidrig vorgetäuscht worden, es handele sich bei den geplatzten Lastschriften nicht um Kredite, sondern um die Bezahlung von Forderungskäufen. Der entstandene Schäden liege bei mehr als 600.000 Euro.
600.000 Euro, die den Schwächsten der Schwachen zugute kamen, die viele kleine Träume erfüllen halfen und sicher manches Kinderauge zum Leuchten brachten, wenn Vater trotz hoher Schulden eine neue Wii oder Playstation unter den Weihnachtsbaum legen konnte. Alle frohlockten, von den profitierenden Händlern bis zu den Familien, von den mitverdienenden Kommunen bis hin zum Bund, der sich wie immer seinen Teil der Steuern aus den Umsätzen schnitt.
Den Männern und der jungen Frau, die ganz nach dem Vorbild von Muhammad Yunus, dem Banker der Armen, versucht hatten, das Elend dieser Welt effektiver zu bekämpfen als allgemein üblich, droht nun eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren. Prozessbeginn ist am 25. Oktober um 9.30 Uhr vor dem Landgericht Halle.
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