Der Zirkus stirbt; immer weniger Zirkusse gibt es. Zu altmodisch ist er, ein teures Metier sowieso - die Menschen dürsten nicht mehr nach Jonglage und artistischem Nervenkitzel: alles schon gesehen, alles altertümlich und antiquarisch. Mit den Zirkussen stirbt die traditionelle Clownerie, dieses arg spaßhafte Fach, das auch traurigen Männer abverlangte, zum Pläsier des Publikums Albernheiten zu verströmen. Service nennte sich das heute. Der klassische Clown stirbt aus - er hat seine fröhliche Maske ins Geschäftsleben verlagert. Nich
Beinahe möchte man in Coulrophobie verfallen, der krankhaften Angst vor nach Clownsart geschminkten Konterfeis - mit Grüßen und erwiesener Reverenz von Pennywise! Überall grinsen sie, schmunzeln sie, allerorten Freundlichkeit, als wäre über Nacht der Himmel der Werktätigen ausgebrochen. Und damit alle einstimmen in dieses Oratorium glücklich dreinschauender Sorgenf
Die Clownerie ist Staatsräson, die Harlekinade willkommener Konsens. Der traurige, der gramgebeugte Mensch, er ist nicht aus der Geschichte ausgebürgert - man setzt ihm nur die Clownsnase auf. Seine Menschlichkeit, seine Schwäche, seine Ängste zu überschminken, das läppert Profit - und es macht zuversichtlich. Denn wo gelächelt wird, da waltet schließlich das Glück, die Erfüllung und Zufriedenheit. Die freundliche Dame an der Kasse des Discounters, einen Anstecker auf ihrem Busen, auf dem zu lesen ist, sie sei gerne freundlich, diese Dame lächelt clownesk: sie muß geradezu selig sein in ihrer geringfügigen Beschäftigung. Oder die Pflegekraft, wie freundlich sie trotz krummen Buckel und krummer Bezahlung doch ist: Glück ist halt doch keine Frage des Geldes oder der Gesundheit! Sie lächeln alle mehr oder minder, die prekären Clowns wie die bessergestellten, die Clowns mit Verantwortung wie die ohne. Mit der Professionalität eines Unterhaltungskünstlers wird die eigene Befindlichkeit unterdrückt, selbst die größte Sauerei angelächelt. Nimmt es da wunder, wenn Depressionen und chronische Melancholien zunehmen?
Nörgelige, wenigstens aber doch neutrale, weder grinsende noch wütende Kassenkräfte: das wären Aushängeschilder einer gesünderen Gesellschaft! Leiharbeiter, die nicht dankbar lächelnd jeden Leibeigenendienst stemmen, die stattdessen verärgert dreinschauen: das wirkte gesund! Klempner, die Siphone vom Morast befreien, dabei aber angeekelt statt dienstleisterisch fröhlich blickend: was für eine rüstige Branche das doch wäre! Der unaufhörliche Freundlichkeitswahn, diese dienstleisterische Attitüde, die in alle Nischen vordringt, er unterjocht das innere Befinden der Maskierten; er macht klar, dass die eigene Verfassung hinter der Fassade zurückzustehen habe. Komm Clown, in den Ring mit dir, das Publikum bezahlt uns; der Kunde, der früher mal König war, der jetzt Gott ist - Könige kann man enthaupten, Götter nicht! -, er hat einen Anspruch auf hochgezogene Mundwinkel. Verbirg beim Auftritt deine Sorgen...