André Gorz – Brief an D. ; Geschichte einer Liebe

Von Favola

Als ich im 2008 meine Grundausbildung zur Bibliothekarin machte, haben ganz viel von diesem so wunderbar schönen, kleinen Büchlein geschwärmt. Als ich dann in einer Mittagspause “per Zufall” im Rösslitor war, lief ich grad an dieses kleine Büchlein und konnte natürlich nicht wiederstehen. Und obwohl es so dünn ist, stand es doch bis vor einer Woche ungelesen in meinem Regal. Durch Crinis monthly theme habe ich nun die Gelegenheit genutzt und es da auf meine September-Leseliste gepackt  -  als etwas Altes.

Inhalt:

58 Jahre war André Gorz mit seiner Drau Dorine verheiratet, bevor er sich zusammen mit seiner schwer kranken Frau das Leben nahm.  Kurz davor hat er noch “Brief an D. ; Geschichte einer Liebe” veröffentlicht. Es ist ein autobiographisches Werk, das Gorz als Korrektur seines früheren Buches “Der Verräter” sieht. Er möchte damit das schlecht Licht, das er in “Der Verräter” auf seine Frau geworfen hat, revidieren und aufschrieben, wie wichtig ihm ihre Liebe, wie wichtig sie ihm war.

Du wirst zweiundachtzig. Du bist sechs Zentimeter kleiner geworden, du wiegst
nur noch fünfundvierzig Kilo, und immer noch bist du schön, graziös und
begehrenswert. Seit achtundfünfzig Jahren leben wir nun zusammen, und ich liebe
dich mehr denn je. Wieder trage ich eine verzehrende Leere in meiner Brust, die
einzig die Wärme deines Körpers an dem meinen auszufüllen vermag.

Meine Meinung:

Zum Teil hat es wirklich schöne Stellen und schöne Sätze in diesem Büchlein, aber für mich war es weniger eine Liebeserklärung als eine Art Ode an seine Frau. Oft fand ich das Geschriebene zu egozentrisch. André Gorz erzählt zwar oft von seiner Frau und man erfährt in einem kurzen Abriss einiges aus ihrer Bezieheung, doch immer wieder driftet er zu sich selbst und zu seinen Werken ab.

Das Kapitel sollte die wichtigeste Wende meines Lebens deutlich machen. Es sollte zeigen, wie meine Liebe zu Dir, mehr noch: Die Entdeckung der Liebe mit Dir, mich endlich dazu geführt hat, existieren zu wollen . . . .

. . . . Was motiviert mir denn in diesem Kapitel, wie im Übrigen im ganzen Buch? Warum nur spreche ich von Dir mit einer Art Herablassung? Warum nur wirst Du auf dem geringen Raum, den ich Dir darin zubillige, so entstellt, so gedemütigt?

Das Buch “Brief an D.” ist in der Du-Form geschrieben und richtet sich direkt an André Gorz`Frau Dorine. Da es sich um einen Brief handelt kommen recht viele Personen aus ihrem Freundeskreis vor, die ich vielleicht hätte kennen sollen, damit ich den ganzen Text verstehe.  Die Namen von Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir sagten mir ja noch etwas, aber zehn Seiten Personenverzeichnig für 84 Seiten Text, finde ich etwas zu viel.

Vor allem in der Mitte des Büchlein kommen sehr viele Personen und Werke von André Gorz und Bekannten von ihm vor. Das fand ich recht mühsam zu lesen.

Da ich mir vorgenommen habe, dieses Büchlein im September zu lesen und da es ja “nur” 84 Seiten umfasst, habe ich mich dazu motiviert, es auch wirklich fertig zu lesen. Doch es waren für mich lange 84 Seiten. Es war mir zu politisch, zum Teil zu theoretisch, der Mann war mir zu egoistisch und mit der Sprache konnte ich mich auch nicht recht anfreunden.

Ich staune über die vielen Top-Bewertungen in allen Online-Shops . . . vielleicht habe ich es auch einfach zu einem falschen Zeitpunkt gelesen, denn nach zwei rasanten Jugendbüchern, war das bestimmt eine 180°-Wende in Sachen Literatur. Wer weiss, villeicht kannte ich einfach die Person André Gorz zu wenig und hätte mich im Vorfeld etwas mehr informieren müssen . . .

Fazit:

“Brief an D. ” ist ein autobiographischer Abriss einer Liebesbeziehung, in dem man zum Teil sehr schöne Sätze findet. Grösstenteils musste ich aber mit mir kämpfen, dass ich das Buch auch wirklich fertig las.

Rating: 2 out of 5 stars

Der Autor:

André Gorz (1923–2007), eigentlich Gerhard Horst, geboren in Wien als Kind einer jüdisch-katholischen Familie, verbrachte die Kriegsjahre als Flüchtling in einem
Schweizer Internat und ließ sich nach Kriegsende in Paris nieder. Er arbeitete mit Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir bei der Zeitschrift Les Temps modernes, war Redaktor bei L’Express, später bei der Wochenzeitung Le Nouvel Observateur, die er 1964 zusammen mit Jean Daniel gegründet hatte.
In seinen Buchpublikationen profiliert sich Gorz als Theoretiker der Arbeiterselbstverwaltung und der politischen Ökologie. Zentrale Themen sind die Frage der Arbeit – Befreiung von der Arbeit, gerechte Verteilung der Arbeit, Entfremdung in der Arbeit – und der Wissensökonomie. Heute gilt er als einer der bedeutendsten Theoretiker der Linken und als Vordenker der ökologischen Bewegung.
1958 erschien die Autobiografie Der Verräter (dt. 1980, Neuausgabe 2008), zu der Sartre das Vorwort geschrieben hatte. Dort kommt bereits seine Frau Dorine unter dem Namen Kay vor. An sie ist der Brief an D. gerichtet. Kurz vor Drucklegung der zweiten Auflage, am 22. September 2007, hat sich André Gorz zusammen mit seiner schwerkranken Frau das Leben genommen.   (Quelle)

Infos zum Buch:

  • Titel: Brief an D.
  • Untertitel: Geschichte einer Liebe
  • Originaltitel: Lettre a D. Histoire d`un amour
  • Genre: Memoiren, Autobiographie, Liebe
  • Verlag: Rotpunktverlag
  • Veröffentlichung: 2007 (deutsche Ausgabe)
  • ISBN: 978-3-85869-353-2
  • Seiten: 98