Vor einigen Tagen postete ich auf Facebook »Ich habe mir angewöhnt die Produkte die ich nutze kritisch zu betrachten. Nicht die Produkte die andere nutzen.« Nun bekommt derzeit allerdings Lightroom sehr viel Fett von mir ab. Dabei arbeite ich eigentlich gar nicht mir Lightroom. Oder doch?
Nachdem Adobe 2007 mit Lightroom auf Apples Präsenz im Markt der Bildverarbeitung reagierte, wechselte ich zunächst zu Lightroom. Grund dafür war einerseits, dass mir Adobe mehr Kompetenz in Sachen Bildbearbeitung zu haben schien, dass ich erwartete Adobe würde Lightroom auf irgendeine revolutionäre Art mit Photoshop verzahnen und auch die Werbung, die Leute wie Scott Kelby für das Produkt machten, beeinflusste mich wohl.
Einige Monate arbeitete ich mit Lightroom, doch der strikte Workflow und die praktisch nicht individualisierbare Oberfläche samt zu wenigen Shortcut und auch hier fehlender Individualisierbarkeit trieben mich zum weitaus flexibleren Aperture zurück. Meine Erfahrung mit Lightroom beschränkt sich also nicht auf ein paar Stunden oder Tage des Testens einer Demo-Version, sondern auf mehrere Monate intensiver Arbeit damit.
Als Photoshop-User arbeite ich außerdem regelmäßig mit Adobe Camera Raw, das dem RAW-Entwicklungsmodul von Lightroom entspricht und habe von daher einen guten und permanenten Vergleich von Aperture und ACR (also Lightroom). Generell bieten beide Programme, wie auch jedes andere, Rezepte, wie die RAW-Dateien verschiedener Kameras interpretiert werden, wobei es für jede Kamera ein eigenes Rezept geben muss. Ob die Suppe, die daraus gekocht wird, dem Anwender schmeckt, ist … nun … oft einfach Geschmacksache. Darüberhinaus ist es möglich, dass Lightroom zum Beispiel für Canon-Fotografen die besseren Resultate bereit hält, Aperture hingegen für Nikon (ich habe einen solchen Vergleich nie angestellt, doch es ist nicht unwahrscheinlich, kann auch umgekehrt sein, und die RAW-Entwicklung Apertures meiner Lumix G3 war tatsächlich schauderhaft).
Ich machte zum Beispiel in meiner Lightroom-Phase die Erfahrung, dass das Programm für meine damalige Kamera, eine Nikon D80, ein ganz grauenhaft chemisches Grün für Blätter und Gräser entwickelte (was sich allerdings durch eine Änderung der Farbeinstellungen für die RAWs dieser Kamera korrigieren ließ). Als ich dann zu Aperture zurückgekehrt war hatte ich generell von vornherein ein schöneres Grün, mir fiel aber auf, dass Aperture in den Schatten von Hauttönen oft einen unschönen Grünstich produzierte, was Lightroom nicht tat – ich hatte damals keinen Vergleich zu schattigen Hauttönen von RAWs anderer Kameramodelle, aber auch hier ist es möglich, dass Aperture dieses »Problem« bei anderen nicht produzierte.
Unzufrieden machte mich – und ich denke, das geht vielen Aperture-Unsern so –, dass man nichts über den Stand der Entwicklung erfährt. Während Adobe mittlerweile im Jahresrhythmus neue Versionen von Lightroom raus klopft (und in Rechnung stellt), gibt es für Aperture zwar immer wieder Updates, doch in meinem Hinterkopf bohrt eine Stimme die hinterfragt, ob Apple Aperture eines Tages einstellen wird, oder ob zukünftige Versionen professionellen Ansprüchen noch gerecht sein werden, oder das Programm zu einem iPhoto Pro für Amateure verkommt.
Mit Zweifeln im Hinterkopf schaute ich mich im Frühjahr 2010 wieder einmal nach Alternativen zu Aperture um und testete, neben Capture One Pro und DxO Optics Pro, einmal mehr Lightroom. Einmal mehr war es die Oberfläche und die Bedienung, die Adobes Programm als Alternative gleich wieder ausfallen ließen. DxO Optics lieferte zwar beeindruckende Resultate, doch in Sachen Bedienung und Geschwindigkeit war (und ist) die Software für mich weiterhin noch keine Option. Was blieb war Capture One Pro, das zu der Zeit sowohl Aperture als auch Lightroom in Sachen Entwicklungsqualität schlug.
