Annapurna Round 2010 – Teil 16

16. Tag: Silka – Ghorapani
Bald hinter Tatopani überschreiten wir zum letzten Mal den Kali Gandaki auf einer langen Drahtseilbrücke. Wir verlassen die tiefste Durchbruchsschlucht der Erde und steigen im Seitental des Ghar Khola hinauf. Unsere Route führt durch bewirtschaftetes Land und durch kleine Dörfer wie Ghara, Sikha und Chitre, bis wir fast 1.700 Höhenmeter bewältigt haben und das ersehnte Passdorf Ghorapani (2.870 m) erreichen.
Gehzeit: 8 Stunden; Aufstieg: 1700m; Abstieg: 0m;

Ich wache früh auf. Vielleicht die Nervosität vor der heutigen Etappe, für die ich bei insgesamt 1700 Höhenmetern im Aufstieg noch einmal alle Kräfte mobilisieren muss.

Ich finde ein in der Tat noch unbenutztes Shirt in meinem Seesack und nehme das als ein gutes Zeichen für den heutigen Tag. Obwohl mich beim Gedanken an Michael und seiner Last ein schlechtes Gewissen befällt, erleichtere ich meinen Tagesrucksack nochmals um ein 1 oder 2 Kilogramm. Bei so vielen Höhenmetern wiegen die sicherlich irgendwann doppelt so schwer.

Nach der üblichen Pack- und Frühstücksprozedur machen wir uns auf den Weg. Zusammen mit einer Unzahl von anderen Trekkern. Da wir aber direkt nach Tatopani mit dem Aufstieg beginnen, zieht sich „das Feld“ doch ziemlich schnell, so dass ich wunderbar mein Tempo gehen kann.

Unser Höhentraining der letzten Tage scheint zu fruchten, denn bis zum Mittagessen fällt mir der Aufstieg von ca. 700 Höhenmetern erstaunlich leicht. Da habe ich viel Zeit und Muse mir die wieder einmal wunderschöne Natur um mich herum anzuschauen.

Ich sehe auch viele Jungs und Mädels auf dem Weg in die Schule. Herausgeputzt in schicken Schul-Uniformen sind sie bis zu 2 Stunden unterwegs zu ihrer Schule. Nicht zuletzt daher beginnt der Unterricht in Nepal immer erst um 10.00 Uhr und geht dann mit Pausen bis 16.00 Uhr. Nur freitags heisst es schon ab 13:00 Uhr Wochenende.

Der einer oder andere versucht das Nützliche mit dem Notwendigen zu verbinden und bietet frische Orangen oder Äpfel an, die er bei Bedarf aus seiner Schultasche zaubert. Für 50 Cent gönne ich mir 3 Orangen. Früh übt sich, wer ein Verkäufer sein will denke ich mir, während ich die Orangen schäle und mich so für die ersten Höhenmeter des Tages belohne.

Zum Mittagessen gibt es wieder einmal „veg noodle soup“. Und wie so oft mit „Maggi“ als gute Grundlage. Ich nehme mir vor, auch zuhause wieder mehr Suppe zu löffeln. Mit oder ohne Maggi.

Der Nachmittag wird dann wesentlich stressiger. Die Erfolge aus dem Höhentraining scheinen aufgebraucht und speziell die letzten 200 Höhenmeter ziehen sich beinahe endlos.

Wie fast den ganzen Tag gehen wir über viele, viele und noch ein paar mehr Stufen. Teils in den Fels gehauen, teils Stein auf Stein gebaut, teils aus Baumstämmen geschlagen. Bei besonders hohen Stufen schmerzen meine Oberschenkel, aber getreu dem Motto „Ein Schritt nach dem anderen“ geht es irgendwie immer weiter.

Zur nachmittäglichen (Pulver-) Kaffee- und Kekspause rasten an einer kleinen Lodge. Der Herr des Hauses sitz in der Sonne und beobachtet seine Frau, die sich gerade daran macht, eine riesigen Berg Reis zu sieben. Den Guten ins Körbchen, den Schlechten kriegen die Hühner – oder so ähnlich.

