Ancient-DNA-Forschung und Physische Anthropologie gegenüber gestellt

Wie nehmen sich die Forschungsergebnisse der bisherigen Physischen Anthropologie aus vor den jüngsten Ergebnissen aus der ancient-DNA-Forschung?

In Deutschland ist die traditionell arbeitende Physische Anthropologie (früher auch "Rassenkunde") im Wesentlichen aus der sogenannten "Mainzer Schule" um die deutsche Anthropologin Ilse Schwidetzky (1907-1997) ( Wiki) hervorgegangen. Wie in früheren Beiträgen hier auf dem Blog gezeigt (5, 6), schält sich derzeit durch die rasanten Fortschritte in der ancient-DNA-Forschung ein ganz neues und nun sicheres und definitives Bild vom Werden der europäischen Völker heraus. Und damit kann man jetzt zu einer einigermaßen abschließenden Bewertung dessen kommen, was die traditonell arbeitende Physische Anthropologie in Deutschland geleistet hat, was von ihren Ergebnissen bestätigt wurde, in welchen Bereichen ihre Ergebnisse nun auf wesentlich solideren Füßen stehen, in welchen Bereichen ihre Ergebnisse deutlich korrigiert werden müssen und in welchen Bereichen die Ergebnisse der physischen Anthropologie die Ergebnisse der ancient-DNA-Forschung ergänzen. Darüber sollen im folgenden Beitrag einige erste wesentlichere Anhaltspunkte zusammen getragen werden anhand einiger weniger repräsentativerer Darstellungen der Physischen Anthropologie der letzten Jahrzehnte (1-4).

Zunächst einmal ist natürlich zu sagen: Gegenwärtig beantwortet die ancient-DNA-Forschung all jene Fragen, die die Physischen Anthropologen viele Jahrzehnte lang mühsam anhand weniger, spärlicher Daten zu beantworten suchte, geradezu "im Fluge" und dann auch gleich noch viel vollständiger, umfassender und definitiver. Die gegenwärtige Entwicklung ist so typisch für viele Phasen der Wissenschaftsgeschichte: Jahrzehnte lang sind Erkenntnisse unglaublich stark "umstritten", werden gar "tabuisiert" und dann "über Nacht" ist der ganze Erkenntnisbereich selbstverständlichstes Grundlagenwissen der Evolutionären Anthropologie und Humangenetik. Diese rasante Entwicklung erleben wir gerade. Und es muß fast nirgendwo mehr "Überzeugungsarbeit" geleistet werden.

Aber schauen wir uns jetzt einmal an, was da an mühsamer Arbeit Jahrzehnte lang von den Physischen Anthropologen geleistet wurde.

Zur Herkunft der Bandkeramiker


1979 schrieb Ilse Schwidetzky zur Herkunft der frühesten europäischen Bauern, der Bandkeramiker (1, S. 49, 51; Hervorhebung nicht im Original):

Nachdem schon Heberer (1939) die mitteldeutschen Bandkeramiker als im Kern mediterranid klassifiziert hatte, wies vor allem Gebhardt (1953, 1978) auf die auffällige Grazilität einiger bandkeramischer Skelette hin. Er nimmt daher Zuwanderung einer neuen Bevölkerung an, die sich auch anthropologisch deutlich von der mesolithischen Vorbevölkerung absetzt. Aber die Variationsbreite innerhalb der Bevölkerung des donauländischen Kulturkreises ist offenbar groß. Es treten daneben auch unter den deutschen Funden mehr oder minder knochenrobuste Individuen auf, die sich gut an die älteren Bevölkerungen Mitteleuropas anschließen lassen.

Hätte sie einmal hiermit ihre Ausführungen abgeschlossen! Aber man sieht, wie unsicher die Physische Anthropologie zu jenem Zeitpunkt noch war, schreibt sie doch weiter:

Und nach statistischen Vergleichen schließen sich die mitteldeutschen Bandkeramiker nicht so eng an südosteuropäische Bevölkerungen des Donauländischen Kulturkreises an und unterscheiden sich andererseits nicht so deutlich von späteren neolithischen Bevölkerungen, daß zwingend mit der Kulturausbreitung auch ein Bevölkerungswechsel angenommen werden müßte (Bernhard 1978).

