Das Europäische Parlament hat mit dem jetzt verabschiedeten Verordnungsentwurf für einen Digitalen Binnenmarkt die Gelegenheit versäumt, eine praxistaugliche und ausgewogene Regulierung der Netzneutralität zu schaffen.
Der Verordnungsentwurf sieht zwar vor, dass es TK-Netzbetreibern freistehen soll, Endkunden qualitätsgesicherte Spezialdienste – etwa für Videokon¬ferenzen oder Gesundheitsdienste – anzubieten. Gleichzeitig hat das Europäische Parlament jedoch zahlreiche Restriktionen eingefügt, die das Angebot solcher Dienste in der Praxis erheblich erschweren würden. So ist zum einen unklar, ob TK-Netzbetreiber überhaupt entsprechende Vereinbarungen mit Inhalteanbietern abschließen dürfen. Zum anderen sollen Spezialdienste künftig nur über logisch getrennte Kapazität in den Netzen erbracht werden. Das erfordert wiederum ein Vorhalten von Kapazität, die sonstigen Anwendungen nicht zur Verfügung steht. Hierzu Dr. Andrea Huber, Geschäftsführerin des Verbandes Deutscher Kabelnetzbetreiber (ANGA): „Notwendig ist eine praxistaugliche Ausgestaltung der Regeln, um Netzneutralität zu garantieren und gleichzeitig die Entwicklung qualitätsgesicherter Dienste zu ermöglichen. Nur so können die nachhaltige Wertschöpfung in den Netzen gesichert und innovative Dienste gefördert werden.“
Positiv zu bewerten ist aus Sicht der Kabelnetzbetreiber, dass das Europäische Parlament den Kundenschutz im TK-Markt lieber in einer nationalstaatlich auszugestaltenden Richtlinie bearbeiten möchte. Die Kommission hatte in ihrem Entwurf vom September 2013 eine europaweit unmittelbar gültige Verordnung mit dezidierten Vorgaben für Unternehmen und Regulierungsbehörden vorgesehen. In einer Richtlinie kann den Besonderheiten der nationalen TK-Märkte besser Rechnung getragen werden.
Insgesamt besteht aber auch beim Thema Kundenschutz noch erheblicher Diskussionsbedarf. Hierzu Dr. Huber: „Die im Entwurf enthaltenden Vorgaben zu Transparenz, Kündigungsfristen und Anbieterwechsel sind aufgrund existierender Vorgaben in Deutschland unnötig und führen ausschließlich zu Mehrbelastungen für die Netzbetreiber und ihre Kunden.“ Die ANGA wird sich auch nach der Europawahl intensiv an der weiteren Diskussion zum Verordnungsentwurf beteiligen. www.anga.de