Argo

Argo

ARGO
USA 2012
Regie: Ben Affleck
Darsteller: Ben Affleck, Bryan Cranston, Alan Arkin, John Goodman, u.a.
Drehbuch: Chris Terrio
Studio: Warner Bros
Deutschsprachige Kinoauswertung 2012 unter dem Titel Argo
Dauer: 115 min

DER FILM:
Manchmal ist es ganz gut, einen Film aus zeitlichem Abstand zu betrachten – wenn der ganze Hype vorbei ist. Ben Afflecks Argo lief vor zwei Jahren in den Kinos und wurde allseits in den höchsten Tönen gelobt. Warum, das erschliesst sich mir nicht.
Der Film folgt den Ereignissen eines Geiseldramas in Teheran im Jahr 1979, beruht also auf einer wahren Begebenheit. Dieser Umstand ist im Titelvorspann erwähnt. Der Film wird von einer kurzen geschichtlichen Abhandlung zur politischen Geschichte des Iran ab 1953 eingeleitet, die dem Zuschauer klar macht: Jetzt wird ein Kapitel Geschichte aus dem vergangenen Jahrhundert aufgerollt. Geschichtsunterricht! Aufgepasst!

DIE HANDLUNG:
Teheran, Iran 1979. Ayatollah Komeini ist an der Macht, die Massen sind fanatisiert. Das macht gleich die erste Szene der eigentlichen Spielhandlung klar. Aufgebrachte Studenten stürmen die US-Botschaft in Teheran und nehmen sämtliche Mitarbeiter (52) in Geiselhaft. Sechs Botschaftsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter können allerdings unbemerkt durch einen Hinterausgang fliehen. Sie finden im Haus des kanadischen Botschafters Asyl, d.h., sie werden dort versteckt gehalten. Diese Sechs bilden fortan das Zentrum der Handlung, ja ihren eigentlichen Motor, denn die US-Regierung muss sie so schnell wie möglich aus Teheran herausholen – bevor die Geiselnehmer ihr Fehlen bemerken und ihrer Spur folgen. Das hätte deren sicheren Tod bedeutet.
Angeheuert wird der CIA-Mann Tony Mendez (Affleck), der auf Geiselnahmen spezialisiert ist. Er ist es denn auch, der die einzig brauchbare Idee einbringt, wie die sechs an den Revolutionswächtern vorbeigeschleust und aus dem Land herausgelotst werden können. Er stellt ein Team aus Hollywood-Leuten zusammen und fingiert einen Science-Fiction-Film, der im Iran gedreht werden soll. Die sechs Diplomaten sollen sodann als Filmleute getarnt werden – und so schnell wie möglich unbemerkt ausreisen.
Der Plan, so irrwitzig er klingt, kommt durch. Mendez rekrutiert den bekannten Make-Up-Spezialisten John Chambers (John Goodman) und einen abgehalfterten Regisseur (Alan Arkin). Die iranischen Behörden fallen auf das Theater herein – doch schaffen es die sechs Botschaftsmitarbeiter, im entscheidenden Moment nicht aus ihren Rollen zu fallen?
Argo hat durchaus Ähnlichkeiten mit The Great Garrick, den ich letzte Woche vorgestellt hatte. Auch dort ging es um ein gewitztes theatralische Täuschungsmanöver. Afflecks Film ist allerdings absolut nicht lustig – trotz der komödiantisch klingenden Ausgangslage.

DIE REGIE:
Affleck tut, was im heutigen Kino üblich ist, wenn Authentizität erreicht werden soll: Er macht fleissig Gebrauch von der wackeligen Handkamera. Auch schnelle, harte Schnitte sind ein gängiges Mittel, Doku-Charakter zu erreichen. Ständige Bewegung (der Kamera, der Schauspieler) soll die Spannung und das Interesse des Publikums aufrechterhalten. Die Dialoge und die Bilder korrespondieren oft nicht miteinander, so dass in gewissen Sequenzen Bild und Ton je verschiedene Informationen liefern. Ruhige Sequenzen sind selten - Argo trägt ganz deutlich die Insignien des Thrillers. Der Authentizitätsanspruch des Regisseurs geht soweit, dass reale Bilder, die man aus den Nachrichten kennt, im Film nachgestellt werden. Daraus ergeben sich allerdings einige Probleme…

DIE PROBLEME:
Argo kommt, wie gesagt, authentisch daher. Er ist es aber nur in bestimmten Teilen. In anderen Teilen wird der Wahrheitsanspruch dem Spektakel geopfert. Das letzte Drittel etwa, die heimliche Ausreise der befreiten Diplomaten über den Teheraner Flughafen, ist im Film rasend spannend – mehrere wichtige Aktionen geschehen in allerletzter Sekunde. In Wirklichkeit hat sich die Ausreise ganz anders abgespielt: Die Gruppe ist in Ruhe und völlig unbehelligt durch die Passkontrolle und ins rettende Flugzeug spaziert. Es gibt andere Sequenzen, die ebenso publikumsgerecht und effekthascherisch fingiert wurden. Darunter leidet aber der ganze Film. Wer die Geschichte und Hintergründe nicht kennt – und das dürfte das Gros des Publikums sein – tappt im Dunkeln darüber, wo die Wahrheit aufhört und die Dichtung beginnt. Respektive: Der unvoreingenommene Zuschauer glaubt den realitätsnahen Bildern – weil sie so “echt” sind.
Ebenso unklar wie der Wahrheitsgehalt der Geschichte bleiben die politischen Hintergründe. Wer war dieser Ayatollah Khomeini, der im Hintergrund immer mal wieder auf Plakaten in Erscheinung tritt? Worauf gründete er sein Regime genau? Welche Parallelen zum heutigen islamischen Fundamentalismus lassen sich ziehen? (Die Parallelen stehen greifbar im Kino-Raum) Und welche Rolle spielte die USA bei der ganzen Geschichte? Dass sie eine gewichtige Mitschuld an der Machtübernahme Khomeinis und somit am Ausbruch der “islamischen Revolution” trägt, unterschlägt der Film.
Ein weiteres Problem ist die Darstellung der Iraner. Sie erscheinen im Film fast ausschliesslich als fanatisierte Masse – und als solche aggressiv, hässlich und gewalttätig. Die Amerikaner auf der anderen Seite sind ausnahmslos gut: Tapfer, besonnen, mutig – oder duldsam Leiden ertragend.