Diese Aussage hat sich durch ancient DNA nicht bewahrheitet. Im abschließenden Satz weicht Schwidetzky dann sogar noch deutlicher von der heute als gültig erkannten Grundeinsicht von 1939 und 1953/1978 ab (1, S. 51f):

Was in den spärlichen Gräberfunden anthropologisch greifbar wird, wäre dann das Ergebnis von kulturellen und bevölkerungsbiologischen Assimilationsprozessen, bei denen die Eingewanderten die Kulturentwicklung prägten, im Genpool der Bevölkerung aber nur durch relativ wenige Erblinien vertreten sind.

Nun, das sehen wir heute mit den Ergebnissen der ancientDNA-Forschung deutlich anders. Diese bestätigt viel eher die genannten Forschungsergebnisse von Heberer und Gebhardt. Der Schwidetzky-Schüler Andreas Vonderach hielt dazu 2008 geradezu in "weiser Voraussicht" fest (4):

Schwer wiegt, daß der erfahrene Diagnostiker Kurt Gerhardt, der nicht nur metrisch-statistisch arbeitete, sondern auch feine Form- und Stileigentümlichkeiten genau beobachtete, den Leittypus der Bandkeramik auf Einwanderung zurückführte.

Vonderach spricht sich mit diesen Worten in dieser Frage entschiedener für die Einwanderung der Bandkeramiker aus als das seine Lehrerin Ilse Schwidetzky getan hatte.

Zur Herkunft der mittelneolithischen Kulturen (Rössen, Michelsberg, Trichterbecher etc.)

Schwidetzky sagte zur nachfolgenden Rössener Kultur (mit ihren im Grundriß trapezoidförmigen Langhäusern), sie würde - wie die Bandkeramik - eine größere anthropologische Vielfalt aufzeigen und derselben verwandtschaftlich auch relativ nahe stehen. Das hat sich mit ancient DNA bestätigt.

Zu der anthropologischen Stellung der Trichterbecherleute macht Schwidetzky zunächst keine Aussage. Interessant ist aber, daß sie zu der vorhergenden Rössener Kultur auch noch sagt (1, S. 52):

Allerdings ergeben sich auch einige Beziehungen zu Bevölkerungen der Trichterbecherkultur.

Auch das ist seit März dieses Jahres durch die ancient-DNA-Forschung bestätigt.

Interessant ist weiterhin, daß sie für die Menschen der hessischen Steinkistengräber des 3. Jahrtausends ebenso eine neuerliche "Mesolithisierung" sieht, wie sich das derzeit auch in der ancient-DNA-Forschung andeutet. Und hierbei werden nun auch die Trichterbecherleute genauer eingeordnet (1, S. 57):

Typologisch wurde bei den Steinkistenfunden ebenso wie für die Funde der Trichterbecherkultur immer wieder eine starke Annäherung an den Cromagnontypus festgestellt. Für die Träger der Michelsberger Kultur stellte Knussmann (1978) heraus, daß sie im Vergleich mit den älteren Rössenern keineswegs evoluiertere Formen zeigen, sondern sich eher einem derberen, archaischen Typus nähern.

Es wird also deutlich, daß die traditionelle Physische Anthropologie schon vieles von dem recht gut voraus "ahnte", was sich heute als sicheres Wissen herausstellt, daß sie aber selten definitive Aussagen zu irgendeinem Sachverhalt und Herkunftszusammenhang machen konnte so wie das heute mit der ancient-DNA-Forschung möglich ist. Außerdem konnte sie aufgrund des unsicheren Wissensstandes gerne auch einmal eklatanter daneben greifen wie sich schon bei manchen Urteilen andeutete und wie wir gleich noch deutlicher sehen werden. Das ist alles sehr spannend und interessant zu beobachten zumal für jemanden wie den Autor dieser Zeilen, der mit Andreas Vonderach seit seiner Mainzer Studienzeit im Austausch über all diese Dinge gestanden hat und sich schon vor vielen Jahren über all das viele Gedanken gemacht hatte!

