„Xen“
(Mute Records)
Musik, bei der einem ganz warm ums Herz wird, gibt es zur Genüge – solche jedoch, die dem Trend zur allgemeinen Verwohlbefindlichung nicht zu folgen bereit ist, muss man länger suchen, man gewinnt damit keinen Blumentopf, von ebenjenen Herzen ganz zu schweigen. Alejandro Ghersi alias Arca ist diesbezüglich das Musterbeispiel eines Totalverweigerers. Der gebürtige Venezuelaner, jetzt wohnhaft in London, hat sich diesen Ruf durch seine Zusammenarbeit mit FKA twigs und Kanye West für dessen Drone-Rap-Album “Yeezus” hart erarbeitet, nun kommt er mit seinem ersten eigenen Werk. Schon was “Xen” vorausging, ließ Tiefsttemperaturen erahnen – im Videoclip zum Track “Thiervery” darf man einem weiblichen Androiden beim Twerking zuschauen, auf dem Cover des Albums verzerrte Künstlichkeit, sexuell aufgeladen (und in der Importversion passenderweise auch noch verpixelt), metallen, fremd. Nicht anders der rein instrumentale Inhalt der Platte. Die Stücke, versehen mit Titeln wie “Sad Bitch”, “Failed”, “Family Violence” und “Wound”, sind in der Struktur eher skizzenhaft angelegt und von üblicher Liedhaftigkeit komplett befreit, kaltes, synthetisches Flackern und Klirren, nervöse Beats, wohin man hört. Selbst die technoiden Drumparts werden selten durchgängig eingespielt, besagtes “Thiervery” und “Bullet Chained” sind da eher die Ausnahme. Um ansatzweise zu verstehen, woher diese Kälte und vermeintliche Unnahbarkeit kommen, sollte man sich ein wenig in Ghersi’s verschlungene Biografie einlesen – das Magazin FADER hat erst kürzlich eine längere Coverstory zu Arca veröffentlicht, in welcher neben Hinweisen auf frühkindliche Erlebnisse, sexuelles Selbstverständnis und musikalische Einflüsse auch zu erfahren ist, dass der Mann das kommende Album von Björk als Produzent begleiten wird. Es sollte zum Schaden der eigenwilligen Isländerin nicht sein – denn für sie wie auch für Ghersi gilt: Nicht so einfach zu haben, letztendlich aber eine Bereicherung. http://www.arca1000000.com/
05.12. Berlin, Berghain Kantine