Manchmal ist Angst kein Gefühl – sondern ein Raum, in dem man lebt. Dieses Buch zeigt dir, dass selbst dort ein Licht brennen kann.
Cover von Angst hat die Quersumme 5
Was bleibt, wenn Angst alles einnimmt? Wenn selbst ein Spaziergang im Wald zur Mutprobe wird, das Lieblingscafé zur unüberwindbaren Hürde – und das eigene Leben sich leise in einen viel zu engen Kreis verwandelt?
Ein eindringlicher Roman über das Verstummen der Welt und das leise Wiederfinden des eigenen Ichs – Es gibt Bücher, die einen still machen. Die nachhallen. Die nicht einfach gelesen, sondern empfunden werden müssen. „Angst hat die Quersumme 5“ – erschienen beim Sternfeder Verlag – von Gyde Callesen ist genau ein solches Buch. Es ist ein Buch, das sich nicht in ein Genre pressen lässt, sondern sich in die Zwischenräume schmiegt – zwischen Psyche und Körper, Realität und innerem Chaos, Angst und Hoffnung.
Was passiert mit einem Menschen, wenn die Welt, die er liebt, von einem Moment zum anderen zu einem unbetretbaren Ort wird? Wenn die Bewegung einfriert, das Selbstverständliche unerreichbar wird und jeder Schritt, jede Begegnung zur unüberwindbaren Hürde wird? Ein Roman, der verstört, berührt, aufwühlt – und heilt. Wenn du jetzt neugierig geworden bist, oder dich das Thema interessiert, dann nehme ich dich gerne auf eine Buchlänge mit. Auf geht’s.
Wenn die Welt zu klein wird – Anna Svendheim ist keine gewöhnliche Frau. Sie ist erfolgreich, lebt ihren Traum als Reisefotografin, hat die Welt gesehen, gelebt, erlebt. Sie ist unabhängig, neugierig, lebensbejahend – bis zu dem Moment, in dem sich ihr Leben in Luft aufzulösen beginnt. Ohne Vorwarnung überfallen sie Panikattacken. Lautlos. Unerklärlich. Heimtückisch. Die einst so weite Welt schrumpft zu einem klebrigen Netz aus Unsicherheit, aus Angst, aus Bedrohung.
Gyde Callesen schildert diesen Prozess nicht als abruptes Umschlagen, sondern als schleichende Entgleisung. Der Radius ihrer Protagonistin wird kleiner, fast unmerklich zuerst – bis jeder Schritt zum Supermarkt, jede Fahrt mit dem Bus, jeder Blick aus dem Fenster zu einer existenziellen Herausforderung wird. Die Angst ist kein Gefühl mehr, sondern ein Zustand. Eine Hülle. Eine zweite Haut. Anna ist nicht mehr sie selbst – sie ist Angst.
Kunstvoll erzählt, tief empfunden – Gyde Callesen gelingt es mit eindrucksvoller sprachlicher Kraft, das Unsichtbare sichtbar zu machen. Ihre Sprache ist poetisch, fragmentiert, intensiv – sie spiegelt Annas inneres Erleben, lässt einen förmlich durch ihren Körper atmen, fühlen, leiden. Der Roman ist durchzogen von einem feinen Wechselspiel zwischen innerem Monolog und äußerer Realität, das durch seine stilistische Dichte einen unwiderstehlichen Sog entfaltet.
Manchmal lesen sich die Sätze wie Atemzüge – stockend, kurz, erschöpft. Dann wieder wie ein Flüstern aus einer anderen Welt. Die Erzählweise ist nicht linear, nicht konventionell – sie folgt dem Rhythmus der Angst, ihrer Unvorhersehbarkeit, ihrer Intensität.
Die Welt versteht nicht – aber Asgard sieht – Erschütternd ist nicht nur Annas Leid, sondern das Unverständnis, das ihr entgegenschlägt. Freunde, Kolleginnen, ihr Partner – alle rufen zum „Zusammenreißen“ auf, wollen helfen, verstehen aber nicht. Und genau hier liegt eine der größten Stärken des Romans: Gyde Callesen entlarvt die Ohnmacht und Ignoranz unserer Gesellschaft gegenüber psychischem Leid, ohne zu moralisieren.
