Ansichtssache: Prometheus - Die vertane Chance


In meiner neuen Rubrik Ansichtssache beschäftige ich mit SF-Themen in ausgesprochen subjektiver Weise. Auf etwaige Spoiler nehme ich dabei keine Rücksicht, weil es ansonsten kaum möglich ist, Klartext zu reden. Wer also unter Spoiler-Phobie leidet, sollte zuerst das Ausgangsmaterial sehen bzw. lesen, bevor er sich den folgenden Text zu Gemüte führt.
Ansichtssache: Prometheus - Die vertane ChanceScience-Fiction Filme mit kleinem Budget können ihr Publikum kaum enttäuschen, da man ihnen ohnehin mit geringen Ansprüchen und Erwartungen entgegentritt. Im Falle von Prometheus sieht die Sache hingegen komplett anders aus. Nicht nur, dass der SF-Streifen mit einem Etat von geschätzten 130 Mio. Dollar realisiert wurde, auf dem Regiestuhl saß zudem mit Ridley Scott eine Legende ihres Fachs, dem das Genre Klassiker wie Alien und Blade Runner verdankt. Als ob dies alles noch nicht genug wäre, sollte Prometheus außerdem eine Brücke zur Alien-Filmreihe schlagen. Durch geschickte Promotion - eine ansehnliche virale Kampagne im Internet inbegriffen - wurde bei den Fans des Genres eine Erwartungshaltung von beinahe astronomischen Größenordnungen generiert, welcher dieser Film, realistisch betrachtet, kaum noch gerecht werden konnte. Behält man außerdem im Hinterkopf, dass Scott und Autor Damon Lindelof einige Kompromisse beim Drehbuch eingehen mussten, da 20th Century Fox kein lupenreines Alien-Prequel finanzieren wollte, kann es kaum verwundern, dass dem Team Scott/Lindelof mit Prometheus kein überzeugenderer Film gelungen ist.
Prometheus ist, da kann der Regisseur gerne das Gegenteil behaupten, nicht der Film, den er eigentlich machen wollte. Ein knallhartes Alien-Prequel wollte Scott drehen, das durch eine kompromisslose Gangart die Filmreihe wieder zu ihrem Ursprüngen zurückführen sollte. Die Fans des Franchises waren angesichts dieser Aussichten begeistert, das Studio hingegen nicht, denn das zwangsläufige R-Rating, mit dem ein solcher Film in die Kinos kommen müsste, wirkte angeblich abschreckend, da Mindereinnahmen an den Kinokassen erwartet wurden. Fox holte Damon Lindelof als neuen Drehbuchautor, dem ein Skript gelang, welches das Studio zur Produktion freigab. Dies geschah jedoch nicht, weil Lindelof ein entschärftes Drehbuch einreichte, denn Prometheus kam mit eben jenem R-Rating in die amerikanischen Kinos, welches Fox angeblich vermeiden wollte.
Warum Lindelofs Ansatz bei Fox Anklang fand, wird hingegen schnell deutlich, wenn man sich den Plot von Prometheus anschaut. Im Gegensatz zu einem reinen Alien-Prequel ist Prometheus nämlich problemlos Franchise-fähig. Zwar atmet der Film nicht zuletzt durch das Setdesign beträchtlich die Luft des bekannten SF-Klassikers, doch die Handlung ist primär darauf angelegt, neue Mysterien zu streuen, die in weiteren Filmen ihrer Aufklärung harren, anstatt Antworten auf bestehende Fragen zu liefern, wie es ein Prequel tun würde. Wenn in den letzten Sekunden des Films aus dem Körper eines humanoiden Außerirdischen ein Wesen hervorbricht, welches schon sehr stark nach jener Tötungsmaschine aus Alien aussieht, beantwortet Prometheus zwar doch noch die Frage nach der Entstehung dieser Spezies, allerdings ist die Sequenz nicht mehr als eine Zugabe. Der Fokus liegt zu diesem Zeitpunkt nämlich längst auf jenen Humanoiden, welche von der Wissenschaftlerin Elisabeth Shaw (Noomi Rapace) und ihrem Kollegen Charlie Holloway (Logan Marshall-Green) für die wahren Schöpfer der Menschheit gehalten werden. Zudem ist die Antwort enttäuschend: Jenes Alien, das inzwischen Generationen von SF-Fans das Fürchten gelehrt hat, ist unterm Strich ein Zufallsprodukt! Warum die grauhäutigen Außerirdischen die Menschheit, deren Entstehung sie vor Urzeiten anstießen, später wieder vernichten wollten, bleibt hingegen komplett offen.
Lindelof produzierte nicht nur die TV-Serie Lost, sondern schrieb eine Reihe der Episoden selbst. Was er als Skipt für Prometheus abgeliefert hat, ist vonder Struktur her leider auch nicht mehr als (Achtung: Wortspiel) Lost in Space, womit er die Vorgaben des Studios absolut erfüllt haben dürfte. Andeutungen und Mysterien werden en masse serviert, welche beim Zuschauer das Verlangen auslösen sollen, sich auch die Fortsetzung anzuschauen. Prometheus wirkt darum in vielerlei Hinsicht wie der Pilotfilm einer neuen TV-Serie, dessen Ziel es bekanntlich auch ist, die Protagonisten und die Grundlagen der Story zu etablieren, und zusätzlich dafür zu sorgen, dass die Zuschauer die gebotene Handlung so interessant fanden, dass sie nächsten Mal wieder einschalten. Da es noch nie Lindelofs Sache war, befriedigende Antworten zu liefern, hat der Autor bereits mitgeteilt, dass er keine Zeit habe, auch das Drehbuch für das Sequel zu schreiben. Clever, sollen sich doch andere mit einer brauchbaren Story abmühen.
Ridley Scott kann einem da fast schon leid tun. Zwar nutzt er seine ganze Erfahrung als Regisseur und schafft es, durchaus beeindruckende Bilder auf die Leinwand zu bringen, doch auch die opulente Optik erzeugt beim Zuschauer keinen nachhaltigen Eindruck, da den Bildern meistenteils die emotionale Unterfütterung durch die Handlung fehlt. Scott durfte keine abgeschlossene Geschichte, sondern nur ein Fragment inszenieren, wobei Fox natürlich hofft, dass er auch beim nächsten Teil die Regie übernehmen wird, um die Story weiterzuerzählen. Wie es scheint, geht dieser Plan tatsächlich auf.
Durch die Strategie des Studios und inhaltliche Unzulänglichkeiten wurde somit leider die Chance auf einen neuen SF-Meilenstein vertan. Prometheus hätte ein Ereignis werden können. Herausgekommen ist nur ein Film.  

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