Wir jammern gerne, aber Deutschland gehört zu den reichsten Ländern der Welt. Hier sind 4 Lektionen aus den Armenvierteln der Philippinen von Gastautor Dennis:
Dennis im Slum in Manila - Foto: Dennis
In Deutschland geht es uns sehr gut. Vieles von unserem Wohlstand ist für uns selbstverständlich:
- Bildung?
Studieren ist fast kostenlos und für Niedrigverdiener gibt es BaFöG - Gesundheit?
Wir haben GKVs und ein funktionierendes Krankensystem - Familie?
Wie wär’s mit Elternzeit, Kindergeld und subventionierten Kitas - Transport?
Das ÖPNV ist voll ausgebaut und vom Staat subventioniert - Arbeitnehmer?
Du hast Kündigungsfrist, Mindestlohn und garantierte Urlaubstage - Arbeitslos?
Der deutsche Sozialstaat lässt dich nicht hängen
Um eine solche Infrastruktur beneiden uns selbst andere Industrienationen.
Unser System kann ein Segen sein oder zum Fluch werden. Auch wenn du keine Familie hast, studierst oder ÖPNV fährst zahlst du dafür. Arbeitgeber klagen über hohe Lohnnebenkosten und schlechte Skalierbarkeit durch lange Kündigungsfristen.
Slum-Kinder in Manila - Foto: Dennis
In Entwicklungsländern fehlt das Nötigste
In Entwicklungsländern sind solche Leistungen nicht einmal träumbar. Viele unserer Mitmenschen wären schon glücklich mit Grundlagen wie:
- sauberes Trinkwasser
- Sanitäranlagen
- Rechtssicherheit
- Gleichberechtigung
- Korruptionsfreiheit
Wenn selbst fundamentale Voraussetzungen fehlen, müssen die Menschen sich selbst organisieren. Sie werden quasi zum Unternehmertum gezwungen.
Dennis vom Liberated.blog war in philippinischen Slums unterwegs.
Die Armut ist erschütternd, aber der Erfindungsreichtum hat ihn überrascht. Hier sind seine 4 Lektionen aus den Armenvierteln der philippinischen Hauptstadt Manila:
Spielende Slum-Kinder in Manila
Willkommen im Armenviertel
Ich laufe durch die engen und von Händlern, Jeepneys und spielenden Kindern überfüllten Gassen im Stadtteil San Andres. Trotz weniger Hochhäuser hat Manila die doppelte Bevölkerungsdichte von Manhattan und damit die höchste weltweit.
Es hat geregnet. Gruben von Straßenbaustellen laufen hier schnell voll. Für die Straßenkinder ist das eine willkommene Abwechslung und ein gratis Schwimmbad. Mittlerweile sind auch die Straßen überflutet. Das Abwassersystem kommt nicht hinterher. Viele Häuser scheinen gar kein Abwasser zu haben.
Ein Problem ist das nicht. Selbst dem ärmsten Hausbesitzer geht es immer noch besser als den zahlreichen Obdachlosen. Wer nicht kleine Notunterkünfte aus Schrott und anderem Müll baut, schläft teilweise provisorisch mit Matratzen in Baumkronen.
Jährlich strömen viele Menschen aus den Provinzen in die Hauptstadt Manila in der Hoffnung hier ihr Glück zu finden. Die meisten haben Pech und landen in den Slums, wo sie nur mit viel Fleiß und Kreativität überleben.
Verkaufsstände am Wegesrand in Manila - Foto: Dennis
1. Lektion: Jeder ist Unternehmer
Die obdachlosen Slum-Bewohner sind aber nicht unbedingt arbeitslos. Sie ersetzen zum Beispiel die fehlenden Waschmaschinen und bieten einen mobilen Wäscherei-Service an. Sie reinigen auf der Straße die Wäsche der Anwohner mit Wasser, Eimer und Seife.
Auch an trockenen Tagen siehst du häufig Pfützen. Diese Pfützen bestehen aus einem flüssigen Gemisch von Waschmittel und undefinierbarem Dreck. Abgemagerte Straßenhunde und freilaufende Hühner frischen sich hier auf. Diese Hühner produzieren wahrscheinlich auch die Eier, die man an jeder Ecke kaufen kann.
Reich werden die Menschen durch diese improvisierte Wirtschaft nicht. Alle sind arm, aber das wenige vorhandene Geld wandert zumindest von Hand zu Hand. In Entwicklungsländern wie den Philippinen lernst du schnell: Jobs wird es immer geben. Die Frage ist nur, ob jemand diese Jobs machen will.
Deshalb existieren in Deutschland auch keine typischen asiatischen Jobs wie Parkplatz-Einweiser. Wir sind reich genug um solche Jobs nicht mehr machen zu wollen. In den Philippinen haben die Menschen aber derzeit noch keine Wahl. Sie sind von ihrer täglichen harten Arbeit abhängig.
