Anne Will: Komplexe Ausreden als Feigenblatt der “spätrömischen Dekadenz” der FDP

Erstellt am 20. Juni 2011 von Eckhardschulze

An und für sich hatte der Ex-Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) Heiner Geißler einen Gefallen getan, als er ihm die Möglichkeit der “Umwidmung” der Historie zum “Esel”, der Außenminister geworden war, eröffnete.

Bei N-TV kann man in aller Kürze den erhaltenswerten, humorvollen Ausflug Heiner Geißlers in die Historie noch nachlesen:

Der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler verwies darauf, die spätrömische Dekadenz habe darin bestanden, "dass die Reichen nach ihren Fressgelagen sich in Eselsmilch gebadet haben und der Kaiser Caligula einen Esel zum Konsul ernannt hat." Insofern stimme Westerwelles Vergleich, weil vor 100 Tagen "ein Esel Bundesaußenminister geworden" sei. Geißlers historischer Vergleich geht indes daneben. Caligula regierte in Rom von 37 bis 41 und damit rund ein halbes Jahrtausend vor dem Ende des römischen Reiches. Zudem war es nicht ein Esel sondern sein Lieblingspferd Incitatus, das der Pferdesportler zum Konsul machen wollte, um damit die Politiker zu verhöhnen.

Gestern bei “Anne Will” setzte das Gespann der “spätrömischen Dekadenz” der FDP, nämlich das Duo Lindner – einer war persönlich anwesend, der Generalsekretär wurde mit Äußerungen zitiert – die neoliberale Ausgrenzungspolitik der FDP fort, als man viele politische Fragen als so “komplex” darstellte, dass der Normalbürger damit überfordert sei.  Martin Lindner aus dem “Duo Neoliberale”  konnte seine boshaften Angriffe auf Margot Käßmann kaum unterdrücken als er mit dem Medienwissenschaftler Norbert Bolz forderte, dass die Äußerungen der Theologen hintern den Kirchenmauern zurückbleiben sollten.

Die neoliberale Politik besteht offensichtlich darin, die Bürger als unmündig zu erklären, weil heutzutage alle wesentlichen Fragen so “komplex” seien, dass sich selbst die Kirchen mit “einfachen Lösungen” zurückhalten sollten. Die GUTMENSCHEN mit ihren “einfachen Lösungen” würden die “politischen Pragmatiker” unangemessen als “Bösewichte” hinstellen, so in etwa das Duo Lindner und Bolz.

Dass die Argumentation mit GUT und BÖSE nicht taugt, liegt auf der Hand. Ganz allgemein könnte man zunächst folgendes feststellen: Wer nicht in der Lage ist, “komplexe Sachverhalte” in seinen wesentlichen Bestandteilen verständlich darzustellen, der hat den Sachverhalt selbst nicht durchschaut!

Es zeichnet den kompetenten POLITIKER geradezu aus, dass er “komplexe Sachverhalte” verständlich darstellen kann. Es ist geradezu eine Kunst in der Sprache, die wesentlichen Merkmale eines Sachverhaltes in einfache und verständliche Worte zu kleiden und dennoch die Zusammenhänge treffend zu nennen.

Wer also vorbringt, dass die politischen Entscheidungen so “komplex” seien, dass man sie dem Bürger nicht erklären kann der nährt den Verdacht, dass er selbst nicht weiß wovon er spricht. Das zeigt allenfalls, dass es zu viele Schwätzer in der Politik gibt und zu wenige gestandene Experten mit breitem Grundwissen.

Für diese Art der “spätrömischen Dekadenz” gibt es ein aktuelles Beispiel, das die Gefährlichkeit solch einer Entwicklung aufzeigt.

Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise war bezogen auf “Derivate” und andere “toxische Papiere” (Credit Default Swaps usw.) zu hören, dass nicht nur die FINANZEXPERTEN im Bundestag und den Ausschüssen, sondern auch zuständige Vorstände bei den Banken die GESCHÄFTE mit ihren Konsequenzen und Risiken gar nicht verstanden.

Mit anderen Worten: Die vermeintliche “Komplexität” solcher Geschäfte hatte dazu geführt, dass die FINANZKRISE viele Unternehmen und die Bürger in das ökonomische und persönliche Chaos gestürzt hatte.

Die IDIOTIE der Behauptung, dass “komplexe Sachverhalte” nicht oder nur bedingt zu verstehen oder zu beherrschen sind, ist an und für sich bei “gesundem Menschenverstand” unübersehbar: Der Erfinder von Derivaten, der die RISIKOLAGE nicht verständlich und mit Ziffern seinem Vorstand hinreichend und verständlich darstellen kann, der ist völlig ungeeignet für seine Aufgaben und aus dem Unternehmen zu entfernen.

