ERFURT. (fgw) Etwa 1,3 Mio. Arbeitnehmer der Amtskirchen bzw. deren Institutionen können tief durchatmen. Es ist vorbei mit der Kirchenwillkür beim Umgang mit Menschen. Das Bundesarbeitsgericht hat in letzter Instanz am 8. August 2011 entschieden, dass die Kündigung eines Arbeitnehmers wegen dessen Wiederverheiratung unrechtmässig ist.
von Georg Korfmacher
Was war geschehen? Ein Chefarzt des Düsseldorfer katholischen St. Vinzenz-Krankenhauses war wegen seiner standesamtlichen Wiederverheiratung gekündigt worden, das entspräche nicht der katholischen Glaubens– und Sittenlehre, wie es in seinem Arbeitsvertrag festgeschrieben war. Dagegen wehrte sich der Chefarzt.
Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt folgte dem Chefarzt und entschied, dass im Einzelfall zwischen dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht und den Interessen des Arbeitnehmers sorgfältig abzuwägen sei.
Mit dieser Entscheidung folgt das Gericht verschämt der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, das schon Urteile Deutscher Gerichte wegen der Kündigung eines Organisten und einer Krankenschwester kassiert hatte. Aber auch schon in den deutschen Vorinstanzen war der katholische Arbeitgeber gescheitert.
Endlich ein Sieg der Vernunft und gegen Kirchenwillkür. Das oberste Deutsche Arbeitsgericht hat zwar angemerkt, dass die Wiederverheiratung gegen die dem Arbeitsvertrag zugrunde liegende Einhaltung der katholischen Glaubens– und Sittenlehre verstosse und dass katholische Arbeitgeber grundsätzlich geschiedenen Beschäftigten nach einer Wiederheirat kündigen können. Natürlich kann man in einen Arbeitsvertrag alles Mögliche hineinschreiben. Im Streitfall ist dann aber immer die Frage, ob man damit durchkommt. Und jeder Fall ist ein Einzelfall und es muss sorgfältig abgewogen werden. So kann man wohl davon ausgehen, dass das Selbstbestimmungsrecht des Menschen solange vorrangig ist, wie sein Verhalten nicht gegen die guten Sitten verstösst, Recht und Gesetz entspricht und seine essentiellen Interessen betroffen sind.
Von nun an werden sich die Amtskirchen und ihre Unternehmen und Einrichtungen schwerer tun, nach Gutdünken mit ihren Arbeitnehmern umzuspringen. Endlich scheinen unsere Richter zunehmend ihrer Aufgabe gerecht zu werden, den Kirchen keine absoluten Sonderrechte mehr einzuräumen. Gleiches Recht muss für alle gelten und Kirchen haben sich nicht in die persönliche Lebensgestaltung ihrer Arbeitnehmer einzumischen. Kirchen dürfen keine privilegierten Arbeitgeber sein. Für sie muss die Arbeitsgesetzgebung in gleicher Weise wie für alle Arbeitgeber gelten. Diese Entscheidung entspricht im Ergebnis laizistischem Rechts– und Demokratieverständnis, wenn auch der übergeordnete Kompass der Menschenrechte noch nicht ganz angekommen zu sein scheint.