„Are you Brian?“

fragte Caro den kleinen wilden Mann mit den leuchtend grauen Augen, der uns von seiner Farm entgegen geritten kam. Zuvor trafen Katja (Pizzabäckerin in der Pizza Bar und gelernte Conditorin), Chrissy (Kristina, meine Nachfolger-Kellnerin) und ich uns am McDonalds in Nelson und fuhren zusammen zu Caros Haus in Stoke, bei Richmond. Mit Hilfe einer freundlichen Joggerin und etwas Verspätung fanden wir es schließlich (nicht, dass Katja und ich nicht schon vorher einmal da waren..) und sammelten Caro ein. Gut, dass Neuseeland so wenig Straßen hat, denn nur so ist es zu erklären, dass wir vier gleich-orientierungslosen Mädels ohne uns zu verfahren (gut, EINMAL kurz) in Marahau ankamen, durch Toilettenpause etwas zu spät, aber völlig bereit für unser großes Abendteuer.

Unseren zweistündigen Reittripp hatte Caro über Craig gebucht, der dort in Marahau anscheinend eine Farm betreibt und die Ausritte für „Brian“ mitorganisiert. Von Craig bekamen wir auch die Anfahrtsbeschreibung und die Auskunft, dass Brian mit den gesattelten Pferden irgendwo am Straßenrand steht.

Am Straßenrand stand niemand und so gingen wir einen Weg entlang und schauten auf die verschiedenen Farmen, bis wir dem kleinen wilden Mann begegneten. Der Mann klärte uns auf, dass er nicht Brian sei, wirkte dabei etwas konfus und leicht betrunken. Er fragt uns, was wir denn suchten und ich wollte eigentlich schon wieder weiter laufen, um nicht noch später an unserem Ziel anzukommen, aber Caro ging dem Mann entgegen auf die Farm und ich folgte ihr. Wir erklärten ihm unser Ziel (was wir wussten) und er meinte, er hätte da ein paar Pferde und wir sollten mit kommen. Als wir zögerten, sagte er, wir seien schon richtig. In einem Mix von Worten über die verschiedenen Reittechniken (Katja hatte gefragt, ob er englisch oder western reite), Fastfoodessen und „dumme Touristen“, die immer zu spät kämen und die gleichen Fragen zu Beginn stellen würden, wie z.B. ob er Brian sei und welchen Reitstiel er anbiete, wurde uns klar, dass er tatsächlich Brian hieß und wir an der richtigen Stelle waren. Brian redete viel, wechselte die Themen schnell und schien etwas angetüdelt mit seinen lautstarken Aufstoßern und der Spucke im Mundwinkel. Er führte uns zu einer Ansammlung von kleinen Schuppen, vor denen drei Pferde angebunden waren. Doch bevor wir den Tieren nahe kam, redete Brian in einem Fluß, während wir höflich nickten und uns gegenseitig zuflüsterten, ob das alles von unserer Zeit abginge. Irgendwann nahm uns Brian diese Last, als er erklärte, dass er den ganzen Tag Zeit hätte und wir noch lange genug reiten würden. Schließlich erkundigte er sich nach unseren Reitkünsten und versuchte, seine Pferde aufzuteilen, wobei ihm die Namen der einzelnen Tiere nicht ganz geläufig zu sein schienen. Ich fragte noch nach einem Helm und die Frage schien Sachen ins Laufen zu bringen. Wir gingen zu einem der vielen Schuppen, unterschrieben irgendein Formular und bekamen passende Helme. Dabei entdeckten wir noch ein weiteres gesatteltes Pferd hinter einem der Gebäude, so dass tatsächlich die Anzahl der Reiter mit der Anzahl der Pferde übereinstimmte und ich nun vollständig überzeugt war, dass wir beim richtigen Anbieter gelandet sind. Ich durfte dann gleich auf das Pferd aufsteigen, auf dem uns Brian zuvor entgegen kam. An mir erklärte er Chrissy kurz den Sitz und die Zügelhaltung und schon konnte ich auf die Wiese vorreiten und mich ein bisschen einreiten. Die anderen gesellten sich dann langsam während der nächsten halben Stunde zu mir. Katja merkte schon bei einem Gallopp auf der Wiese, dass ihr Pferd ein gewisses Temperament besaß. Als alle im Sattel saßen, ging es mit einer Stunde Verspätung los, die Straße entlang und durch ein Tor mit rostigen Pfählen auf den gelben feinen Sandstrand des Abel Tasman Nationalparks, eines der beliebtesten Wandergebiete hier in Neuseeland.

