Wolfgang Krisai: Haus in Maria Enzersdorf. Tuschestift, Buntstift, 2013.
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Es geht um einen Landschaftsmaler jüngeren Alters, der auf dem Landgut seines Freundes Belokurow im Gouvernement T. (Tver? Tula?) einen gemütlichen Sommer verbringt, großteils mit Faulenzen. Eines Tages entdeckt er auf einem langen Spaziergang ein nettes Gutshaus mit Giebelzimmer, dringt in den weitläufigen Garten ein und begegnet dort zwei Mädchen, die ihn erstaunt beobachten, aber gewähren lassen. Als er wieder zu Hause ist, fragt der Ich-Erzähler seinen Freund, wer die beiden wohl gewesen seien.
Bald darauf begegnet den beiden bei einem Spaziergang das ältere der beiden Mädchen, Lidija Woltschaninowa, die Belokurow kennt und aufs Gut einlädt. Aus dem darauf folgenden Besuch entwickelt sich im Lauf des Sommers ein regelmäßiger Kontakt des Malers mit den im Landgut wohnenden Damen. Neben Lidija, genannt Lida, sind es deren Mutter Jekaterina Pawlowna und ihre sechzehnjährige Schwester Shenja, die aus der Kindheit den Spitznamen Missjussj trägt (unklar, wie man das korrekt ausspricht).
Konträre Standpunkte
Lida ist eine tatkräftige junge Frau, die es als ihre Aufgabe ansieht, für die Bauern des Umlandes Gutes zu tun, indem sie Schulen und Apotheken fördert. Neben ihren dezidierten Ansichten duldet sie keine weiteren, daher gerät sie mit dem Maler immer wieder aneinander, der über die Wohlfahrt der Bevölkerung ganz andere, nämlich kommunistische Ansichten hat. Shenja hingegen ist still und sanft und verliebt sich allmählich in den jungen Künstler.
Gegen Ende der Erzählung kommt es zum Eklat, als dem Maler einmal die Geduld reißt und er ungewöhnlich heftig widerspricht, als Lida wieder einmal mahnt, man müsse doch Schulen und Apotheken fördern. Im Gegenteil, ruft er, gerade diese Art, die Bauern zu fördern, bewirke das Gegenteil, nämlich noch größere Abhängigkeit vom Grundherrn und noch härtere Arbeit. Auf lange Sicht müsse das System der ungleichen Besitzverhältnisse und Arbeitsverteilung über den Haufen geworfen werden. Wenn alle Menschen sich an der Arbeit, die zum Wohl aller getan werden muss, beteiligen, bleibe auch allen genug Freizeit, um sich zu bilden. Erst das werde zu wahrer Bildung führen und die Menschen glücklich machen.
Leidenschaftlicher Kuss
Als Lida beleidigt ist, zieht sich der Maler zurück und will nach Hause gehen, trifft im Garten aber auf Shenja, die ihn ein Stück begleitet. Es ist schon eine herbstlich kühle Nacht, und sie friert bald erbärmlich. Als ihr der Maler seinen Mantel umlegen will, übermannt es ihn und er küsst Shenja leidenschaftlich. Deren Reaktion ist zwar nicht ablehnend, sie gesteht dem Maler aber, dass sie zu Hause keine Geheimnisse voreinander hätten und sie daher sofort den Vorfall der Mutter und der Schwester berichten werde. Und sie fürchte, Lida werde die Sache nicht gutheißen…
Als Shenja weg ist, streift der Maler noch lange im Garten herum und starrt zu den Fenstern des Giebelzimmers, wo Shenja wohnt, hinauf.
Abgereist…
Als er am nächsten Nachmittag wiederkommt, trifft er nur Lida an, die einem Mädchen Unterricht gibt und ihm sagt, die beiden anderen seien abgereist und würden den Winter über wegbleiben. Ein Diener steckt dem Maler ein Briefchen Shenjas zu: „Ich habe alles meiner Schwester erzählt, und sie verlangt, daß ich mich von Ihnen trenne“, las ich. „Ich habe nicht die Kraft, sie durch meinen Ungehorsam zu kränken. Gott möge Ihnen Glück gewähren, verzeihen Sie mir. Wenn Sie wüßten, wie bitterlich ich und Mama weinen!“ (S. 271)
Ein Abschnitt, der Jahre später spielt, schließt die Erzählung. Der Maler hat zufällig Belorukow getroffen, den er nach den Woltschaninows fragt. Doch dieser weiß nicht viel, von Shenja gar nichts.
Der Maler denkt auch nach Jahren immer wieder an das Haus mit dem Giebelzimmer, „und aus irgendeinem Grunde glaube ich, daß man auch meiner gedankt, daß man auf mich wartet – und wir uns einst noch begegnen werden … Mißjussj, wo bist du?“ (S. 273)
Eine Liebe, die nicht gedeihen konnte
Das ist eine schöne, melancholische Erzählung über eine Liebe, die nicht gedeihen kann und doch nicht ganz stirbt. Die einem dann das ganze Leben lang nachhängt als verpasste Gelegenheit und als Versagen. Im Grunde waren es die politischen Differenzen und die mangelnde Toleranz den Andersdenkenden gegenüber, die diese Liebe zum Scheitern brachten. Durchaus lebensnah.
Anton Pawlowitsch Tschechow: Das Haus mit dem Giebelzimmer. In: A. Tsch.: Neue Meistererzählungen. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig, 1949. S. 246-273.
Bild: Wolfgang Krisai: Haus in Maria Enzersdorf. Tuschestift, Buntstift, 2013.
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