Ich bin heute wieder „in kurzen Hosen“ unterwegs. Bei wieder sehr warmen Temperaturen und vielen Höhenmetern ist das kein Problem. Beim Rast sitze ich neben Bhim, der mir mit einem Male wohl mehr neugierig als aufdringlich über meinen blonden Beinhaare streichelt. Ich bin zuerst ein wenig irritiert, aber lache dann drüber, und erkläre ihm, dass ich mittlerweile mehr Haare an den Beinen als auf dem Kopf habe. Das versteht er wohl nicht, strahlt mich aber stattdessen in seiner unnachahmlichen Art an. Was braucht es da noch Worte?

Die letzte Stunde teilen wir uns unseren Weg und die vielen Stufen mit einer grossen Ziegen- und Schafherde. Auch hier sind die Treiber nicht zimperlich, wenn es darum geht, die eine oder andere Ziege zum weitergehen zu überreden. Wie bin ich froh, dass Narayan, Kumar, Lu oder Bhim uns weit weniger „körperbetont“ antreiben.

Narayan erzählt mir, dass solch grosse Herden normalerweise auch von Hunden begleitet und angetrieben wird. Wohl aber nur im Sommer auf den Hochweiden. Diese Herde geht wohl direkt zum Schlachter, und dafür braucht es dann keine Hunde mehr.

Am frühen Abend erreichen wir Ghorapani, unser heutiges Etappenziel, das uns mit einer Umtriebigkeit empfängt, die ich so nur aus den Alpen kenne. Man merkt sofort, dass wir langsam aber sicher aus den entlegeneren Regionen in immer touristischere Gebiete kommen. Und für 2-3 Tages-„Spaziergänge“ von Kathmandu aus, ist Ghorapani ein sehr beliebtes Wanderziel. Nicht zuletzt wegen der Aussicht vom Poon Hill, die auch wir morgen früh geniessen werden.

So überrascht es mich nicht, dass wir auf amerikanische Collage-Klassen stossen oder etliche chinesischen oder japanischen Reisegruppen treffen, die wohl „Nepal in 5 Tagen“ gebucht haben.

Unsere „Sunny Hotel“ Lodge ist ein unglaublicher Verschlag aus Brettern, Wellblech, Sperrholz und allen sonstigen Materialen, die sich für den Hausbau eignen. Ich fühle fast wie in einem riesigen „Bandenlager“, das sich Kinder mit viel Fantasie zusammengezimmert haben. Die nepalesische Bauaufsicht ist wohl noch in der Selbstfindungsphase.

Aber der grosse Speisesaal ist gut beheizt und die Dusche mehr Wasserfall. Ein sehr warmen Wasserfall allerdings – nur das Licht fehlt ein wenig in der Dusch-“Kabine“. Aber wofür gibt es denn Stirnlampen, wenn nicht zum duschen?

Am Kamin setze ich mich wieder einmal zu unseren Trägern und Dank Kumar´s Übersetzungskünste, reden wir über Fussball (Özil und Schweinsteiger kennt man wohl auch hier), Frauen, Kinder und die Pläne der Einzelnen für die Zukunft.

2 der Träger sind 19, frischverheiratet und dementsprechend froh, wenn sie wieder zuhause bei ihren Frauen sind. Mit roten Backen erzählen sie mir, dass sie die ersten 4 Tage mit ihrer Frau im Bett verbringen wollen. Ich finde, das haben sie sich nach all den Tagen, währende denen sie für uns unterwegs waren, auch mehr als verdient.

Die meisten der Träger sind Bauern oder arbeiten auf dem elterlichen Hof mit, wenn sie nicht als Träger unterwegs sind. Die zwei Frischverheirateten sind allerdings Studenten, die sich das Geld für die nächsten Semester verdienen.

Da muss ich an meine (Arbeits-) Wochen beim Daimler denken. Vor langer Zeit. In einem anderen Jahrtausend. Aber sicherlich nicht weniger anstrengend und mit Sicherheit weitaus eintöniger.

Zur Feier des Tages gönne ich mit zusammen mit Eddy, Kristina und Volker eine Flasche australischen Rotwein. Und als Nachtisch mit Ellen eine Zimtschnecke.

Spätestens jetzt habe ich die Strapazen des Tages schon wieder vergessen, und als ich mich in unserem Zimmer, das anstelle einer Nummer schlicht „Sergei Bubka“ heisst, in meinen Schlafsack lege, freue ich mich schon richtig auf den Sonnenaufgang auf dem Poon Hill.

Annapurna Round 2010 – Teil 16



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