Immer wieder mache ich auch Filme über soziale Phänomene, die weniger mit Gesundheit oder Wissenschaft, sondern mit realer Ungerechtigkeit im Lebensumfeld zu tun haben. Dieser hier war mir ein besonderes Anliegen. Wer die Sendung versäumt hat, kann die Doku hier ansehen.
Nun weiter im Pressetext:
Bert Ehgartner porträtiert in seinem Film Menschen mit wenig Zukunftsperspektive: „Ich habe mich schon damit abgefunden, dass es nicht mehr besser wird“, sagt Anna F., alleinerziehende Mutter von vier Kindern. Die Miete für ihre Wohnung ist auf 870 Euro angestiegen, dazu kommen noch Fernwärme, Strom und die Internet- und Handygebühren. Nur mit Mindestsicherung und Wohnbeihilfe kann sie die Miete bezahlen.
Neben ihrem 20-Stunden Job als Restauratorin in einem Museum und dem Familienmanagement sind laufend Anträge auszufüllen und Behördengänge zu machen. „Ich werde immer müder – und auch immer gereizter.“
Auch beim Philosophen Martin R. sind die Zeiten mager: „„Es ist immer ein Glücksspiel, wie viele Lehraufträge man von den Universitäten und Fachhochschulen bekommt“. Heuer bringt ihm sein Hauptberuf als Lektor gerade mal 350 Euro ein. „Es ist eine Schande, wie sehr die Universitäten ausgehungert werden. Gespart wird dann bei uns.“
Der aus Serbien stammende Goran S. lebt bereits in dritter Generation in Österreich. Nach dem Polytechnikum begann er zu arbeiten. Mehr als 1000 Euro pro Monat verdiente er selten. „Früher gab es wenigstens genug schlechte Jobs“, sagt er. „Heute kommen aber bereits fünf Anwärter auf einen solchen schlechten Job.“ Seine Frau Mara arbeitet als Putzfrau, während Goran S. Anzeigen um Anzeigen durch sieht.
Die Ansprüche sind stets groß. Für einen Wachtdienst mit Arbeitszeiten von 0 bis 24 Uhr werden Erfahrung, guter Leumund sowie perfektes Englisch in Wort und Schrift gefordert. Der Stundenlohn liegt hingegen bei 6,50 Euro.
Die fortschreitende Ausweitung der prekären Arbeitsverhältnisse mitsamt Lohndumping ergibt auch niedrigere Sozialleistungen bei Jobverlust und Pensionen. In solchen Arbeitsverhältnissen werden oft keine Beiträge bezahlt und somit keine Beitragszeiten erworben. Das perpetuiert Armut und führt zu Armut im Alter. „Viele Working Poor geben die Armut an ihre Kinder weiter“, sagt Martin Schenk, der vor 20 Jahren die Armutskonferenz mit gründete. „So entsteht eine Generation Prekariat – und wir schauen zu.“
„Politik und Gewerkschaften haben sich auf diese neuen Verhältnisse mit der wachsenden Anzahl von Ein-Personen-Unternehmen, die häufig in eine Schein-Selbstständigkeit getrieben werden, überhaupt noch nicht eingestellt“, kritisiert der Jurist Walter Pfeil von der Universität Salzburg. „Diese Entwicklung mit tausenden jungen Menschen ohne Zukunftsperspektiven wird auch bei uns zur politischen Radikalisierung beitragen.“
Heute ist fast ein Viertel aller EU-Bürger armutsgefährdet - 15 Prozent der Tschechen und der Niederländer, fast 35 Prozent der griechischen Bevölkerung, und, als Negativrekord, fast 50 Prozent aller Bulgaren. Der relative Wohlstand Österreichs mit einem Spitzenplatz im EU-Ranking geht an den sozial Schwächsten vorbei. Mit 18 Prozent der Bevölkerung an oder unter der Armutsgrenze liegt Österreich hier genau im EU-Durchschnitt. Besonders hoch ist mit 40 Prozent der Anteil der Haushalte, die kein Vermögen besitzen – wo also kein Erspartes zur Verfügung steht, um in der Not auszuhelfen. „Kaputt werden darf bei mir nichts“, sagt Martin R. „Wenn mir mein Notebook eingeht – das wäre der Kollaps.“
Die Sendung wurde Ende Februar 2015 in der ORF Reihe "Menschen und Mächte" ausgestrahlt.