Anna Stephens – Godblind

Von Elli @xWortmagiex

Anna Stephens - Godblind

Für das Fantasy-Subgenre Grimdark gibt es keine einheitliche Definition. Durch das Fehlen fester Richtlinien können Leser_innen und Autor_innen frei entscheiden, wie sie Grimdark auslegen. Anna Stephens betrachtet Grimdark als Möglichkeit, zu untersuchen, wie sich Menschen verhalten, wenn sie alle Hoffnung verloren glauben. Es freut mich sehr, dass der öffentliche Fokus mit dem Erscheinen von Stephens' Debüt „Godblind" auf weibliche Grimdark-Autoren gerückt wurde. Selbstverständlich wollte ich den Trilogieauftakt deshalb auch unbedingt lesen. Ich wollte wissen, wie eine Frau das harsche Subgenre umsetzen würde.

Als Seher ist Dom Templeson daran gewöhnt, schmerzhafte, verwirrende Botschaften der Lichten Götter zu empfangen. Doch nie zuvor sandten sie ihm eine Vision wie diese. Verstörende Bilder von Feuer, Blut und Tod fluten seinen Geist. Ein Herold wird kommen und einen Sturm ankündigen, der sich in den Gilgoras Bergen zusammenbraut. Seit beinahe tausend Jahren ist das karge Gebirge das Exil der Mireces, die einst aus Rilpor für ihren Glauben verbannt wurden. Mit abscheulichen, blutigen Ritualen huldigen sie den Roten Göttern, der Dunklen Lady und Gosfath, dem Gott der Blutes. Nun erstarken die Roten Götter erneut und der Schleier, der sie von der Welt abschirmt, schwindet. Dom muss den Herold finden. Tief im Feindgebiet macht er sich auf die Suche und stolpert mitten in einen Jagdtrupp der Mireces hinein. Ihre Beute ist eine junge Frau. Gewissheit erfasst Dom: sie ist der Herold. Ohne zu zögern rettet er sie. Die junge Frau heißt Rillirin und ist eine entflohene Sklavin. Ihr beunruhigender Bericht bestätigt Doms Vision. Die Mireces planen, Rilpor für die Roten Götter einzunehmen. Kurz darauf treffen erste Meldungen von Angriffen der Mireces ein. Können Dom und Rillirin das Reich verteidigen oder haben die Roten Götter ihre Klauen längst zu tief in Rilpors Herz geschlagen?

Anna Stephens nutzt den Rahmen des Grimdark-Subgenres, um herauszufinden, wie ihre Figuren auf eine hoffnungslose Situation reagieren. So weit, so gut. Ich mag Autor_innen, die versuchen, in ihren Büchern die Grenzen ihrer Figuren auszuloten und ich stimme Stephens zu, dass sich Grimdark dafür bestens eignet. Meiner Ansicht nach ist ihr in „Godblind" allerdings ein entscheidender Fehler unterlaufen. Dieser führte dazu, dass ich mit dem Buch nichts anfangen konnte und mich überhaupt nicht abgeholt fühlte, obwohl ich es wirklich mögen wollte. Stephens bringt nicht nur ihre Charaktere in eine ausweglose Situation. Sie vermittelt auch ihren Leser_innen umfassende Hoffnungslosigkeit, sodass ich keinen Sinn darin sehe, die Trilogie „Godblind" weiterzuverfolgen. Sie zerstörte systematisch jeden Funken Optimismus, der sich in meinem Herzen entzündete. Die Handlung dieses Auftakts ist eine demotivierende Abwärtsspirale, die schlimmer und schlimmer wird, je weiter sie voranschreitet. Ich empfinde keinerlei Zutrauen, dass die nominell „guten" Figuren fähig sein werden, den Tag zu retten. Ich weiß es zu schätzen, dass Stephens sich bemühte, ambivalente Charaktere zu entwickeln, aber diejenigen, die ich als Held_innen wahrnehmen sollte, erschienen mir angesichts der geballten Bösartigkeit der Antagonisten völlig machtlos. Die Bösewichte dieses Romans sind die Roten Götter und ihre Anhänger_innen, die Mireces. Ich habe große Schwierigkeiten, die Verehrung der Gottheiten nachzuvollziehen. Warum sollte die irgendjemand anbeten? Sie bieten nicht das Geringste an, nicht einmal Erlösung. Macht gewähren sie nur zu ihren Bedingungen, getreu dem Motto „Ebenso schnell genommen wie gegeben". Die Dunkle Lady und Gosfath sind dermaßen böse, dass ich keinerlei Vorteil darin erkenne, ihnen zu huldigen. Sie sind zu böse. Unter diesem grundsätzlichen Verständnisproblem litt die Integrität der Geschichte, die von unnötig vielen Perspektivwechseln zusätzlich untergraben wurde. Ich fand schwer rein, hatte Mühe, dem Plot zu folgen und konnte keine Bindung zu den Figuren aufbauen, da kein einziger Blickwinkel gewissenhaft ausgearbeitet ist. Viele Szenen irritierten mich, weil ihr Aufbau seltsam und unnatürlich ist. Action entfaltet sich nicht, sie explodiert. In einem Moment steht eine Figur da und guckt in der Gegend herum, im nächsten befindet sie sich schon mitten im Kampf. Es gibt keine Vorwarnungen; niemand zuckt, bevor Waffen gezogen werden. Interaktionen mit der Umgebung beschränken sich auf ein Minimum, weshalb ich das Gefühl hatte, mich in einem Vakuum zu bewegen und über das Worldbuilding erschreckend wenig berichten kann. „Godblind" wirkte chaotisch und hektisch - bis auf die äußerst expliziten Folterszenen. Die waren wirklich überzeugend. Brrr.

Ich bin sehr enttäuscht von „Godblind". Ich habe ohne jeden Zweifel erwartet, den Trilogieauftakt zu mögen. Grimdark aus weiblicher Feder klang für mich wie ein Erfolgsgarant. Es schockt mich, wie deprimierend sich die Lektüre gestaltete. Wie kann ein Buch nur so entmutigend sein? Ist Anna Stephens nicht aufgefallen, dass sie es mit der Düsternis übertrieb? Grimdark rechtfertigt dann doch nicht alles. Es ist eine Sache, den Figuren jegliche Hoffnung zu nehmen - aber eine gänzliche andere, sie den Leser_innen zu verwehren. Ich weiß ehrlich nicht, warum ich die Trilogie weiterverfolgen sollte. Es ist ja ohnehin alles verloren. Meiner Meinung nach ist beim Entwurf der Geschichte einiges schiefgelaufen. Anna Stephens unterschätzte die überwältigend pessimistische Ausstrahlung ihres Buches. Ich glaube nicht, dass ihr bewusst ist, wie dringend es einen verlässlichen Gegenpol zu den Roten Göttern benötigt hätte. Ob sie diesen hätte liefern können, ist allerdings fraglich. Die übrigen Mängel der Geschichte in Struktur, Rhythmus, Worldbuilding und Szenenaufbau sprechen dagegen. Vielleicht sollte sie die Fantasy verlassen und sich an Horrorliteratur versuchen. Grausame Folterszenen hat sie nämlich echt drauf.