Arm, schwanger und schuldig

Der Nächste, dem ich von meiner Schwangerschaft berichtete, war mein Vater. Der reagierte dann endlich mal positiv.
“Prima, Schatz! Ab deiner siebenunddreißigsten Schwangerschaftswoche bin ich für immer von allen finanziellen Pflichten dir gegenüber befreit. Solltest du in eine Notlage geraten, kannst du den Staat fragen!”
Es klang fast so, als habe mein Vater nur darauf gewartet, dass ich endlich schwanger werde. So, als würde ich damit in seine Fußstapfen treten und seinen Job als Eltern übernehmen und er könnte dann also quasi in Rente gehen. In Erziehungsrente. Kindsvater gibt ab an Vater Staat.

Die Werbeagentur für die ich arbeite, reagierte in etwa ähnlich.

Als ich mit meinem Chef über Elternzeit/Erziehungsurlaub sprach, erklärte der mir lächelnd, dass es unter den “vorliegenden Umständen” für ihn wohl keinen Grund zu einer Verlängerung unseres Vertrages geben könnte der ja zufällig in drei Monaten endete.

‘Na und!”, dachte mein derzeit verwirrter Schwangerenschädel. ‘Ich habe die Arbeit eh gehasst!’

Der nächste Schritt führte mich dann zum Arbeitsamt, wo man mir wieder das selbe sagte. Für mich sei man nicht zuständig. Abzüglich meines Praktikums betrug meine Arbeitszeit bei der Agentur in etwa 1 1/2 Jahre. Das ist ein halbes Jahr zu wenig. Für mich kam nur Sozialhilfe in Frage. Das heutige so geschimpfte Herz IV. Und bei der Sozialhilfe rechnete man den Verdienst meines Freundes, mit dem ich in “eheähnlicher Gemeinschaft” lebte an und unter ‘m Strich kam so eine Summe raus, die so lächerlich gering war, dass ich auch darauf hätte verzichten können. Aber da man mit wenig Geld auch nicht auf noch weniger Geld verzichten kann, nahm ich diese Hilfe selbstverständlich an.

Nun war ich also arm, schwanger und schuldig.

Ich zerstörte das Leben meines Freundes und seiner Mutter. Werbeagentur und Staat bestätigten sie noch und so durfte ich mir ab dato unendliche Vorwürfe und – träge anhören darüber, wie ich gedankenlos mehrere Existenzen – vor allem aber die der bösen Schwiegermutter – auslöschte.

Meine Mutter war dann die erste, die vermeintlich positiv reagierte. Ich könne von ihr immer jede Unterstützung erwarten, sie sei für mich da und helfe. Sie hatte sich zwar nicht vorgestellt, dass ich mit Zwanzig schwanger würde, aber schließlich hätte sie es ja ebenso getan und vor ihr ihre Mutter und deren Mutter usw. Meine Mutter machte mir Mut.
Viel später allerdings sollte sich herausstellen, dass ihre Motive genau so egoistisch – nein bei weitem am egozentriertesten – waren. Aber bis dahin dauerte es noch ein paar Jahre. Zunächst war meine Mutter endlich jemand, der mir Unterstützung anbot.

 

Arm, schwanger und schuldig

 

Ein Beitrag von Maike von Wegen / mutterseelenalleinerziehend.de


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