Arbeit ist ungerecht

Am vergangenen Wochenende fragte sich die Süddeutsche Zeitung, was Arbeit denn wert sei. Um es vorwegzunehmen: Die Arbeit der Süddeutschen-Redakteure war nicht sehr viel wert. Die Autoren haben die rhetorische Frage: “Reiche Manager, arme Krankenpfleger – ist das gerecht?” natürlich nicht beantworten können, sondern ein Sammelsurium von Artikelchen gebracht, in denen Gutverdiener erklären, dass sie der Ansicht sind, dass es schon irgendwie gerecht zuginge, was ja nicht schwer ist, wenn man gut bezahlt wird und mit sich, seinem Einkommen und der Welt zufrieden ist. Weniger gut Verdienende haben sehr viel weniger Anlass zum Zufriedensein. Sie beklagen folgerichtig, dass ihre Arbeit nicht angemessen gewürdigt würde und sie sich deshalb ungerecht behandelt fühlen. Und das geht nicht nur Leiharbeitern so, sondern auch festangestellten Altenpflegern, Krankenschwestern oder Polizisten, die genau wie Manager rund um die Uhr im Einsatz sind und jede Menge Verantwortung tragen, nur eben sehr viel schlechter dafür bezahlt werden.

Was ist Arbeit wert?

Was ist Arbeit wert? Die Süddeutsche weiß es auch nicht.


Immer wieder taucht in den Texten die Frage auf, ob das denn gerecht sei und wieviel Gehaltsunterschied die soziale Marktwirtschaft überhaupt vertragen könne. Die einzige Antwort, die gegeben wurde, lautet: In einer Marktwirtschaft kann man die Höhe der Gehälter nicht vorschreiben. Sonst wäre es eine Planwirtschaft. Und jedes Kind weiß, dass Planwirtschaft eine ganz üble Sache ist, irgendwas zwischen Fegefeuer, Diktatur, Sklaverei und Hölle. Kommunismus halt. “Wer generelle Obergrenzen für Gehälter erwirken will greift weit in eine Wirtschaftsordnung ein, die auf Freiheit und Eigentumsschutz beruht. Wer an die Marktwirtschaft als eine zwar unvollkommene, aber doch freie und für die meisten Menschen vergleichsweise erfolgreiche Wirtschaftsform glaubt, der hält es eher nicht für die Aufgabe des Staates, generell Gehälter festzulegen.”

Und wer glaubt, dass die Marktwirtschaft eine für die meisten Menschen vergleichsweise erfolgreiche Wirtschaftsform ist, der kann gleich auch noch an den Osterhasen glauben, der allen, die artig waren, bunte Eier bringt.

Der Staat ist sich schließlich nicht zu schade dafür, festzulegen, dass das Einkommen für alle, die im Wettbewerb um einen bezahlten Arbeitsplatz leer ausgegangen sind, monatlich 382 Euro beträgt. Der Staat hat überhaupt kein Problem damit, irgendwelche Einkommensgrenzen zu bestimmen – er bestimmt ja auch, welchen Teil der Löhne und Gehälter er gleich wieder für sein wohltätiges Wirken einbehält oder wie er diejenigen, die es nicht auf die Reihe kriegen, selbst Geld zu verdienen, der Gerechtigkeit halber auch noch an die Steuerkandare nehmen kann, etwa über eine höhere Mehrwertsteuer. Nur bei Obergrenzen für Superverdiener soll das Begrenzen plötzlich ein Problem sein?!

Okay, der Staat sträubt sich auch, festzulegen, dass ein bezahlter Arbeitsplatz nicht weniger als beispielsweise 8,50 Euro pro Stunde einbringen darf. Denn damit gefährdet er sein in den vergangenen zehn Jahren erfolgreich vorangetriebenes Verarmungsprojekt, dank dem die deutsche Wirtschaft mit ihrem neugeschaffenen Heer an Niedriglöhnern noch auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig ist. Wer es mit Chinesen, Indern, Bangladeshis und so weiter aufnehmen will, der muss halt genauso ranklotzen und mit genauso wenig zufrieden sein. Denn Arbeit ist immer nur genau das wert, was ein Unternehmer dafür zu zahlen bereit ist – wenn sich kein Geld damit verdienen lässt, ist Arbeit halt gar nichts wert.

Deshalb ist die Marktwirtschaft eine relativ erfolgreiche Wirtschaftsform, wenn es darum geht, Armut und Elend zu produzieren. Und weil es in der globalisierten Weltwirtschaft zunehmend schwieriger wird, immer nur die Nachteile der kapitalistischen Produktionsweise nach Osteuropa, Asien oder Afrika outzusourcen, müssen die Arbeitnehmer hierzulande halt etwas mehr Ungerechtigkeit ertragen. Aber das sollten sie mit Freuden tun, denn auch das elendeste Leben in Freiheit und Marktwirtschaft ist immer noch mehr wert als eine menschenwürdige Existenz in Planwirtschaft. Amen.



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