Wie es scheint, wird die Ukraine als Top-Nachricht allmählich so unergiebig, dass Journalisten quer durch alle Portale ehemals seriöser Zeitungen eine neue Taktik gefunden haben, die Klickfeste am Leben zu halten. Exemplarisch ist der Kommentar, mit dem Spiegel-Online heute US-Korrespondent Sebastian Fischer in die Bresche springen läßt:
In der Auseinandersetzung mit Russland zeigt sich bei Teilen der deutschen Bevölkerung antiamerikanisches Denken. Das mutet an wie ein pubertärer Komplex.
Dergleichen Müll muss man dieser Tage nicht lange suchen. Dieser spezielle Müll sei hervorgehoben, weil es es mit Ulf Poschardt aufnehmen kann, und das macht mißtrauisch. Man möchte meinen, dass jemand mit einer ernsthaften Agenda so tief nicht sinken möchte. Haben wir es hier also überhaupt mit einer Agenda zu tun? Die Tatsache, dass es keine entsprechenden Gegenstücke gibt, also zum Beispiel einen Kommentar, der versucht, Rußland zu verstehen, oder eben jene Deutschen, die eine differenzierte Meinung haben, spräche dafür.
Die Argumentation Fischers ist allerdings so sehr außer Kontrolle, dass man an ein anderes Motiv glauben möchte.
Gleichzeitig treten die antiamerikanisch gesinnten Deutschen hypermoralisch auf, was nicht minder pubertär ist. Sie wissen alles besser, sie sind geläutert. Sie rufen: Vietnam! Irak! Drohnenkrieg! NSA!
Besonders bemerkenswert ist diese Aufzählung in Kombination mit dem hier:
Dass hier eine Mehrheit die Westbindung zur Disposition stellt, die Deutschland Freiheit und Demokratie gebracht hat - also das, was sich andere Völker revolutionär erkämpfen mussten - das ist verstörend.
Das heißt: Wir müssen Verbrechen gegen Freiheit und Demokratie tolerieren, weil man uns Freiheit und Demokratie gebracht hat. Ein halbwegs ausgeschlafener Sechjähriger hätte Probleme, diese Logik zu begreifen. Und dennoch handelt es sich hier um das zentrale Argument, gepaart mit höchst eigentümlichen Unterstellungen, wie denn so ein Anti-Amerikaner denkt....
Nicht nur, dass die deutschen Autos vermeintlich besser sind. Auch die moralischen Maßstäbe der anderen sind natürlich Schrott.
Man beachte, dass es ja hier eigentlich um die Ukraine geht, nicht um die USA, und so nebenbei auch nicht wirklich um Rußland. Im Kern geht es darum, dass wir große Probleme haben, das neue Regime der Ukraine zu mögen, so wie wir das alte Regime auch nicht leiden konnten.
Und so wie wir Janukowitsch nicht wirklich in der EU haben wollten, drängt sich uns auch die neue Mischung von Oligarchen und Faschisten nicht unbedingt als natürlicher Verbündeter auf, und sei es auch nur in Form einer "Assoziation", mit sowas will keiner in Verbindung gebracht werden. Warum wir wegen einer nicht gewählten Bande von Menschen, die keine Gelegenheit auslassen, das Land weiter zu spalten, unser ohnehin nicht sonderlich sonniges Verhältnis zu Rußland aufbrennen sollen, erklärt natürlich auch Fischer nicht.
Und das macht es zu einem gefundenen Fressen für jene, die sich in ihrer Haltung bestätigt sehen mögen, die Kommentarspalten explodieren, und die Top-Listen der gelesenen Artikel führt das natürlich auch an.
Und damit kann man das eigentlich auch abhaken: Die deutschen Medien entdecken die Magie des Trollens. Im Endeffekt ist es ja auch wirklich egal, wer die Artikel anklickt und aus welchen Gründen: Hauptsache, die Zähler gehen hoch.
Und so gesehen hat das dann eben doch eine Aussage, die sich zumindest mit der Ukraine in Verbindung bringen läßt: Kurzsichtigkeit und Beliebigkeit sind schließlich auch die Hauptmerkmale unserer derzeitigen Diplomatie. Gleichzeitig haben unsere Medien schon jetzt ein Ansehen, dass sie in die Region von Kirchen und Parteien abstürzen läßt - einen Ruf hat man da nicht mehr zu ruinieren.
Natürlich würde auch nie jemand für solchen Schwachsinn bezahlen, was die Abhängigkeit von Werbung und damit eben Klickfesten wie diesem aufrecht erhält. Und irgendwo da beginnt sie dann wirklich, die Bedrohung von Freiheit und Demokratie.
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