DIE SCHAUSPIELER:
Ben Affleck tut nicht viel, sein Spiel bleibt ruhig und cool – das tut ganz gut in der ganzen Hektik. Der Rest der Crew ist gut gewählt, sie funktioniert hervorragend als Ensemble. Für die Amerikaner in Teheran wurden fast ausnahmslos unbekannte Darstellerinnen und Darsteller gewählt. “Hollywood” hingegen wird von zwei altgedienten “Schwergewichten” grandios repräsentiert: Alan Arkin und John Goodman sind für die komischen Szenen zwischendurch zuständig und machen ihre Sache mit sichtlichem Vergnügen.

FAZIT:
Ich kann die Begeisterung, die Argo in der Filmwelt ausgelöst hat, nicht teilen. Nachvollziehen schon eher, denn dessen Wirkung ist beeindruckend, er ist handwerklich sehr gut gemacht, aber wenn man genauer hinschaut, hinterlässt er mit seinem simplen Schwarz-Weiss-Gut-Böse-Schema einen schalen Nachgeschmack.
Stellt sich die Frage: Was will Argo eigentlich?
Will er Geschichte aufarbeiten? Dazu kommt er zu reisserisch daher und jongliert zu leichtfertig mit Fakten, die er sich filmgerecht passend hinbiegt. Will er die beiden Sub-Themen Film im Film und Facts und Fiction ausloten? Dazu ist er zu humorlos und zu actionlastig, zu realistisch in der Machart. Oder will er zeigen, dass der gute amerikanische Held in der CIA zu finden ist? Ich habe den dringenden Verdacht, dass es genau das ist! Argo ist ein verkappter, im Grunde seines Herzens reaktionärer Propagandafilm, der zeigt, dass die islamische Welt schon immer böse und barbarisch war. Und die amerikanische schon immer gut und edel.
Es ist wohl kein Zufall, dass Regisseur und Hauptdarsteller Ben Affleck demnächst die ur-amerikanische Comic-Figur Batman verkörpert – in einem Film, der vom Argo-Drehbuchautor geschrieben wurde.
6/10

DIE DEUTSCHE DVD:
Die Bildqualität ist ganz gut, die Tonqualität auch. Zu bemängeln sind einmal mehr die Untertitel: Auf deutsch gibt es – wie so oft bei Warner – mal wieder nur die Untertitel für Hörgeschädigte, die einfach die deutsche Synchro vertextlichen. Von einer guten Übersetzung des Originaldialogs sind wir damit weit entfernt. Im Gegenteil: Wer einigermassen Englisch versteht, dem kommen die unstimmigen Untertitel ständig in die Quere.
Audio:
Englische Orginalfassung; Synchronfassungen: deutsch, spanisch
Untertitel: Englisch für Hörgeschädigte, Deutsch für Hörgeschädigte, Dänisch, Schwedisch, Finnisch, Isländisch, Norwegisch, Spanisch, Portugiesisch
Extras: Dokumentarfilm Wir waren dort. Der 15-Minütige Film berichtet recht oberflächlich über die Hintergründe der Geiselnahme. Zur Illustration werden immer wieder Bilder aus Afflecks Film eingeblendet, was ich aus oben genannten Gründen deplaziert finde. Die Doku ist als Propagandamaterial für Afflecks Film zu verstehen.

VORHER-NACHHER:
Ben Affleck, der Regisseur drehte vor Argo den Thriller The Town (2011), zu dem er auch das Drehbuch verfasste.
Ben Affleck, der Schauspieler spielte zuvor in seinem eigenen Film The Town (s.oben) mit, danach war er in Terrence Malicks Film To The Wonder (auch 2012) in der Hauptrolle zu sehen.
Chris Terrio schrieb zuvor das Buch zu dem Kurzfilm Book of Kings, in dem er selbst Regie führte. Sein nächstes Drehbuch wird gerade verfilmt: Batman v Superman: Dawn of Justice - mit Ben Affleck als Batman.
Alan Arkin war zuvor in einer winzigen Rolle im Film The Muppets (James Bobin, 2011) zu sehen, danach in einer Hauptrolle neben Al Pacino und Christopher Walken in Fisher Stevens Komödie Stand Up Guys (2012), die im deutschsprachigen Raum nicht im Kino zu sehen war. Seine nächste Filmrolle wird in Sue Kramers Film The Locals sein.
John Goodman trat zuvor in The Campaign (dt.: Die Qual der Wahl, Jay Roach, 2012) auf, danach drehte er mit Clint Eastwood Trouble With The Curve (dt.: Back in the Game, Robert Lorenz, 2012); in beiden Filmen spielte er kleinere Nebenrollen. Im Moment steht er für den Film Trumbo von Jay Roach vor der Kamera.

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