Provokantes Statement und Diskussionsanstoß
Die neue Linkspartei-Chefin Katja Kipping haut auf die Pauke und provoziert mit einer Forderung: Sie will Einkommen von mehr als 40.000 Euro pro Monat mit einem Steuersatz von 100 Prozent belegen. Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld ausgenommen. “Kein Mensch braucht mehr als das Vierzigfache des Mindesteinkommens”, sagte Kipping der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung”. Ab 40.000 Euro im Monat gebe es ohnehin “kein Mehr an Lebensgenuss. Wenn es dann noch Einkommenszuwächse gibt, fließen sie in die Beeinflussung von politischen Entscheidungen durch Bestechung – oder in zerstörerische Finanzspekulationen.”
Dieses Statement mag vielleicht mehr Provokation und Anstachelung zur Diskussion als ernsthafte Forderung gewesen sein, trotzdem wirkt es wie ein kindisch trotziges “Ihr habt zuviel, ich will auch was davon” – eingebettet in das Legitimationsmuster alt sozialistischer Prägung von der Verteilungsgerechtigkeit in einer Gesellschaft der Gleichen.
Die Frage nach Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit von Einkommen und Verdiensten
Aber: der Hinweis, dass kein Mensch das 40fache des sozio – kultuerellen Existenzminimums benötigt ist richtig, und impliziert übrigens auch die Frage nach der Höhe eines solchen Minimums. Die Kopplung eines Maximaleinkommens an das Existenzminimum scheint aus meiner Sicht ein wirksames sozio-ökonomisches Regulativ bzw. Instrument zu sein, um Einkommensklüfte und Einkommensungerechtigkeiten zu beschränken, und damit soziale Spannungen innerhalb der Gesellschaft zu reduzieren. Dieser Mechanismus ist nicht dazu da, um alles gleich zu machen, wie die Verfechter einer freien Marktwirtschaft bestimmt gleich dagegen argumentieren würden, sondern, um Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit bei den Einkommen und Verdiensten herzustellen.
Wertschaffende Arbeit und Geldproduzierende Spekulationen
Wenn ein Spekulant mittels Geldeinsatz Millionen verdient, ist dies dann ein durch persönliche wertschaffende Leistung verdientes Einkommen? Und entspricht die Arbeitsleistung dann dem 1000 fachen von dem, was eine Verkäuferin erbringt? Der Realitätsbezug scheint in dieser Hinsicht verloren gegangen zu sein. Wertschaffende Arbeit muss sich lohnen, nicht abstrakte Geldvermehrung ohne realwirtschaftlichen Bezug.
Finanzgeschäfte müssen genauso steuerlich veranschlagt werden, wie wertschaffene Arbeit.
Das wäre die logische Konsequenz aus dem oben gesagten. Finanzgeschäfte, die die echte Wirtschaft belasten und sich letztendlich an ihr schmarotzerisch bereichern, müssen zumindest in gleicher prozentualen Anteilshöhe versteuert werden. Eine Finanztransaktionssteuer ist unumgänglich, ist aber mit den angesetzten 0,01 bis 0,1% geradezu lächerlich und eine Farce. Die Linken wissen nur vage um die eigentlichen Prozesse der Finanzwirtschaft, die ja den wesentlichn radikaliserenden Anteil unseres Gesamtwirtschaftssystems darstellen, und sie setzen deswegen am falschen Ende an. Nicht die Besteuerung auf die hohen Einkünfte sind in erster Linie anzupassen, sondern die Steuern auf die Finanzerträge. Investitionen in Projekte der Realwirtschaft werden so nicht negativ beschnitten, wie es das Hochsteuermodell Kippings in vielen Fällen bewirken würde.
Ideologische Typisierungen bringen uns nicht weiter
Die Unterstellung Kippings, dass alle besser Verdienende sofort, nachdem sie genügend Luxus eingekauft haben, aus Habgier und Machtstreben spukulieren und schmieren würden, zeigt wie stereotypisch, ideologisch verzerrt und vorurteilsbehaftet das Menschenbild der Linken ist. Der Fokus der politschen Analyse einer Linkspartei liegt offensichtlich immer noch auf dem alte Klassenkampf Muster: Der Staat als Regulator muss Gleichheit durch Gesetz durchsetzen, um gesellschaftliche Klassen einzuebnen, so die Sicht der Linken.
Aus vordefinierten Klassen und Schichten sind Gruppen von Menschen gleicher Lebenssituation geworden – der Klassenkampf ist überholt
Eine Unterscheidung zwischen Wirtschaftssystem und politischen System findet hier nur sehr schwer statt. Der sozio-ökonomische Klassenbegriff ist längst überholt. Das Präkariat, das die Linken, aber auch die Medien und Konservativen, anhand rein wirtschaftlicher (Klassen/Schicht) Kriterien bestimmen, existiert in der Form gar nicht. Sozial schwach wird hier mit wirtschaftlich in-potent, d.h. Einkommensschwach gleichgesetzt. Viele gut ausgebildete und jahrzehntelang in anspruchsvollen Berufen Tätige gehören nach einer Schonfrist von max. 18 Monaten bereits zum Päkariat. Viele Rentner, die arbeitssam waren und jetzt Minirenten beziehen, gehören zum Präkariat. Diese Menschen sind nicht sozial schwach, und sie gehören auch nicht einer festen undurchdringlichen Schicht oder Klasse an, sondern befinden sich alle in einer Lebenssituation, die sich durch die Umstände und unter den Bedingungen eines marktradikalen Wirtschaftsystems entwickelt haben.
Fazit: Falscher Ansatz der Linken
Die Strukturen dieses System, das durch seine korrumpierende und lobbyistischen Elemente unsere Demokratie aushöhlen und zerstören, müssen geändert werden; oder aber dieses System muss durch eine funktionierende Alteranative ersetzt werden. Der Ansatz, nur an bestimmte wirtschafts-politischen Stellrädchen zu drehen, um Bedingungen und Ergebnisse einer sozialistischen Wirtschaft zu simulieren, ist kontraproduktiv, ineffizient und völlig unrealistisch. Wir brauchen nicht die Antworten von gestern auf neue Herausforderungen.
viele Grüße René Brandstädter – humanicum