Aber wie war das doch gleich? Hat nicht der da Zitierte bei seinem Abschied aus dem Bundesrat stolz vermerkt, in seiner Amtszeit seien «null neue AKW» gebaut worden? Und war es nicht Leuenberger, der von atomfreundlichen Kreisen wegen seiner atomkritischen Haltung wiederholt kritisiert wurde?
Ein Blick in das vollständige Interview vom 24. Oktober 2010, in dem sich der Geradenoch-Minister angeblich positiv zur Atomkraft geäussert hat, zeigt ein etwas anderes Bild. Leuenberger spricht sich darin persönlich mit keinem Wort für die Atomkraft aus, sondern vertritt – ganz Magistrat – die Haltung des Gesamtbundesrats, in dem er als Atomkritiker und Sozialdemokrat energiepolitisch jahrelang in der Minderheit war.
Im Original-Interview findet man neben den zitierten Sätzen nämlich auch diese Passagen:
Frage: Es braucht Atomkraftwerke. Erneuerbare Energie reicht kaum aus, um die drohende Stromlücke zu schliessen.
Leuenberger: Das ist auch die Meinung des Gesamtbundesrats. Zumal Strom zur Mangelware wird. Wir verfolgen eine Vier-Säulen-Strategie. Neben Effizienz, erneuerbarer Energie und Auslandabsicherung gehören Grosskraftwerke dazu. Das können Gas- und Kernkraftwerke sein.»
Und etwas weiter unten:
Wird der Strom knapp, stimmen wir neuen Kernkraftwerken zu?
Erst wenn der Nachweis erbracht ist, dass alles Denkbare unternommen wurde, um die erneuerbaren Energien – Sonne, Wind, Geothermie – zu fördern, dürfte ein neues Kernkraftwerk an der Urne eine Chance haben. Darum haben die Kernkraft-Befürworter ein grosses Interesse daran, erneuerbare Energie zu unterstützen.
Flammende Bekenntnisse tönen irgendwie anders. Aber das dürfte für die Macher der Inserate – die Pro-Mühleberg-Kampagne wird von der PR-Agentur Burson-Marsteller geleitet, die auch die Lobbyorganisation Nuklearforum vertritt – keine Rolle gespielt haben. Wesentlich wichtiger dürfte gewesen sein, dass man den Namen Leuenberger irgendwie mit einem scheinbar atomfreundlichen Votum in Verbindung bringen konnte. Und das man dazu ein Foto fand, auf dem hinter dem Kopf des Ex-Ministers das Logo der SP deutlich zu erkennen ist.