Arbeit wird immer billiger – alles andere nicht

Auf der Titelseite der Süddeutschen Zeitung gab es kürzlich am Rande eine kleine Notiz, die mit „Arbeit in Deutschland wird billiger“ überschrieben war. Darin ging es um neue Zahlen des Statistischen Bundesamtes zur Lohnentwicklung in Deutschland, nach denen die Unternehmen in Deutschland mal wieder weniger für die Arbeit ihrer Mitarbeiter bezahlen müssen.

Das ist natürlich schön für die Unternehmer. Für die Mitarbeiter ist das logischerweise sehr viel weniger schön. Denn die müssen damit klar kommen, dass ihre Leistung immer weniger wert ist, wie auch ihre Zeit, ihre Lebenszeit wohlgemerkt, die sie in den Dienst anderer stellen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Insofern ist das eine überaus schlechte Nachricht. Es ist ja nicht so, dass deshalb auch alles andere billiger würde. Im Gegenteil: Gleichzeitig steigen die Mieten, die Energiepreise, bis auf Elektronik und anderem Tinnef, den man nicht wirklich braucht, wird eigentlich alles teurer. Und was billiger wird, wird in erster Linie deshalb billiger, weil in anderen Regionen der Welt Arbeit bzw. Lebenszeit noch weniger wert ist.

Wie die der Arbeiterinnen in Bangladesh oder sonstwo, die für Kik und andere Kleiderketten Billigklamotten zusammennähen, ohne davon ihre Familien ernähren zu können. Wie die Minenarbeiter in Chile oder in Afrika, die unter Lebensgefahr einfahren, um die Welt mit Edelmetallen oder mit Kohle zu versorgen. Überhaupt Afrika, wo unser Elektronikschrott unter unsäglichen Bedingungen „recycelt“ wird und Mensch und Umwelt vergiftet. Und so weiter.

Damit will ich keinesfalls sagen, dass die deutschen Arbeiter und Angestellten sich mal nicht so haben sollen, schließlich geht es den armen Negerkindern im finsteren Afrika da unten noch viel schlechter.

Das ist bestenfalls ein Scheißargument. Und es ist überhaupt kein Argument für die rücksichtslose Ausbeutung, die in Deutschland und noch viel rücksichtsloser noch wo anders auf der Welt statt findet. Genauso wie das kein Argument gegen die zunehmende Verarmung ist, die hierzulande, aber auch überall sonst auf der Welt stattfindet. Und je stärker die Lebenshaltungskosten steigen und die Arbeitskosten sinken, desto stärker radikalisiert sich diese Verarmung – und das ist politisch so gewollt, sonst fände es ja nicht statt. Es ist nämlich kein Naturgesetz, dass Arbeit möglichst nichts wert sein darf. Genauso, wie es kein Naturgesetz ist, dass alles, was man zum Leben braucht, immer teurer wird.

Obwohl man den Kindern schon in ihren Schulbüchern vorlügt, dass unser Wirtschaftssystem, so wie es ist, notwendig sei, um die knappen Güter halbwegs gerecht zu verteilen. So ein unerträglicher Unsinn! Gar nichts was man zum Leben braucht, wäre knapp, wenn unser Wirtschaftssystem nicht dafür sorgen würde, dass es knapp gemacht wird!

Wasser zum Beispiel wird in erster Linie deshalb knapp, weil es unvernünftigerweise massenhaft verbraucht und vergiftet wird – und nicht weil nicht genug davon da wäre. Nahrungsmittel sind nicht knapp, weil sie nicht einfach in ausreichender Menge angebaut werden könnten, um alle Menschen zu ernähren, sondern weil man mit ihnen ein Geschäft machen muss – und wenn sich das nicht lohnt, dann lässt man die Leute halt verhungern. Und ab und zu schickt man ihnen die abgelaufenen Nahrungsmittel aus der EU oder den USA, mit denen man ohnehin kein Geschäft mehr machen kann und verkauft das auch noch als menschenfreundliche „Hilfe“. Zum Kotzen ist das. Aber das steht nie auf der Titelseite der Süddeutschen oder sonst einer großen deutschen Zeitung.



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