Ein Wechsel blieb aus, da Apple 2010 die dritte Version von Aperture veröffentlichte. Apple hatte damit in vielerlei Hinsicht wieder die Führerschaft in Sachen Funktionalität übernommen und ließen mich vorläufig dabei bleiben, wobei die offensichtlichsten Neuerungen – Faces, Places, Bücher, Filme und die Integration sozialer Netzwerke – bis heute uninteressant für mich sind.
Lange blieb die Liebe zu Aperture allerdings nicht bestehen, denn die Geschwindigkeit war, gerade bei der Arbeit mit selektiven Pinseln, äußerst zäh, und die Stabilität ließ zu wünschen übrig. Außerdem unterstelle ich, dass ich durch Abstürze Bilder verloren habe. Zwar hat Aperture sicher keine Bilder vernichtet, allerdings sind Bilder, die die Datenbank eines Programms wie Aperture nicht kennt, so gut wie nicht existent. Und nach einem Umzug der Bibliothek auf eine andere Festplatte sind sie dann eventuell Geschichte.
Von Lightroom-Usern hatte ich gelesen, dass es auch nicht gerade mit atemberaubender Geschwindigkeit glänzte, doch mein Kandidat für einen Umstieg war ohnehin Capture One. Capture One Pro hatte in meinen Augen – und wohl in den Augen vieler anderer Experten – 2011 in Sachen Entwicklungsqualität die Nase vor Aperture 3 und Lightroom 3.
Beeindruckend war für mich auch die Arbeitsgeschwindigkeit von Capture One – dass alles in Echtzeit läuft, war ich nicht gewohnt. Wo es in Capture One allerdings krankte – neben vernünftigen Werkzeugen zur selektiven Bearbeitung – war, und ist, vernünftige Tools tausende Bilder zu ordnen und zu verwalten. Diesbezüglich zog mir das Programm immer mehr die Nerven und, was fast noch schlimmer war, je mehr Bilder ich damit zu verwalten versuchte, desto deutlicher ging die Leistung in den Keller. Mit einigen Tausend Bilder war die Arbeitsgeschwindigkeit unerträglich geworden und ich beschloss entnervt Capture One zu den Akten zu legen.
Einmal mehr testete ich Lightroom. Das Programm war mittlerweile bei der Version 4 angekommen und Adobe hatte die RAW-Entwicklung grundlegend überarbeitet und zweifellos riesige Schritte gemacht. Die Qualität der Resultate war nun durchaus auf Augenhöhe mit Capture One. Während Aperture bis dahin die Nase beim Restaurieren von Lichtern vorne gehabt hatte, zog Adobe jetzt gleich – möglicherweise haben sie überholt. Das Problem blieb die Benutzerführung des Programms. Ich wusste, wenn ich mich darauf einlassen würde, würde ich mich täglich darüber ärgern. Vielleicht ist nicht nur Lightroom unflexibel, sondern ich auch. Doch ich finde Software sollte sich den Bedürfnissen der Nutzer anpassen, und nicht die Nutzer den Restriktionen der Software.
Ich kehrte Ende 2012 zu Aperture heim und erlebte eine freudige Überraschung: Apple hatte Aperture mit 3.4 ein durchaus beachtliches Upgrade spendiert. An der Oberfläche, das was in der Presse angekommen ist, mögen es nur ein paar nette neue Funktionen gewesen sein. Doch unter der Haube hat das Programm eine völlig überarbeitete RAW-Entwicklungs-Engine bekommen. Man erinnere sich: Lightroom hat das mit Version 4 auch bekommen und der Gewinn dadurch, war den Preis für ein Upgrade mit Sicherheit wert. Im Gegensatz zu Adobe jedoch spendierte Apple diese grundlegende und weitreichende Verbesserung als Update hinter dem Komma (3.4) und bat den User nicht zur Kasse. Aperture legt auf meinem Rechner heute eine solide Performance an den Tag, läuft stabil und ist in Sachen Qualität mit den Mitbwerbern auf Augenhöhe. Natürlich vermisse ich eine Objektivkorrektur, wie sie Lightroom kennt. Doch die Bedienung ist für mich um so vieles komfortabler und flexibler als bei Lightroom, weshalb ich Aperture unterm Strich bei Weitem den Vorzug gebe.
