Ankara wanzt sich an Kurden ran

Der nächste Konflikt in Nahost scheint vorprogrammiert. Seit Ankara beschlossen hat, mit den Kurden im Nordirak Ölgeschäfte zu machen, stehen sich kurdische Peshmerga und die irakische Armee in bewaffneten Stellungen gegenüber

Geplante Aufteilung des Nahen Ostens

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Stellenweise nur durch wenige hundert Meter voneinander getrennt, genügt ein einzelner Funke, um einen Krieg zwischen den beiden verfeindeten Parteien zu entzünden. Erdogan kann dies nur recht sein. Einerseits bekommt er sein Öl auf diesem Wege günstiger, als von der irakischen Regierung. Andererseits würde er sich nicht daran stören, wenn Kurden und Iraker sich in einem erbitterten Krieg gegenseitig schwächen. Bis vor einem Jahr noch war das Öl aus den kurdischen Autonomiegebieten durch eine von Bagdad kontrollierte Pipeline geflossen. Dann folgte der Pumpstop. Zu teuer, befand die Türkei und wandte sich statt dessen an die kurdische Regionalregierung. Die stimmte zu und mittlerweile steht der Bau einer weiteren Pipeline kurz vor der Vollendung.

Sie soll das Taq Taq Ölfeld bei Kirkuk, welches der türkische Ölkonzern Genel Energy für sich beansprucht, mit einer bereits bestehenden Pipeline zwischen der Türkei und dem Irak verbinden. Zunächst als Gaspipeline geplant, wird diese nun zu einer Ölpipeline umgerüstet. Anstatt mit Lastern wird das irakische Öl nun bald schon durch die Kirkuk- Ceyhan- Pipeline fließen, hin zur südtürkischen Stadt Ceyhan. Dies ist der Grund, aus dem die Iraker mehr als nur verärgert sind. Direkt vor ihrer Nase, jedoch auf ihrem Territorium, soll ein neuer Staat entstehen. Ein Kurdenstaat, der sich auch noch am irakischen Öl vergreift und sich damit wirtschaftlichen Spielraum verschafft, was widerum dessen militärischen Widerstand stärkt. Wer Geld hat, hat Waffen.

Seit dem achten Mai verlassen kurdische PKK- Kämpfer die Türkei, wie deren Militärchef Murat Karayilan im Vorfeld angekündigte. Ihr inhaftierter PKK- Chef Abdullah Öcalan hatte sie dazu aufgefordert. Er verhandelt seit Ende letzten Jahres mit dem türkischen Geheimdienst MIT über die Beendigung des Konfliktes, dem in den letzten 33 Jahren mehr als 40 000 Menschen zum Opfer gefallen sind. Seit 1999 sitzt er auf der türkischen Gefängnisinsel İmralı in Haft. Möglicherweise winkt ihm schon bald die Freiheit. Offenbar ist Ankara dazu entschlossen, mit der PKK Frieden zu schließen und die ungeliebte Organisation stattdessen Bagdad an die Backe zu kleben. Bagdad is not amused.

Bereits seit dem November letzten Jahres liegen irakische und kurdische Armee einander gegenüber. Nun verschärft sich die Situation zusätzlich durch die angekündigte Fertigstellung der Ölpipeline. Mittlerweile hat die irakische Armee Schießbefehl, sobald sie einen kurdischen Kämpfer zu sehen bekommt. Die Kurden widerum sind fest entschlossen, sich weder Land noch Öl wegnehmen zu lassen. In der Vergangenheit waren sie erbarmungslos verfolgt worden. Unter Saddam Hussein wurden ganze kurdische Dorfbevölkerungen durch Giftgas getötet und türkische Bomber fliegen seit Jahren Angriffe gegen die autonome Region. Kein Wunder also, dass sie nicht dazu bereit sind, klein beizugeben.

Wie der kurdische Kabinettsminister Qubad Talabani  in einer Erklärung verlauten ließ, sei die Peshmerga in Stellung gegangen, um Terroristen daran zu hindern, in kurdisches Gebiet einzusickern. Terroristen, wie sie derzeit in Syrien wüten und zuvor in Libyen. Terroristen, die vom Westen ausgebildet, mit Waffen versorgt und bezahlt werden, um ungeliebte, säkulare Regierungen durch fanatisierte Extremisten auszutauschen. Nachhaltiger lässt sich die Entwicklung eines Landes nicht verhindern, als durch religiöse Wirrköpfe, die die Zügel der Macht in den Händen halten. Die kirchliche Doktrin zum Beispiel hat den Westen um mehr als ein Jahrtausend in seiner Entwicklung zurückgeworfen.

Der Chef der irakischen Energiepolizei, Generalmajor Hamid Abdullah Ibrahim, sieht dies anders. Seiner Meinung nach hätte sich eine Bande von Kriminellen und Gangstern die Gelegenheit zunutze gemacht, um sich irakisches Land einzuverleiben. Kein Wunder. Liegen doch die meisten irakischen Ölfelder, wie auch die kurdischen Autonomiegebiete, im Norden des Landes. Wohlgemerkt, die Peshmerga ist nicht die PKK, jene verbotene, kurdische Protestpartei. Die Peshmerga ist eine Armee, bestehend aus kurdisch- irakischen Kämpfern. Der Name kommt aus dem Kurdischen. Sie sind jene, die dem Tod ins Auge sehen (pêş = nach vorn + merg = Tod). Ihre Ausrüstung stammt größtenteils aus Beständen des ehemaligen Ostblocks. Kalaschnikows und Maschinegewehre, aber auch das deutsche G3 von Heckler & Koch soll bei ihnen in Gebrauch sein. Dank der USA kamen sie zudem in den Besitz von Panzern des Typs T55 und T72 sowie M16- Gewehre und Barrett M82- Scharfschützengewehre . Neuerdings befinden sich in ihrem Besitz zudem auch modernere russische Waffen wie die SA-16 Gimlet, ein schultergestütztes Boden- Luft- Lenkwaffensystem, um lästige Flugzeuge und Hubschrauber vom Himmel zu holen. Demselben Zweck dient ihnen nun neuerdings auch ein weiteres Lenkwaffensystem namens SA-18 Grouse.

Kurzum, die Kurden sind nicht mehr so wehrlos, wie sie es noch vor zehn, fünfzehn Jahren waren. Sie haben eine hochmotivierte und gut gerüstete Armee und sind dazu bereit, ihre Interessen gegebenfalls mit militärischer Gewalt zu verteidigen. Die irakische Armee ist zwar ebenfalls gut gerüstet, aber vom amerikanischen Überfall 2003 stark geschwächt. Sollte es zum Kampf kommen, müssten beide Seiten mit hohen Verlussten rechnen. Für Erdogan eine Win Win Situation. Sollten die Kurden von der irakischen Armee aufgerieben werden, wäre er sie endlich los. Sollte es hingegen friedlich bleiben und beide Seiten sich einigen, so könnte er als der große Heilsbringer auftreten, der Kurden, Türken und Irakern den lange ersehnten Frieden gebracht hat.

Quellennachweis und weiterführende Links:



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