Frank A. Meyer zieht eine ernüchternde Bilanz des Arabischen Frühlings.
Ach, Arabischer Frühling! In Tunesien wurden drei Journalisten verhaftet, weil sie ein Bild von Deutschlands Fussballstar Sami Khedira und seiner nackten Freundin druckten. Khedira, Sohn eines Tunesiers, trägt auf dem Foto einen Frack. Und er bedeckt die Brüste des Models Lena Gercke mit seiner Hand. Dennoch verstösst die Aufnahme, die auch den Titel des deutschen Männermagazins «GQ» schmückt, «gegen Sitte und Moral», wie der Sprecher des tunesischen Justizministeriums erklärte.
Ach Freiheit! Den drei Journalisten drohen bis zu fünf Jahre Haft.
Ach «Arabellion»! Tunesien, die aufgeklärteste Nation im Maghreb, die vor einem Jahr ihren Diktator stürzte, gerät nun offenbar ebenfalls in die Klauen islamischer Religiosität. In Ägypten sind Salafisten und Muslimbrüder bereits an der Macht. Und auch in Libyen schicken sich die religiösen Radikalen gerade an, Koran und Scharia zum allumfassenden Gesetz zu erheben.
Wie anders sah das noch vor einem Jahr aus! Modern gekleidete junge Menschen – die Frauen ohne Kopftuch, die Männer ohne Bekennerbart – rebellierten gegen die Diktatoren Ben Ali, Mubarak und Gaddafi. Sie vernetzten sich per Handy und Laptop zum Massenprotest. Sie forderten eine Freiheit nach westlichem Zuschnitt: Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit, Pressefreiheit und freie Wahlen, Gleichberechtigung der Frauen.
War das ein Jubel in Europa! Endlich sei bewiesen, dass Islam und Demokratie doch zusammenpassen. Sogar mit dem Mauerfall 1989 wurde die Rebellion in Nordafrika verglichen.
Inzwischen aber hat sich die für einige Monate offene Gesellschaft wieder geschlossen, diesmal unter der Knute des Islam, ähnlich wie 1979 im Iran, als der Sturz des säkularen Despoten Reza Schah Pahlevi die demokratische Welt in Hoffnungstaumel versetzte – bis die Mullahs unter Ajatollah Chomeini ihre religiöse Macht mit den Mitteln des Terrors installierten.
http://www.blick.ch/news/politik/fam/erst-rebellion-dann-religion-id1773187.html