Fast alle Jobs sind informell. Der philippinische Mindestlohn wird nicht beachtet und geht hier völlig an der Lebensrealität der Menschen vorbei.
Ein Friedhof neben Wolkenkratzern - Foto: Dennis
2. Lektion: Menschen finden Lösungen
Was machen die zahlreichen philippinischen Obdachlosen, die keine passende Schlafgelegenheit haben? Die Not macht erfinderisch. Eine besonders makabere Wohnsituation findest du 400 Meter Luftlinie vom Trump-Tower in Makati im Süden Manilas.
Auf einem Friedhof stehen zahlreiche Familiengräber von wohlhabenden Filipinos. Es sind teilweise richtige Mausoleen und mit sogar mehreren Stockwerken. Wahrscheinlich illegal aber geduldet, sind zahlreiche obdachlose Familien in die Grabstätten eingezogen.
Mit Ankunft der zahlreichen lebenden Anwohner hat sich auch hier eine kleine Ökonomie entwickelt. Zahlreiche kleine Läden haben auf dem Friedhof aufgemacht. So versorgen sich die Anwohner mit notwendigen Lebensmitteln und weiteren Gütern.
Die Kinder haben sich Spielplätze eingerichtet. So kannst du auf diesem Friedhof erleben, wie die Totenruhe einem Volleyball-Turnier weichen muss.
Natürlich sind letztendlich Not und Leid der Antrieb dieser Menschen. Filipinos müssen unter schwierigen Bedingungen ihr Bestes geben. Wenn sie es nicht tun, verhungern sie.
Slum Bewohner in Manila - Foto: Dennis
3. Lektion: Hilfe von Mitmenschen ist nötig
Die meisten Friedhofsbewohner können sich irgendwie über Wasser halten. Ich habe aber auf diesem Friedhof auch einen besonderen Härtefall erlebt.
In einem vor Hitze stickigen Grab liegt ein Junge, der an Kinderlähmung erkrankt war. Der Junge vegetiert den ganzen Tag vor sich hin nur um bald endgültig im Grab zu landen. Auch die Verwandten des Jungen kümmern sich nur um das Nötigste.
Den Jungen kann man nicht einfach machen lassen. Er findet alleine keine Lösungen. Wie die Toten ist er an sein Grab gebunden. Es gibt nichts, was er von selbst erreichen könnte.
Hier ist Hilfe zur Selbsthilfe ausgeschlossen und eine helfende Hand von außen zwingend nötig. Ein philippinischer Freund von mir hat sich dem Jungen angenommen.
Slum-Kinder spielen Volleyball in Manila - Foto: Dennis
4. Lektion: Sei dankbar und mach was daraus
Wenn du in den Philippinen mit Elend und Armut konfrontiert wirst, erkennst du wie gut es uns eigentlich geht. Unser einziger „Verdienst“ ist, daß wir in Deutschland geboren wurden.
Erstaunlicherweise sind die Menschen auf den Philippinen mit ihrer schlechten Situation viel dankbarer als wir. Wir sollten uns unseren Vorteilen viel mehr bewusst sein.
Es liegt nahe sich selbst zu verurteilen für einen Vorteil, der uns geschenkt wurde. Besser wir schauen uns den Eifer der Filipinos ab. Die versinken auch nicht im Selbstmitleid für eine Lage, für die sie nichts können.
Uns schlecht zu fühlen wegen unserem Gewissen hilft den Filipinos auch nichts. Wenn überhaupt dann verpflichtet es uns um so mehr das beste aus unseren Privilegien zu machen.
Slum-Bewohner müssen jeden Tag kämpfen nur um zu überleben. Wenn wir mit all unseren Privilegien nur halb so viel kämpfen würden, könnten wir die Welt besser machen.
Fazit und Mutmacher von Dennis
Für uns Deutsche kaum vorstellbar: Leben ohne Wohlstand ist möglich.
Armut ist nicht schön und ich möchte nicht tauschen. Aber es ermutigt, dass man auch unter übelsten Umständen mit Fleiß und Kreativität etwas erreicht.
Das gibt mir als Unternehmer Hoffnung. Selbst wenn ich alles verliere, ist das nicht so schlimm.
Meine Erfahrung aus fast 2 Jahren Weltreise als Digitaler Nomade zeigt: Es geht immer irgendwie voran.
Dennis schreibt auf seinem Liberated.blog über das Auswandern und ortsunabhängige Geldverdienen. Lies seinen Mutmacher mit Erfahrungen aus erster Hand.
Was hat dich in Entwicklungsländern erschreckt und was ermutigt? Schreibe deine Erfahrungen in die Kommentare
Wenn du selbst einmal in Manila bist, kannst du die Slums auch mit Smokey Tours besuchen. Alle Gewinne kommen den Slumbewohnern zugute.