Doch da ist auch Asgard. Die alte Dame, rätselhaft, klar, sanft, klug. In ihr findet Anna einen Anker, einen Gegenpol zur Dunkelheit, die sie verschlingt. Asgard steht für Hoffnung, für das Wissen, dass sich Wege auftun können, wo vorher nur Mauern waren. Sie begleitet Anna nicht mit Ratschlägen, sondern mit Präsenz. Mit Zuhören. Mit einer sanften, aber entschlossenen Kraft.
Ein Roman, der sich einprägt – weil er so wahr ist – „Angst hat die Quersumme 5“ ist keine psychiatrische Fallstudie, keine trockene Beschreibung einer Angststörung. Es ist ein literarisches Phänomen, das aufzeigt, wie zerbrechlich unser Alltag, unser Ich, unser Dasein sein kann – und wie tief man fallen kann, selbst wenn man äußerlich alles „richtig“ macht.
Gyde Callesen zeigt mit radikaler Ehrlichkeit, was es bedeutet, wenn der eigene Körper nicht mehr verlässlich ist, wenn Panik über rationale Gedanken triumphiert. Wenn aus Tagen ein einziges Überleben wird. Wenn man sich selbst verliert – und erst durch andere wieder ein Stück zurückfindet.
FAZIT: Ein stiller Aufschrei, ein mutiges Buch, ein echtes Geschenk – Dieses besondere Buch bekommt von mir eine absolute – also 100%ige – Leseempfehlung. „Angst hat die Quersumme 5“ ist kein Buch, das man einfach liest und dann zur Seite legt. Es ist ein Buch, das nachklingt. „Was bedeutet es, wenn das Leben ein schrumpfender Kreis ist?“ – Diese Frage zieht sich wie ein stilles Echo durch den gesamten Roman. Und Gyde Callesen gibt darauf keine einfache Antwort. Sie schenkt uns stattdessen Anna – eine Figur, die uns mit ihrer Verletzlichkeit, ihrer Verzweiflung, aber auch mit ihrem Mut tief berührt. Dieses Buch ist ein Geschenk für all jene, die verstehen wollen, was Angst wirklich bedeutet. Es ist ein Licht für die, die selbst in dunklen Räumen tappen. Und es ist ein Appell an uns alle, mehr zuzuhören, weniger zu urteilen, und Mitgefühl nicht an Bedingungen zu knüpfen. Die Geschichte von Anna ist leise, aber sie schreit. Sie flüstert, aber sie hallt nach. Und vor allem zeigt sie: Auch wenn der Lebensradius zum Punkt wird, kann aus diesem Punkt ein neuer Weg entstehen. Vielleicht nicht zurück in die alte Welt, aber hinein in eine neue – eine, in der man nicht mehr gegen sich selbst kämpfen muss. Wer selbst mit Ängsten kämpft, wird sich verstanden fühlen. Wer jemanden kennt, der mit Panik oder Isolation lebt, wird vielleicht zum ersten Mal begreifen, wie es sich wirklich anfühlt. Und wer glaubt, frei und gefestigt zu sein – wird durch dieses Buch auf eine stille, achtsame Weise demütig. „Angst hat die Quersumme 5“ ist ein Roman über das Zerbrechen – und das behutsame, tastende, kraftvolle Wiederzusammensetzen. Über den Mut, einzugestehen: „Ich schaffe es gerade nicht.“ Und über die Schönheit, darin nicht allein zu sein. Mir bleibt jetzt nur noch dir eine schöne Lesezeit zu wünschen mit einem Roman, der bleibt, einem Roman, der heilt und einem Roman, der zeigt: Auch wenn alles eng wird – irgendwo wartet ein Stück Weite.
Wieder lege ich ein interessantes Buch beiseite. Es hat mich von Anfang an beeindruckt und fasziniert. Ängste gehören doch irgendwie zum Leben. Ich bin schon gespannt, was als Nächstes auf mich wartet, denn auf meinem Reader sind einige tolle Bücher. Bleibt also neugierig und bis bald. 
