Arbeiter, keine Menschen

Seehofers Intervention zu Ungunsten weiterer Einwanderung trägt tatsächlich Früchte. Keine, die er vom Baum reißen und verputzen wollte; ganz im Gegenteil: seine Äußerungen haben die Wirtschaft aufgeschreckt, haben das seit einiger Zeit schläfrige Steckenpferdchen des deutschen Neoliberalismus aus dem Stall geführt. Zuwanderung dürfe nicht verboten oder gar erschwert werden, mahnen die think tanks, wir brauchen qualifizierte Zuwanderung, wir benötigen Facharbeiter!

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Photo: Saad.Akhtar


Solange in dieser Republik nur über genetische Taschenspielertricks geplaudert wurde, schwiegen sich die Kapitäne und Admirale aus der Wirtschaft aus. Als man aber der Zuwanderung, die ohnehin seit Jahren dank verschärfter Gesetzgebung stockt, ans Leder wollte, da begriffen die Werbefachleute der think tanks, dass sich eine gute Gelegenheit ergeben hatte, sich einerseits als humanistische Vernunftprediger einer neuen sozialen Gesellschaft und Marktwirtschaft zu profilieren. Und andererseits könne man nun endlich die lang gehegte Vorliebe für spottbillige und jederzeit wieder heimschickbare Fachkräfte aus Billigstlohnländern - eine Vorliebe, die seit einiger Zeit aber als Diskussionsstoff eingedöst war - wieder zum Thema machen; sie in einem Anflug von Humanismus auch politisch forcieren, die verschärfte Gesetzgebung aufweichen.

Zupass kommt dieser menschelnden Propaganda zur Umsetzung eigener Interessen und Nutzen, dass monatlich stimmungsvolle Botschaften vom Arbeitsmarkt in die Stuben flattern. Die Zahl der Arbeitslosen gehe stetig zurück, Arbeitsplätze schießen wie Pilze aus dem Boden, strahlt man in die Kameraobjektive. Aufschwung! Da ist es doch belanglos, dass nicht alles Gold ist, was da glänzt; belanglos, ob die schwindende Arbeitslosigkeit auch die Bedürftigkeit beendet; belanglos, ob es nur die Zahl der Arbeitslosen ist, die sinkt oder ob es tatsächlich auch die Anzahl der Arbeitslosen ist, ob also auch tatsächlich Menschen aus der Arbeitslosigkeit, aus der Bedürftigkeit herausfallen. Nur da sieht es trostlos aus, was die frohen Kunden des Monatsendes freilich nicht erfassen und durchleuchten sollen.
Als besonnene und versöhnliche Philosophen geben sich die Stimmen aus der Wirtschaft, die günstige Fachkräfte ins Land holen möchten. Sie und ihre Handpuppen aus der Politik halten ja wenig von Familienzusammenführungen hier lebender Ausländer - die Ressourcen seien zu knapp, als dass man jede ihrem Vater hinterhergelaufene Familie aufnehmen könnte; auch mit der Gewährung von Asyl ist man wenig großzügig, schiebt lieber in Drittländer ab, weil man die Maden in unserem Speck sonst gar nicht mehr loskriegt. Aber man gibt sich versöhnlich, man ist nicht partout gegen jeden Fremden, der ins Land kommt: Fachkräfte zum Beispiel sind höchst willkommen - nur preiswert müssen sie sein!
All diese Ausländer, die schon hier sind: schrecklich verzogen sind die! Die kosten Kosten! Sind wandelnde Unkosten. Und dann wollen sie auch noch Löhne von sechsfuffzig in der Stunde. Und all die Tagelöhner aus dem Osten Europas, die bald schon überall in Europa anheuern dürfen: Die sind doch auch schon versaut, die verdienen schon mehr als noch vor zehn Jahren. Da wären Inder oder Indonesier doch bescheidener; gerade dann, wenn man den Zuzug von Gastarbeitern auch anständig und tugendhaft regelt, wenn man denen von Anfang an klar macht, dass sie nur in der Bundesrepublik bleiben dürfen, solange sie einer geregelten Arbeit nachgehen; mit etwas Glück und dem guten Willen der Handpuppen im Parlament, könnte man auch Gesetze erlassen, die die fröhlichen Arbeitsgäste vom Sozialsystem ausschließen. Wer nicht mehr schuftet, der fliegt - und wer aufmüpfig wird im Betrieb, dem droht man damit, zukünftig keine Zwölfeinhalbstundenschichten mehr schieben zu dürfen.
Solche Facharbeiter will die Wirtschaft! Sie müssen fachlich versiert sein, müssen die Qualifikation aufweisen, brave Diener ihrer Herrn zu sein. Mit Facharbeiter sind Arbeiter gemeint, die sich nach dem Schuften in ein Fach sperren lassen, ohne zu meckern - alles ohne Gezeter, alles ohne dieser Krankheit übersatter Gesellschaften. Andere Facharbeiter, welche die Geld kosten, Ansprüche haben, Familien mitbringen wollen, sind damit nicht gemeint: Ausländer haben wir doch selber schon genug! Nein, man will nur ausländische Arbeiter, keine ausländischen Menschen - Arbeiter arbeiten; Menschen bleiben. Wir brauchen Arbeitskräfte: Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter waren mal - heute nennen wir sie freiheitlich beseelt Facharbeiter! Doch mehr Menschen kann unser System nicht mehr tragen - das verkündigt man doch schon seit Jahren. Rien ne va plus, nichts geht mehr, erzählt man seit Dekaden - aber da war eben von Menschen die Rede, nicht von Arbeitern... reicht doch schon, dass wir hier Erwerbslose haben, die auch Menschen sein wollen; Menschen sind also genug da!
Erst als es um Arbeiter ging, die vielleicht keinen Weg mehr nach Deutschland finden könnten, ereiferte sich die Wirtschaft. Als Menschen am Pranger standen, die muslimische Bevölkerungsgruppe nämlich, da ging es bloß um Menschliches, um Allzumenschliches, um ethische Menschelei. Dafür ist die neoliberale Wirtschaft jedoch nicht zuständig. Sie nimmt erst die Rolle des vernünftigen Vermittlers ein, wenn es um Arbeitskräfte geht - dann, und das ist paradox, menschelt sie. Man will zwar keine Menschen, man will Arbeiter - aber um Arbeiter nach Maß zu bekommen, muss man so tun, als handelte es sich bei ihnen um Menschen...


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