Wir ritten neben- und hintereinander, wie wir gerade Lust hatten, denn Brian schien das völlig egal zu sein. Bald hatte alle ihren Fotoapparat in der Hand und wir lichteten uns gegenseitig ab. Es war Ebbe und der Strand war an einigen Stellen hunderte von Metern breit. Am Ufer erstreckten sich die Wälder und Berge des Parks. Wir durchquerten kleine Ströme, die Pferde sanken tief in dem feuchten Sand ein und mein Pferd schien ganz besonders das Wasser zu mögen und schaufelte immer wieder mit einem Bein das Wasser an seinen Bauch und meine Beine. In einer der großen Buchten zeigte uns Brian eine Strecke, die wir nacheinander entlang galoppieren sollten. Katja machte den Anfang und ihr Pferd ging, wie bereits auf der Wiese, mit ihr durch, stoppte am Ende plötzlich und Katja fiel in den Sand. Brian schien völlig unbesorgt, sammelte ihre Kamera ein und schickte mich als zweites auf die Strecke. Ich galloppierte besonders langsam, um meinem Pferd gar nicht erst die Idee zu geben, durchzudrehen. Der Ritt war toll, über den weichen Sand. Bei Katja angelangt, erfuhr ich, dass es ihr gut ging. Sie versuchte bereits wieder aufzusteigen, was nicht ganz leicht war, mit dem nicht still stehenden Pferd. Sie probierte noch zweimal einen normalen Galopp, doch wieder ging das Pferd durch und sie fiel herunter. Schließlich entschied Brian, mit ihr zu tauschen und versuchte selber einen Ritt auf dem nun wilden Tier. Auch bei ihm ging es durch, er blieb jedoch im Sattel, bis es einigermaßen geradeaus rannte. Schließlich sahen wir ihn in der Ferne absteigen und irgend etwas an dem Zaumzeug zu werkeln. Wir anderen waren etwas beunruhigt auf unseren Pferden, weil wir nicht wussten, wie sicher die Tiere waren. Brian kam schließlich zurück, das Zaumzeug völlig umgebaut, weil irgendetwas gerissen war. Katja blieb auf seinem Pferd und wir ritten im ruhigen Tempo weiter durch die wunderbare Landschaft. Brian fürhrte uns zu einer Landzunge, die weit ins Meer reinragte und wir dachten, wir würden an deren Ende einfach ein paar Fotos machen und dann umdrehen. Doch nach den Fotos hieß es, wir würden einfach quer durchs Meer bis zur nächsten Landzunge reiten. Brian machte sich mit seinem Pferd auf ins pferdeknie- bis pferdebauchtiefe Wasser und wir folgtem ihn, misstrauisch natürlich. Doch Brian schien die Gegend gut zu kennen und so bewegten wir uns durch das Meer, über 200 Meter entfernt vom Strand auf einer Sandbank, deren Verlauf nur Brian kannte. Unsere Füße wurden zwar nass, aber es wurde zum wohl aufregendsten Ritt unseres Lebens! Brian führte uns zu wunderbaren Felsformationen, traumhaften Buchten und verlassenen Stränden. Ab und zu begegneten wir ein paar Wanderern und alle schauten neidisch zu uns herüber. An einem anderen Strandabschnitt sollten wir noch ein paar mal einzeln oder zu zwei galoppieren und Katjas neues Pferd ging ebenfalls durch. Schließlich tauschte ich mit Katja und stieg auf den nun ziemlich nervösen Wallach. Er war etwas größer, als die ruhige Stute, die ich davor ritt, doch ich fühlte mich schnell ganz gut und versuchte selbst ein paar ruhige Galopps, was ganz gut ging. Nur einmal auf dem Weg zurück zur Gruppe drehte Macs (so hieß er) etwas auf, doch nach ein paar Kreisen war er beruhigt und den Rest des Rittes sehr lieb. Auch Chrissy kam in den Genuß von ein paar Traben und wir traten zufrieden den Heimweg an.

Wir kamen nach fast 4 Stunden wieder gut an Brians Schuppen an, brachten die Pferde auf die Weide und zahlten Brian sein wohlverdientes Geld.

Mit der Reitzeit auf der Wiese durften wir doppelt so lange reiten und zahlten nur 80 Dollar pro Person, ein unschlagbarer Preis hier in Neuseeland! Es war alles andere, als die typische Touristentour, bei der alle brav hintereinander reiten und die genau zwei Stunden dauert, die Pferde die Wege blind kennen und absolut zuverlässig sind. Wir hatten einen unvergesslichen Ritt, bei dem glücklicherweise alles gut ging und der vielleicht auch wegen des Nervenkitzels so einzigartig großartig war.

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