Das gilt auch für den Vorstand einer Bank, der nicht über das (Führungs-) Wissen verfügt, dass grundsätzlich auch “komplexe” Sachverhalte verständlich in ihren Konsequenzen beschrieben werden können. Und wenn das nicht möglich sein soll, dann sind offensichtlich die Risiken nicht beherrschbar, weil sie gar nicht hinreichend beschrieben oder berechnet werden können. Genau dann befindet sich aber die Führung einer Bank im SPIELCASINO mit der Risikolage des 100 %igen Verlustes!

Ich habe selbst einmal erlebt, dass ein ehemaliger (zuständiger) Bankvorstand einräumte, dass er eine Reihe dieser Geschäfte gar nicht verstanden hatte und es vielleicht auch nicht seine Aufgabe sei, so etwas zu verstehen!? Wenn er nicht bereits pensioniert worden wäre, hätte man ihn eigentlich fristlos wegen Dummheit bzw. Führungsversagen entlassen müssen.

Auch der gestern bei “Anne Will” angesprochene “Stress-Test” (Stuttgart 21) für die Bahn wird aufzeigen, ob die BÜRGER täglich viel mehr Zeit aufwenden müssen, wenn der unterirdische Bahnhof durchgesetzt werden sollte. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, dass “komplexe Investitionsvorhaben” auf “einfache Merkmale” reduziert bzw. berechnet werden können! Und dann kann der Bürger entscheiden, ob er diese Konsequenzen mittragen will.

Heiner Geißler und die GRÜNEN hatten dafür gesorgt, dass die wesentlichen Auswirkungen der Neubaustrecke für den Bürger sehr “transparent” nachvollziehbar waren. Das nennt man Demokratie.

Und was “Schein-Expertentum” anrichten könnte, zeigt die Rücknahme der AKW-Entscheidung der UNION! Es musste nach Tschernobyl einen weiteren GAU in Fukushima geben, damit UNION und FDP die seit Tschernobyl unübersehbare Risikolage einräumten. Hier wurden Zahlenspiele mit der “Wahrscheinlichkeitstheorie” missbraucht, um dem Bürger eine Scheinsicherheit vorzugaukeln. Dabei sagt der “gesunde Menschenverstand” bei näherem Nachdenken jedem, dass die “formalisierte Mathematik” eintretende Naturereignisse nur sehr unzureichend abbilden kann! Hier zeigt sich gerade umgekehrt, wie nötig der “gesunde Menschenverstand” auch bei politischen Entscheidungen ist wenn erkennbar wird, dass die Technik kombiniert mit Naturereignissen (Erdbeben usw.) oder höherer Gewalt (Flugzeugabsturz oder Anschlag) aus “mathematischer Sicht” zu keinen sinnvollen Rechenergebnissen bzw. Risikobeurteilungen führen kann. Die überwältigende Mehrheit der Bürger wusste seit vielen Jahren bereits, was richtig und falsch war. Die politische Vorstellung von der “Komplexität”, mit der man die Bürger von der Mitwirkung abhalten wollte, hätte auch bereits in Deutschland zu atomaren Katstrophen führen können.

Das zeigt insgesamt, wie tief UNION und FDP von der “spätrömischen Dekadenz” betroffen sind. Das gilt auch für die sie stützenden Medien.

Das Lindner-Duo der FDP will mit dieser völlig falschen Haltung zu komplexen Sachverhalten die Bürger von der Demokratie bzw. der Einflussnahme auf politische Entscheidungen fernhalten. Ein untaugliches Unterfangen, das mit “Stuttgart 21” geradezu konterkariert wurde.

Wer behauptet, dass die Sachverhalte so “komplex” sind, dass sie für den Bürger nicht verständlich dargestellt werden können, der leidet entweder an Selbstüberschätzung oder an Führungsschwäche.

Es ist geradezu die Aufgabe der Politik, den Kern bzw. das Entscheidungsumfeld komplexer Sachverhalte verständlich transparent zu machen. Wer dazu nicht in der Lage ist, der sollte sich ein anderes Aufgabenfeld suchen.

Politiker sollten vielmehr wieder die Fähigkeit entdecken, die Argumente und Wünsche der Bürger aufzunehmen. Denn die Bürger spüren oft bereits sehr frühzeitig, wenn Entwicklungen aus dem Ruder laufen. Und es liegt nahe, dass es unter den 80 Millionen viele Bürger gibt, die den Abgeordneten wie dem “Lindner-Duo” weit überlegen sind. Und es kommt sogar vor, dass Christen wie Margot Käßmann in vielen Fragen, die die Menschen bewegen, dazu gehört.