Andrea Levy – Das lange Lied eines Lebens

Von Favola

Kurzbeschreibung:

Vom Kampf einer Frau um Freiheit – mit Leichtigkeit und Leidenschaft erzählt

Jamaika, Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie war einst Haussklavin auf der Zuckerplantage Amity und hat bewegte Zeiten hinter sich. Nun, viele Jahre nachdem sich ihre Brüder und Schwestern die Freiheit mit Blut erkauften, drängt es die inzwischen betagte Miss July ihrem Sohn, einem angesehenen Verleger, die Geschichte ihres Lebens zu offenbaren – und ihm zu erklären, warum sie gezwungen war, ihn als Säugling auf den Stufen einer Pfarrei auszusetzen. So beginnt sie mit großer Lust am Fabulieren von jener Zeit zu erzählen, als sie die rechte Hand der Missus auf der Plantage war. Bis der junge Goodwin seine Arbeit als Aufseher aufnahm und für July ein Leben unter anderen Vorzeichen anfing. Die unvergessliche Geschichte einer Emanzipation und zugleich ein erschütternder Bericht über die letzten Tage der Sklaverei, dargeboten von einer Ich-Erzählerin, die uns aufschreien lässt gegen die Unmenschlichkeit, die uns aber immer auch mit ihrem Lachen versöhnt. Denn sie führt uns vor Augen, welche Kräfte der Glaube an Veränderung wecken kann, welche Kraft die Freiheit birgt.

Meine Meinung:

Ich beginne mit dem Punkt, der ausschlaggebend für den Kauf dieses Buches war: das Cover. In der Mitte das Profil einer farbigen Frau, unter dem Hals drei Reihen Ketten. Rundherum bunte Blüten und Vögel. Ich finde, das Cover passt ausgesprochen gut zum Thema dieses Buches: Sklaverei auf Jamaika.

Das Buch beginnt mit einem Vorwort von Thomas Kinsmann. Er ist Verleger und Herausgeber und eine fiktive Figur. Er erklärt, dass dieses Buch entstanden ist, weil seine Mutter ihm unbedingt ihre Geschichte erzählen wollte. Da er nicht genügend Zeit hatte, ihr wirklich zuzuhören, riet er ihr, alles aufzuschreiben und es so für die Nachwelt festzuhalten. Und dies tat sie dann auch, erst zögerlich, dann mit immer mehr Elan.

Es war vorbei, kaum dass es begonnen hatte. Kitty spürte auf nur unerhebliche Weise, wie das Ding des Aufsehers Tam Dewar in sie eindrang, sodass sie beschloss, daran zu glauben, dass er sie einfach nur von hinten angeschubst hatte, so wie jeder grantige, grummelnde, grollende Weisse es getan hätte, wenn sie in einer Menschenmenge zusammengedrängt worden wären . . . .

Geneiger Leser, mein Sohn erläuterte mir, dass die für den Beginn einer Geschichte zu taktlos sei. Bitte sieh`s mir nach, aber dein Erzähler ist eine Frau, die geradeheraus spricht und über wenig Tinte verfügt.

July schreibt also als alte Frau ihre Geschichte auf. Wir erfahren, wie July auf der Zuckerplantage geboren wurde, lesen, welch harten Alltag ihre Mutter als Sklavin hatte. Mit Schrecken müssen wir zuschauen, wie die Schwester des Plantagenbesitzers July sah, für süss befand und einfach mitnahm. Von nun an lebt July also getrennt von ihrer Mutter als Haussklavin im Herrenaus und wird nun “Marguerite” genannt, weil der Name der Herrin besser gefällt.

Es widerfahren July schreckliche Dinge, doch sie erzählt sie sehr emotionslos, oft sogar mit trockenem Humor. Das hat mich zum Teil recht gestört, da es für mich unverständlich ist. Aber vielleicht muss man ein solch hartes Schicksal auch so distanziert anschauen, damit man damit leben kann, denn trotz ihrer Lebensumstände ist July eine starke Frau, die sich durchs Leben kämpft.

Julys persönliches Schicksal ist in die gesellschaftliche Veränderung der Zeit, dem Ende der Sklaverei, eingebettet. Das fand ich sehr interessant, denn es reicht ja nicht, dass die Sklaven ihre Grundbesitzer verjagen, um auch die Einstellungen der Menschen im Kopf zu ändern. Einmal gefasste Vorurteile können nur schwer widerlegt werden und so wird die Welt weiterhin in Schwarz und Weiss geteilt.

Unterbrochen werden die Erzählungen immer wieder mit Gedanken der alten July, der Erzählerin. Dabei spricht sie den Leser sehr oft direkt an. Für mich persönlich war dies etwas befremdlich, da es zum Teil in einem enormen Ausmass gehandhabt wird. Ich hatte auch das Gefühl, dass es mich daran gehindert hat, wirklich in die Geschichte einzutauchen.

Geneigter Leser, ich muss dir eine Wahrheit zuflüstern. Komm, leg dein Ohr ganz dicht auf diese Seite. Beug dich noch ein bisschen näher herab. Denn es drängt mich, aufrichtig über das letzte Kapitel zu sprechen, das du gerade gelesen hast. Geneigter Leser, hörst du mich auch?

Dem Schreibstil des Buches stehe ich ein bisschen zwiespältig gegenüber. Auf der einen Seite wird sehr blumig erzählt, dass man Ort gleich vor sich sieht, auf der andern Seite empfand ich die Sprache zum Teil als sehr grob. Klar wollte damit die einfache Welt der Sklaven aufgezeigt werden, aber trotzdem waren mir Sachen wie “furzen” zu oft ein Thema.

Spannend fand ich, warum Andrea Levy dieses Buch geschrieben hat. In einem Video erfuhr ich, dass sie an einer Londoner Tagung über das Ende der Sklavereiteilnahmm als eine junge Frau fragte, wie man denn stolz auf seine Vorfahren sein könne, die alles Sklaven waren. Andrea Levy hat selbst jamaikanische Wurzeln und hat dann überlegt, wie man sich denn dafür schämen könne . . . Da kam ihr die Idee, ob sie nicht die Ansichten dieser Frau ändern könnte, indem sie ihr eine Geschichte erzählte . . .

Trotz vieler interessanter Aspekte und einem sehr gut recherchierten Thema konnte mich das Buch nicht wirklich überzeugen. Ich braucht lange bis ich es zu Ende gelesen hatte, da ich es oft aus der Hand gelegt habe, da es mich nicht wirklich fesseln konnte.

Fazit:

“Das lange Lied eines Lebens” ist eine  interessante Geschichte. Mir zeigte die Protagonistin aber zu wenig Emotionen und die direkte Ansprache des Leser empfand ich als störend.

Rating: 3 out of 5 stars
 

Die Autorin:

Andrea Levy wurde 1956 als Kind jamaikanischer Einwanderer in London geboren, wo sie heute noch lebt. Ihr Roman Eine englische Art von Glück (2004) wurde ein Millionenbestseller, mit einer Vielzahl von Preisen ausgezeichnet und von der BBC erfolgreich verfilmt. Ihr neuester Roman Das lange Lied eines Lebens stand wieder wochenlang auf der britischen Bestsellerliste und war nominiert für den Booker-Preis 2010, den bedeutendsten Preis für englischsprachige Literatur.

Infos zum Buch:

  • Titel: Das lange Lied eines Lebens
  • Originaltitel: The Long Song
  • Genre: Gegenwartsliteratur, historischer Roman
  • Verlag: Deutsche Verlags-Anstalt (8. März 2011)
  • ISBN: 978-3421044839
  • Seiten: 368