Zur Herkunft der Schnurkeramiker/Indogermanen

Über die Schnurkeramiker schreibt Ilse Schwidetzky nun (1, S. 53):

Die Schnurkeramiker heben sich von den übrigen neolithischen und äneolithischen Bevölkerungen Deutschlands vor allem durch den langen, hohen und schmalen Hirnschädel bei kräftigem Knochenrelief ab. In diesen Merkmalen unterscheiden sich die älteren Schnurkeramiker noch deutlicher von den früheren Bevölkerungen Mitteldeutschlands, etwa den Trägern der Bandkeramik und Rössener Kultur.

Sie nimmt also wie die ancient-DNA-Forschung eine Bevölkerungszuwanderung an. Die jüngere Schnurkeramik würde aber ein Bild der Vermischung mit der Vorbevölkerung aufzeigen. Die Herkunft der Schnurkeramiker aus Südrußland diskutiert sie nun zwar, sie will sich aber nicht abschließend auf diese festlegen. Ihr Schüler Andreas Vonderach hingegen wies eine Herkunft aus der Ukraine 2008 (4) sogar noch entschiedener zurück als seine Lehrerin Schwidetzky. Hier sind wir mit der ancient-DNA-Forschung nun gewaltige Schritte weiter. Daß die Glockenbecher-Leute genetisch Indogermanen sind so wie die Schnurkeramiker, hat die traditionelle Physische Anthropologie so nun offenbar gar nicht gesehen (übrigens auch nicht die Archäologie). Sie wies ihnen eine anthropologische Sonderform zu, den sogenannten "planoccipetalen Steilkopf", der sich allerdings auch in Südrußland finden würde. Ob die ancient-DNA-Forschung noch subtilere genetische Unterschiede zwischen Schnurkeramikern und Glockenbechern finden wird, die diese Unterscheidung der traditionellen Anthropologie bestätigen würde, wird die Zukunft zeigen. Festzuhalten ist: Die enge genetische Verwandtschaft zwischen Schnurkeramikern und Glockenbecherleuten hat die traditionelle Anthropologie nicht erkannt.

Andreas Vonderach hielt aber 2008 auch noch folgende interessante Beobachtung über die Ukraine fest, die unter dem Wissen, daß dort tatsächlich die Indogermanen entstanden sind, eine ganz neue Bedeutung bekommt (4):

In der Ukraine zeigt sich mit der wahrscheinlich aus östlicheren Gebieten eingewanderten Kurgan-Bevölkerung ein völliger Bruch zur Vorbevölkerung der Dnepr-Donez-Kultur, die durch extreme Größenmaße und Robustizität, lange Schädel, breite Gesichter und Nasen und noch niedrigere Orbitae (Augenhöhlen) charakterisiert war. Der extreme, eher jungpaläolithische oder mesolithisch anmutende Typus der Dnepr-Donez-Kultur verschwindet gegen Ende des Neolithikums ohne erkennbare Spuren zu hinterlassen.

Die hier genannte Dnjepr-Donez-Kultur ( Wiki) (5.000-4.200 v. Ztr.) wird von der östlicheren Yamna-Kultur ( Wiki) (4.000-2.300 v. Ztr.) abgelöst, die heute allgemein den Indogermanen zugesprochen wird, und die aus der Samara-Kultur (5.200-4.400 v. Ztr.) ( Wiki) an der mittleren Wolga und der parallelen Khvalynsk-Kultur (5.000-4.500 v. Ztr.) ( Wiki) hervorgegangen ist. (Die frühe Yamna-Keramik läßt sich von der späten Khavalynsk-Keramik kaum unterscheiden.) Das westliche Drittel ihres Verbreitungsgebietes befindet sich nun auf dem Gebiet der vorhergehenden Dnjepr-Donez-Kultur. Bei der Entstehung der Indogermanen hat also auch schon ein Grazilisierungsprozeß stattgefunden, der durch Zuwanderung von Bevölkerung aus südlicheren Regionen (Pakistan, Iran, Kaukasus oder Levanteraum) zustande gekommen sein wird.

