Anschlussverwertung selbst gemacht

Ungeplante Sommerpause. Hat aber trotzdem gut getan. Einfach mal “nur” arbeiten gehen und sich danach um nichts kümmern – also um fast nichts. Schließlich haben die gar nicht mehr kleinen Kinder Schulferien und somit den ganzen Tag Zeit, sich selbst um ihre Belange zu kümmern. Theoretisch.

Zur Praxis: Arbeiten müssen an sich ist schrecklich genug – und schizophrenerweise muss man immer wieder darum kämpfen, sich weiter nach Strich und Faden ausbeuten zu lassen. Oder mach machts halt gleich selbst: Am Wochenende las ich im Magazin der Süddeutschen die Geschichte von drei ehemaligen Schlecker-Frauen, die irgendwo in Baden-Württemberg jetzt ihre eigene Drogerie aufgemacht haben. Drei von über 11.000 Frauen, die sich um ihre eigene Anschluss-Verwertung gekümmert haben. Weil sie mit Ende 50 gar keine andere Wahl haben, als sich um sich selbst zu kümmern – auf dem Arbeitsmarkt sind sie chancenlos und für die Rente reicht es so und so nicht.

Geholfen hat ihnen dabei eine verdi-Sekretärin, die in ihrer Freizeit als ehrenamtliche Unternehmensberaterin für die Schleckerfrauen arbeitet. Sie hat sich das “Drehpunkt”-Konzept ausgedacht: Sie hilft denjenigen, die sich das zutrauen, aus den Schlecker-Filialen, die zuvor gute Umsätze gemacht haben, Drehpunkt-Drogerien zu machen. Sechs Drehpunkt-Läden gibt es schon, drei sind kurz vor der Eröffnung und im gesamten Bundesgebiet werden insgesamt weitere 20 Filialen vorbereitet. Ob das Konzept wie erwartet aufgeht, bleibt abzuwarten.

Denn den angehenden Drehpunkt-Chefinnen wird es nicht leicht gemacht – die Banken wollen den betagten Neu-Unternehmerinnen keinen Kredit geben, die Großhändler, die sich vom einst mächtigen Anton Schlecker haarsträubende Verträge haben diktieren lassen, stellen nun ihrerseits unerfüllbare Bedingungen.

Plötzlich spielt die Sicherheit eine Rolle, für die sich zu Schleckers Zeiten kein Mensch interessiert hat – der geizige Schlecker wollte in seinen Filialen keinen Telefon-Anschluss haben. Am Ende könnten seine Untergebenen das Telefon für private Gespräche benutzen. Bei Dieben und Räubern waren die Schlecker-Filialen deshalb beliebt: Zumindest in der Vor-Handy-Ära konnte dann so schnell keine Polizei gerufen werden. 1993 verblutete eine Schlecker-Verkäuferin, weil sie nach einem Überfall keine Hilfe herbeitelefonieren konnte.

Man kann den Drehpunkt-Frauen nur wünschen, dass ihr Konzept trotz aller Widrigkeiten funktioniert – nur weil sie jetzt nicht mehr für den ollen Schlecker, sondern quasi für sich selbst schuften, heißt das ja nicht, dass der Laden läuft. Egal, was die Süddeutsche da über das neue Selbstbewusstsein und die Selbstermächtigung der ehemaligen Schlecker-Untergebenen zusammen schreibt – es geht weiterhin ums Überleben in dieser Gesellschaft. Und wenn man nichts geerbt und auch sonst nicht allzuviel Glück gehabt hat, ist das auch bei aller Anstrengung nicht leicht.



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