© Universum Film / Richard Gere in “Arbitrage”
Als Sohn des in Deutschland geborenen und in den USA berühmt gewordenen Unternehmers und Philanthrops Henry Jalecki kennt man sich aus an der Wall Street. Während Papa Jarecki die Wall Street revolutionierte – seine Firma Mocatta gilt als erstes prominente Beispiel für ein Unternehmen an der Wall Street, dass ethnische Minderheiten und weibliche Kaufleute beschäftigte – wurde Sohnemann Nicholas bereits im zarten Alter von fünfzehn Jahren als Hacker betitelt, der bereits mehrere Computerfirmen sein eigen nennen durfte. Erste Berührungen zum Filmbusiness gab es schon ein Jahr später. Mit sechzehn wurde er als technischer Berater für den Film „Hackers“ engagiert, erklärte Schauspielern (Angelina Jolie und Jonny Lee Miller) und Filmemachern was beim hacken möglich ist und wie es dargestellt werden sollte. Mit neunzehn Jahren machte er seinen Abschluss an der New York University, drehte daraufhin Musikvideos, bis er 2005 mit „The Outsider“ sein Spielfilmdebüt realisierte. Es hat sieben Jahre gedauert bis er beim renommierten Sundance Film Festival sein Nachfolgewerk „Arbitrage“ vorstellen durfte, ein realistisch inszenierter Wirtschaftsthriller, in dem Richard Gere glänzen darf wie schon lange nicht mehr. Und das, obwohl er der Stinkstiefel der Geschichte ist.
Gere spielt Robert Miller, einen sechzig Jahre alten Wall Street Magnaten, der gemeinsam mit seiner Tochter Brooke (Brit Marling) einen Hedge-Fond hält. Dieser soll für eine beträchtliche Summe Geld abgestoßen werden, verkauft an einen Interessenten, der für eine Menge Profit im Hause Miller sorgen könnte. Dem Verkauf steht nicht mehr viel im Wege, außer schlechten Schlagzeilen. Deswegen darf niemand erfahren, weder seine Tochter noch Ehefrau Ellen (Susan Sarandon), dass er die Bücher seiner Firma manipuliert hat, um einen erheblichen Finanzverlust zu vertuschen, was ihn als Betrüger und Schwindler hinter Gitter bringen könnte. Bisher konnte er das alles bestens vertuschen. Als er dann aber eines Nachts per Autounfall seine Geliebte, die Französin Julie (Laetitia Casta), um ihr Leben bringt, beginnt Detective Bryer (Tim Roth) mit Nachforschungen, die weit über diesen Unfall hinaus gehen.
Susan Sarandon
Es ist dann auch eben jener Tim Roth, der Richard Gere in einem Wort-Schlagabtausch, einem Verhör, zur Höchstleistung anspornt. Im schnellen Wortwechsel äußert Roths Detective Bryer seine Fragen, impliziert bereits kleine Anschuldigungen oder Vermutungen, auf die Geres Miller blitzschnell reagiert. Es soll das einzige Aufeinandertreffen dieser beiden Personen in „Arbitrage“ bleiben. Nach dem Gipfeltreffen verfolgen beide ihre eigenen Vorhaben, ohne weiter dem anderen ins Gehege zu kommen. Damit bietet „Arbitrage“ ausreichend Fläche um tief in die Charakterzüge, in die Werte- und Normenvorstellungen dieser beiden Männer einzutauchen, die fast gänzlich gen Null tendieren. Es sind zwei Männer mit klarer Kenntnis von bestehenden Regeln, die sie jedoch skrupellos zu brechen bereit sind, um die eigene Weltanschauung durchzusetzen. Obwohl Bryer auf der Seite von Recht und Ordnung steht, verweigert er sich der Anwendung legaler Mittel, möchte seinen Tatverdächtigen hinter Gittern sehen. Auf der anderen Seite steht Miller, der die Finanzwelt als sein Paradies bezeichnet, in der er durch Geld und Macht zum Marionettenspieler, gottgleich unter seinesgleichen wandeln kann. Beide Männer bedienen sich der Lüge als mächtige Waffe. Ganz gleich wo sie zum Einsatz gebracht wird, ob nun auf dem Finanz- oder dem Justizsektor.
Richard Gere gelingt dabei eine Seltenheit, verkörpert seinen Antihelden so sympathisch und diabolisch zu gleichen Teilen, dass er trotz allem zum Helden der Geschichte taugt. Er betrügt seine Ehefrau, belügt seine Tochter und enttäuscht seine Geliebte, schafft es aber dennoch als ein Mann aufzutreten, der all diesen Menschen wahrhaftige Liebe entgegen bringt. Das hebt ihn von Männern wie Gordon Gekko ab, den weitaus widerwärtigeren Teufel, 1987 und 2010 von Michael Douglas in „Wall Street“ samt Fortsetzung dargestellt.
Tim Roth
Bei allen Sympathien die man für Geres Darstellung hegen kann, so tritt doch auch immer wieder der Marionettenspieler hervor, der mit seinen Mitmenschen spielt, als seien sie selbst Aktien am Börsenmarkt, die er kaufen und verkaufen, die er nach Lust und Laune, nach seiner eigenen Kalkulation, benutzen kann, wie er es gerade für nötig erachtet. ‘Geld regiert die Welt’ ist sein Leitmotiv. Auf die Frage, ob er eine brisante Angelegenheit mit Geld lösen könne, antwortet er mit einer trockenen, aber auch ein wenig naiven Gegenfrage: ‘Wie denn sonst?’. Der Glaube ans Geld ist unerschöpflich, in Reichtum sieht er jene gottgleiche Existenz, die ihn selbst von seinen Mitmenschen abhebt und die er sich unter allen Umständen bewahren möchte. Ein passenderer Satz wäre dann allerdings nicht um die Regentschaft des Geldes über die Welt aufgebaut, sondern viel mehr: ‘Geld ist die Wurzel allen Übels’. Und zwischen diesen beiden Kontrastpunkten findet Richard Gere sein perfektes Spiel. Die von ihm positiv aufgeladene Deutung des Geldes als Mittel um an den nötigen Ruhm zu gelangen im Gegensatz zu den moralischen und gegen das Gesetz verstoßenden Mitteln, die er anwendet um sich diesen Ruhm zu bewahren. Das menschliche hin- und hergerissen sein zwischen seiner Ehefrau und seiner Geliebten. Die kontrastierenden Ansichten die er mit seiner Tochter teilt.
All diese Verhaltensmuster zeigt Richard Gere in einem überdurchschnittlich ambivalenten Spiel, mit dem er sich in den realistischen Blickwinkel einfügt, den Regisseur Nicholas Jarecki in „Arbitrage“ auf die finsteren Machenschaften im Finanzmarkt der USA – und sicherlich auch darüber hinaus – wirft. Und dass das nicht immer mit einem filmischen Happy End, mit der Wiederherstellung von Recht und Ordnung, von einer gewissen normierten Wertevorstellung der Gesellschaft einhergeht, beweist „Arbitrage“, wenn er am Ende der Figur des Robert Miller applaudiert, auf einem Banquet, in Ehren an seine großartigen unternehmerischen Verdienste in der Finanzbranche. Dieser Applaus gebührt dann aber ebenso Richard Gere.