Angriff auf die Zivilgesellschaft – Meine Meinung zum Attac-Urteil

Ende Februar 2019 hat der Bundesfinanzhof, das höchste deutsche Finanzgericht, der globalisierungskritischen Organisation Attac die Gemeinnützigkeit aberkannt. Das Bürgernetzwerk versuche, die politische Willensbildung zu beeinflussen, und das sei kein gemeinnütziger Zweck, urteilten die Richter. Dieses Urteil wird unsere Zivilgesellschaft verändern.

Widerspruch mag man nicht gerne hören, und eine Regierung verfällt dann schnell auf den Gedanken, diesen Widerspruch mit gesetzlichen Mitteln mundtot zu machen, oder den betroffenen Organisationen den Geldhahn zuzudrehen. So möchte es die Union gern mit der deutschen Umwelthilfe machen. Diese hatte in mehreren Gerichtsurteilen Dieselfahrverbote erstritten, um die Umwelt zu schonen, wozu auch die Gesundheit von Menschen gehört. Die Regierung, die im Laufe des Dieselskandals zwar ständig mit den Autokonzernen konferierte, sich aber niemals mit Umweltverbänden traf, war nicht erfreut über diesen erfolgreichen Widerstand, und die Union beschloss auf ihrem Parteitag, der Umwelthilfe die Gemeinnützigkeit zu entziehen. Offenbar nervt sie die Regierung. Im Falle der Umwelthilfe ist das aber nicht so einfach, denn Umweltschutz wird in der Abgabenordnung ausdrücklich als gemeinnütziger Zweck anerkannt. Politische NGOs wie Attac, digital Courage oder Campact haben es deutlich schwerer. Ihre Zielsetzungen stehen nicht ausdrücklich als gemeinnützig im Gesetz, sie können die Steuererleichterung nur über die Vereinszwecke politische Bildung oder Demokratieförderung erhalten. Natürlich gehört dazu auch eine gewisse politische Einflussnahme, die der Finanzhof den Organisationen aber nicht durchgehen lassen will. Campact hat bereits mitgeteilt, dass Spenden an diese Organisation nicht mehr steuerlich absetzbar sind. Sie gehen davon aus, dass sie die Gemeinnützigkeit verlieren werden.

In Deutschland ist jeder Kaninchenzüchterverein, jeder Sportverein, jeder Autolobbyist gemeinnützig, die Stiftungen und Vereine, die Konzerninteressen fördern, haben überhaupt kein Problem mit der Steuerbefreiung. Die unbequemen Gegenstimmen aber werden jetzt systematisch von Politik und Rechtsprechung in ihre Schranken gewiesen. Dieses Urteil wird unsere Gesellschaft verändern. Die Vereine, die sich für Demokratie, gegen Rassismus, Rechtsterrorismus und Konzernlobbyismus einsetzen, verlieren ihre Steuerbegünstigung, finden keine Veranstaltungsräume mehr, verlieren ihre Spender und können auf die Dauer ihre Arbeit nicht wirkungsvoll fortsetzen. Dabei braucht Demokratie ein gewisses Maß an Widerspruch und Vielseitigkeit der Meinungen, sie braucht den Diskurs, auch wenn es die Regierung nervt. Ich hätte nie gedacht, dass wir in Deutschland nun beginnen, den ungarischen Weg zu gehen, die widerspenstigen Gruppen finanziell auszutrocknen. Natürlich rufen die NGOs jetzt Bundestag und Bundesregierung auf, das Gemeinnützigkeitsrecht anzupassen und zu erweitern, aber mit einer restriktiven höchstrichterlichen Entscheidung im rücken wären die Konservativen ja schön blöd, wenn sie das wirklich täten. Gerade jetzt haben sie keinen Grund, Terrain an ihre sogenannten Feinde abzutreten.

Seit Jahren findet in Deutschland ein konservativer Backlash statt, der sicher schon ein Teil des neoliberalen Weltbildes ist, aber durch das machtvolle Auftreten faschistischer Gruppen wie der AfD noch verstärkt wurde. Jetzt hat dieser Backlash einen Sieg errungen, der uns weiter auf den Weg der illiberalen Demokratie führt, wie der deutsch-amerikanische Politologe Yascha Mounk es beschrieben hat. Durch den Populismus nehmen plebiszitäre Elemente in der Politik zu, die liberale Vielseitigkeit aber wird auf dem Altar eines verqueren Mehrheitswillens geopfert. Jene Minderheiten, die eine kritische Stimme und ein Korrektiv sein könnten, werden zunehmend aus dem öffentlichen Diskurs verdrängt. Ein Gesetzgeber, der das im eigenen Machtinteresse zulässt, wird zum Totengräber echter Demokratie.

Das Urteil des Bundesfinanzhofes gegen Attac ist noch nicht das Ende des Kampfes um die öffentliche Sichtbarkeit unbequemer Meinungen, doch es ist ein Urteil wie eine Bombe, es hat bereits jetzt unübersehbare Zerstörungen und Verwüstungen angerichtet, hat die Säulen der Zivilgesellschaft und des unabhängigen Meinungsbildungsprozesses ins Wanken gebracht. Hoffen wir, dass die Politik den Wert bürgerschaftlichen Engagements erkennt und die demokratische Vielfalt schützt, wobei ich persönlich eher skeptisch bin, mich aber gern belehren lasse.

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