Die berühmte Aunjetitzer Kultur Mitteldeutschlands (aus der die Himmelsscheibe von Nebra hervorgegangen ist) schließt anthropologisch an die Schnurkeramik an (1, S. 58).

Interessant dürfte weiterhin sein, daß Ilse Schwidetzky mit ihrer These von der Grazilisierung im Knochbau seit dem Neolithikum bis heute und ebenso mit ihrer These von der "Brachykephalisation" in Süddeutschland - also der Erscheinung, daß dort die Gesichter über die Jahrhunderte hin breiter werden als vormals - einiges von dem vorweg nimmt, was sich ebenfalls durch die ancient-DNA-Forschung andeutet, nämlich daß sich - nachdem sich das bis heute forbestehende Substrat der mittel- und nordeuropäischen Bevölkerungen am Beginn der Bronzezeit mit der Zuwanderung der Indogermanen gebildet hatte -, dennoch noch viel weitere Selektion stattgefunden haben kann. Sie wird sich keineswegs nur auf diese beiden Phänomene beschränken, viel mehr werden wir sicher künftig hier noch bezüglich vieler anderer Eigenschaften interessante Einsichten erlangen.

Zunächst einmal ein Zwischenergebnis zu einigen behandelten Fragen hinsichtlich der Herkunft der europäischen Völker:

  1. Die mediterrane Herkunft der Bandkeramiker wurde eigentlich schon ab 1939 von der Physischen Anthropologie ganz richtig erkannt, es zeigen sich in der Beurteilung derselben aber auch große Unsicherheiten, zumal bei späteren Bearbeitern (bei Schwidetzky ebenso wie bei Bernhardt).
  2. Daß die mittelneolithischen Kulturen in der Bandkeramik wurzeln, wurde im wesentlichen schon richtig erkannt.
  3. Die Herkunft der Schnurkeramiker und Glockenbecherleute (außerhalb Spaniens) aus dem Nordschwarzmeer-Raum wurde gerade erst in den letzten Jahrzehnten von Ilse Schwidetzky und auch von Andreas Vonderach sehr entschieden verworfen, obwohl sie nun durch die ancient-DNA-Forschung bestens gesichert ist.
Auffällig erscheint, daß die "multivariate statistische Methode" in Bezug auf Schädelmaße, auf die sich die Mainzer Schule etwa seit den 1980er Jahren so viel zu Gute gehalten hat, zur Frage der Entstehung der europäischen Völker in zwei Fällen (Bandkeramiker und Schnurkeramiker) eher eklantantere Fehleinschätzungen mit sich brachte, als daß sie die bis dahin vorhandene Sicherheit in der richtigen Beurteilung erhöht hätte. (Dies ist zwar ein laienhafter Eindruck des Autors dieser Zeilen, aber man würde gerne etwas aus der Schüler- und Enkelgeneration von Ilse Schwidetzky zu diesem Eindruck hören. Womöglich aber wäre das sowieso eine veraltete Forschungsdiskussion, denn diese Methode wird wohl kaum noch künftig angewandt, nachdem alles durch ancient DNA so viel besser geklärt werden kann.)

