12. Tag: Jharkot – Kagbeni
Am Morgen, wenn die Sonne die Wallfahrtsstätte erhellt und erwärmt, bietet sich die beste Gelegenheit, das Heiligtum zu besuchen, das von vielen Pilgern (Hindus und Buddhisten) aus Nepal und Indien aufgesucht wird. Die Anlagen liegen ca. 100 m oberhalb der Ortschaft. Sehenswert sind der Tempel der Feuergöttin, in dem das heilige Feuer von einer Erdgasquelle gespeist wird und die 108 bronzenen Wasserspeier an der Quelle des Krishna Gandaki. Zurück im Dorf, wandern wir hinab nach Jharkot. Am gegenüberliegenden Hang liegen die Ruinen von Dzong, ehemals Hauptstadt dieser Region. Im Tal des Jhong Khola kommen wir in ca. 3 Std. nach Kagbeni (2.800 m), oberhalb des Kali Gandaki. Eine trutzige Gompa, Steinhäuser und dunkle, verwinkelte Gassen kennzeichnen das mittelalterliche Dorf. Bei gutem Wetter leuchten die schneebedeckten Gipfel der Tilicho- und Nilgiri-Gruppe und die Pyramide des Dhaulagiri.
Gehzeit: 7h; Abstieg: 1100m;
In der Nacht „muss ich mal“ und kämpfe mich aus meinen Schlafsack, der manchmal doch ein wenig stören kann. Beim Gang zur Toilette komme ich am „dining room“ vorbei und betrachte unsere Träger, die sich wie kleine Kinder eng aneinandergekuschelt unter ihren Decken verkrochen habe. Ich bleibe für einen Moment stehen und betrachte dieses schöne Bild.
Mir ist schon all die Tage „on Tour“ aufgefallen, wie liebevoll und fast zärtlich die Träger miteinander umgehen.Da wird viel geherzt, gedrückt, und in den Arm genommen. Und all das zwischen Männern, die teilweise zuhause Frau und Kind haben und mit Sicherheit nicht schwul sind. Schön denke ich, wenn auch Männer so eine offene und entspannte Körperlichkeit leben können.
Am Morgen macht mir mein Magen mehr Probleme als meine doch sehr müden Beine. Ich entscheide mich für die kombinierte Variante „Magenpille + Tee“ und komme damit doch sehr gut durch den Tag. Am Abend teile ich mir schon wieder das Snickers mit Ellen.
Bevor wir zu unserer heutigen Etappe starten, schlendern wir noch durch Muktinath und statte dem Kloster einen Besuch ab. Muktinath ist sowohl für Hindus als auch Buddhisten einer der wichtigsten Pilgerorte, so dass wir unterwegs von zahlreichen Pilgern begleitet werden.
Vorbei an unzähligen Souvenir-Ständen, deren Verkäuferinnen mit vom „special price for you“ bis hin zum „morning price for you“ nichts unversucht lassen, uns ihre Ware schmackhaft zu machen.
Mittlerweile kenne ich das Sortiment und sehe die immer wieder gleichen Ketten, Anhänger, Klangschalen, Buddhas, Mützen oder Messer. „Neu“ sind dieses Mal eine Vielzahl von Schals in allen nur erdenklichen Farben und Grössen, die „Publikums-wirksam“ direkt hinter den Ständen gewebt werden.
Neben den Schals entdecke ich auch etliche Kamasutra-“Bibeln“, die in den unterschiedlichsten Formaten und teils mit, teils ohne Worte, die wichtigsten Stellungen in sehr anschaulicher und unmissverständlicher Darstellung aufzeigen. Nicht alle sehen dabei für mich nach echtem Genuss aus, aber letztendlich entscheiden Eddy und ich uns für jeweils ein Büchlein, das wir nach einigem Hin- und Her auch zu einem vernünftigen Preis „ersteigern“.
Vor dem Eingang zur Klosteranlage haben wir einen tollen Blick auf die gegenüberliegende Bergwelt, blauer Himmel und Sonnenschein wie immer inklusive.
Ich läute die große Glocke am Eingang, und verbuche dadurch wieder ein paar mehr Punkte auf meinem „Das bringt Glück“-Konto, das in den letzen Tage Dank unzähliger Gebetsmühlen sowieso schon gut gefüllt ist.
Eine weitere Möglichkeit dazu „verpasse“ ich allerdings kurze Zeit später. Denn der ca. 60-80 Kilogramm schwere Stein, den es zu heben gilt, rutscht mir aus den Fingern, so dass dieses Mal nur Wolfgang und David ihre Portion „Glück“ gutschreiben lassen können.
Weitere Möglichkeiten mein Konto auszufüllen finde ich an den vielen, vielen bronzenen Wasserspeiern, an vielen Glocken und Glöckchen verteilt im ganzen Gelände und in einem schon sehr touristischen „Wunschbecken“, in dem sich Kleingeld aus allen Herren Ländern wiederfindet.
Das alles hat aber durchaus Bedeutung und ich sehe Frauen und Männer, die sich an den Wasserspeiern innerlich und äusserlich reinigen und danach in die Becken steigen. Nicht zum „Tauchbad“ nach der Sauna sondern sicherlich im vollen Ernst.
Am Ende verlasse ich das Klostergelände, verlasse ich Muktinath wieder einmal mit sehr vielen widersprüchlichen Eindrücken, die mich in den nächsten Stunden noch beschäftigen.
Nach den vielen Höhenmetern, die wir gestern auf- und wieder abgestiegen sind, dürfen wir uns heute ausruhen. Wie fast jeden Tag aber dürfen wir uns dabei, wieder einmal!, an einer völlig anderen Natur erfreuen, da sich unser Weg heute durch eine sehr karge und wüstenähnliche Landschaft schlängelt.
Mir kommen Bilder von meinem Besuch am Toten Meer und unserem Marsch zur Massada-Festung. Ganz so heiß ist es aber den ganzen Tag nicht, da sind wir einfach noch viel zu hoch und nicht einige Hundert Meter unter dem Meeresspiegel.
Ich ertappe mich heute zum ersten Mal dabei, wie ich an das Ende der Annapurna-Umrundung denke. Ich bestelle im Geiste schon mal „Schnitzel und Pommes“ und hab noch gar keine Lust auf die Rückkehr zu SAP. Zum Glück habe ich ja auch noch ein paar Tage und Wochen vor mir bis dahin.
Nach dem Höhepunkt gestern nehme ich mir aber heute eine kleine Auszeit, laufe die meiste Zeit schweigend vor mich hin und bin froh, als ich abends meine Stiefel ausziehen kann.
Kagbeni aber bietet uns zum Ende des Tages eine sehr spannende Kombination von steinalten Dorf und hochmodernem Equipment im „Yac Donald´s“ (ja das heißt wirklich so), in dem es neben Yak-Burgern auch Internet und chattende Dorfjugend zu bestaunen gibt.
Kurz vor dem Abendessen führt uns Narayan noch ein Stück weit durchs Dorf zur offiziellen Grenze nach Upper Mustang, einem bis heute noch teilweise gesperrten Königreich, das aber rein formal zu Nepal gehört. Im Geiste notiere ich mir das schon mal als potentielles Reiseziel, sobald die Grenzen sich irgendwann einmal auch für Touristen öffnen werden.
Am Abend telefoniere ich noch mit etlichen Sekunden Zeitverzögerung mit Luisa, Jan und Mama und freue mich ihre Stimmen zu hören und meine Schnitzelbestellung losgeworden zu sein.