Ähnliche Gedanken scheinen auch den amerikanischen Fotografen William Beem zu beschäftigen, dessen Artikel »Thoughts on Lightroom 5 Beta« mich zu diesem Artikel veranlasst hat.
Was mich, als Aperture-User, an Lightroom bewegt, ist die potenzielle Möglichkeit Aperture tatsächlich als professionelles Werkzeug zu verlieren und vor der Wahl Capture One Pro, DxO Optics oder Lightroom zu stehen – aktuell finde ich keines der Produkte verlockend. Viele Aperture-Nutzer scheinen wieder einmal darüber nachzudenken dem Produkt den Rücken zu kehren und die Seiten zu wechseln. Das wiederum ist keine gute Tendenz für die Zukunft Apertures. Genau betrachtet verstehe ich die Nutzer aber nicht!
Stimmen die Angaben William Beems, dann erfuhr Aperture 3 seit 2010 20 kostenlose Updates (seit dieser Woche 21). Lightroom erfuhr seit der Version 3 2009 zehn Updates inklusive eines kostenpflichtigen Major-Upgrades in der Version 4. Das wesentlichste, was Lightroom 4 brachte – eine bessere RAW-Entwicklung – bekam man von Apple mit 3.4 als Gratis-Update. Beinahe die doppelte Zahl an Updates ist wohl kein Zeichen dafür, dass Aperture eingeschlafen ist, also worum geht es denn? He Apple, ich durfte nun schon drei Jahre lang kein Geld für ein Upgrade ausgeben?
Die Gedanken, die Adobe mit der Einstellung des Verkaufs beinahe ihrer ganzen Produktpalette bei mir ausgelöst hat, lassen mich wieder sehnlich auf ein deutliches Lebenszeichen von Aperture – einer Version 4 – warten. Lightrooms Weg, so bin ich mir sicher, führt früher oder später in die Cloud und in ein Abomodell. Der einzige Grund, dass es Lightroom noch zu kaufen gibt, mag sein, dass ein Abonnement wohl doch viele Kunden zurück zu Aperture treiben würde – manche auch zu den derzeit verfügbaren anderen Mitbewerbern. Dabei stehe ich Mietmodellen nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber – mein Auto ist geleast und mein Büro gemietet. Doch sowohl das Leasing für mein Auto, als auch die Miete des Büros, ließe sich jederzeit ändern. Es gibt andere Autos, andere Leasing-Gesellschaften und andere Vermieter für Büros. Kritisch wird es jedoch, wenn man sich auf ein Mietmodell einlässt, wenn es keine Alternative zu seinem Angebot gibt. Der Anbieter kann anschließend machen was er will – man ist seinen Konditionen vollständig ausgeliefert. Wer derzeit mit allfälligen Vorteilen der Creative Cloud kalkuliert (mehr, als dass es für die paar Anwender, die eine Master Collection brauchen, billiger wird, fällt mir an Vorteilen nicht ein), kalkuliert dabei auch mit dem Good Will Adobes. Wer wird schließlich garantieren, dass die vorteilhaften Konditionen für eine Master Collection langfristig halten werden? Wer garantiert denn, dass mehr als drei Programme in zwei oder drei Jahren nicht auch mehr Miete kosten?
Wenn ich auf Aperture zurück kommen darf, dann bin ich sehr gespalten was meine Erwartungen angeht. Einerseits würde ich mir wünschen, dass Tim Cook am Montag eine neue, überzeugende Version von Aperture vorstellt (wobei klar ist, dass die, die generell dagegen sind, nie zu überzeugen sind). Andererseits würde ich mir wünschen, dass Apple sich noch über den Sommer Zeit lässt, denn ab Herbst möchte ich ein neues Buchprojekt in Angriff nehmen, und mein liebstes Thema wäre Aperture 4. Liebes Christkind: Verlege doch bitte Weihnachten vor, lass Cook ein umwerfendes Aperture 4 vorstellen, das im September veröffentlicht wird. Man darf doch auch einmal an warme Eislutscher glauben!