Annie Hall (1977)

Erstellt am 4. November 2014 von Fincky87

Was waren das noch für Zeiten, als Komödien tiefgründig waren und nicht auf Fäkalhumor aufbauten? Zeiten in denen ein Film wie Annie Hall, hierzulande als Der Stadtneurotiker bekannt, erfrischend und voller Ideen in die Kinos kam. Brillant geschaffen und vor allem gespielt von Woody Allen. Gemeinsam mit Diane Keaton stellte er eines der besten und sympathischsten Leinwandpaare der Kinogeschichte dar.
"That's because they don't throw their garbage away, they turn it into television shows."
In erster Linie ist Annie Hall eine romantische Komödie. Der Film zeigt die Stärken und Schwächen in der Beziehung von Comedian Alvy Singer und seiner neuen Flamme Annie Hall. Letztlich ist die Story, trotz aller Romantik, aber nur der Vorwand für die unglaubliche One-Man-Show von Woody Allen. Annie Hall ist ein Feuerwerk an Zitaten und grandiosen Einzelszenen. Einzelszenen deshalb, da man schon sieht, dass der Film eigentlich anders konzipiert war und in der Tat war der Film ursprünglich als Krimi geplant. Geblieben sind aber nur die humorvollen Stücke.
Jedenfalls ist Allen in Hochform und spricht in einem Mordstempo aus was alle denken. Die Dialoge sind sensationell, der Sprung durch die vierte Wand hin zum Zuschauer ist ein grandioser und wirkungsvoller Coup. Besonders stark ist der Film in Momenten, in denen weitere Nebenfiguren ins Bild kommen und sich Alvy Singer mit diesen auseinander setzen muss. Die Szene vor dem Kino, das Dinner bei den Schwiegereltern in spé oder die Rückblicke in die eigenen traurig-tragische Kindheit Singers - allesamt perfekt und wundervoll.
Einen Handlungsstrang gibt es nicht. Der Film besteht, wie eingangs genannt, aus einzelnen Stücken und Szenen. Der einzige rote Pfaden ist die schwierige Beziehung zwischen Alvy und Annie. Die Alltagssitutationen der beiden sind herrlich realistisch. Jeder kennt sie, jeder hat sie erlebt. Das sorgt für Schmunzeln, nein, Lachen am laufenden Band, aber nie unter Niveau, stets tiefgründig und sinnvoll. Echte Gefühle, echte Hürden des Lebens. Vertrautheit.
"I would never want to belong to any club that would have someone like me for a member."
Der Humor ist am ehesten mit der Serie Seinfeld zu vergleichen, denn auch in Annie Hall geht es eher um die unwichtigen Dinge des Alltags, die dann aber in der Wichtigkeit des Lebens münden. Um kleine Details, die das Leben so liebenswert machen. Live For The Moment - würde man wohl heute naiv sagen. Annie Hall bietet dabei keinesfalls Lösungen für die aufkommenden Probleme. Der Film benennt diese Probleme lediglich ehrlich.

Filmisch gesehen überzeugt der Streifen durch seine eingangs erwähnten, fantasievollen Ideen. Der Durchbruch der vierten Wand, eine eingeschobene Zeichentricksequenz und Rückblenden. Woody Allen bricht mit Konventionen und Regeln wie es ihm gefällt und beliebt. Das macht den Film wirklich einzigartig.
"Awards! They always give out awards! I can't believe it. Greatest Fascist Dictator: Adolf Hitler."
Es gab noch einige sehenswerte Filme von und mit Woody Allen, aber Annie Hall bleibt sein zeitloser Klassiker, sein Meisterstück. Für mich ist der mit dem Academy Award als bester Film ausgezeichnete Annie Hall einer der besten Filme aller Zeiten. Jeder Cineast sollte ihn gesehen haben.
OT: Annie Hall DT: Der Stadtneurotiker VÖ: 1977 Laufzeit: 93 Minuten FSK: 6 R: Woody Allen D: Woody Allen, Diane Keaton, Christopher Walken, Jeff Goldblum, Carole Kane
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Christian
Bildquelle: United Artists