Zur Herkunft der Völker des Vorderen Orients


Unter diesen Umständen ist es nun auch interessant, was der Schwidetzky-Schüler Wolfram Bernhard (bei dem ich selbst 1994/95 studiert habe) zu den entsprechenden Herkunftsverhältnissen im Vorderen Orient und im Levanteraum sagt. Er unterscheidet einleitend zwei Haupttypen (2, S. 16), nämlich den "mediterranen Typus", von dem wir schon bei Ilse Schwidetzky hörten, und der den Ackerbau auch nach Mitteleuropa (5.500 v. Ztr.) und nach Skandinavien (4.100 v. Ztr.) brachte. Diesem Typus stellt er gegenüber einen "eurafrikanischen Typus". Letzterer, so schreibt Bernhardt,

wird meist als robustere Variante des klassischen Mediterranen aufgefaßt. Er ist gekennzeichnet durch größere absolute Schädelmaße, eine derbere Knochenstruktur und insgesamt stärker hervortretende gerontomorphe Züge, eine größere Körperhöhe und eine stärkere Robustizität des postkranialen Skeletts.

("Gerontomorphe Züge" werden "pädomorphen Zügen" gegenüber gestellt und es soll damit gesagt sein, daß manche anthropologische Typen eher weiche, kindliche Merkmale beibehalten, während andere Typen ausgeprägtere, kantigere, knochigere Erwachsenen-Merkmale aufzeigen.)

Es dürfte nun sehr naheliegend sein, daß die heutigen Türken weniger dem mediterranen Typus als dem eurafrikanischen Typus zugehören werden (der auch "afghanischer" oder "proto-iranischer" Typ genannt wird), jenem Typus, der auch als erster in der Weltgeschichte ab 12.000 v. Ztr. in der Südtürkei und später auch im Zagros-Gebirge im Iran den Übergang zum Ackerbau vollzogen hat (die rechte "Milchstraße" in der Grafik der, auf die sich die beiden früheren Beiträge [5, 6] bezogen). Etwa ab 6.500 v. Ztr. breitete sich der Ackerbau rund um das Mittelmeer aus und schon diese Ausbreitungsbewegung dürfte wohl vorwiegend von dem mediterranen Typus getragen gewesen sein.

Die Natufier (vorbäuerliche Erntevölker) im Levanteraum zeigen nach Bernhard das anthropologische Bild von kleinwüchsigen, breitgesichtigen Menschen mit einer gewissen Robustizität (2, S. 30). Sie weisen also weniger in Richtung des mediterranen Typus.

Dann berichtet Bernhard interessanterweise über die Reste von vier Individuen von der Südküste des Kaspischen Meeres aus der Zeit um 7.400 v. Ztr. (gefunden in der Hotu-Höhle). Immerhin haben wir es hier mit jener mesolithischen Bevölkerungsgruppe zu tun, die nicht weit von der Ursprungsregion der Indogermanen lebte. Es dürfte sich um Angehörige der von uns schon angesprochenen (5) Kelteminar-Kultur handeln, die die Keramik, Hirse und Hausmaus von Osten nach Westen zu den Proto-Indogermanen weitergegeben haben könnten. Bernhard sagt zu diesen jedenfalls (2, S. 31):

Sie sind groß und massiv, Gesicht und Orbitae sind relativ niedrig und verleihen in Verbindung mit dem breiten Unterkiefer dem Schädel ein cromagnides Aussehen.

Nach einer von Bernhard durchgeführten multivariaten statistischen Analyse sollen die Natufier des Levanteraumes zeitgleichen mesolithischen Mitteleuropäern nahe stehen. Hier zeigt sich - wie oben schon - daß diese multivariate statistische Analyse, wenn sie nun mit ancient-DNA-Daten auf ihre Werthaftigkeit überprüft werden kann, sich womöglich als weitaus weniger treffsicher herausstellt, als die Analysen der Forschergeneration davor. Auch dieses Ergebnis hat sich ja nun keineswegs bewahrheitet!

Eine von uns schon erwähnte (6) ungeklärte Frage ist ja auch noch, wann der frühest-bäuerliche, eher mediterrane Typus in Kleinasien (der sich ab 6.500 v. Ztr. ausbreitete), abgelöst wurde durch den heute in der Türkei vorherrschenden Kurzkopf-Typus, über den Bernhard berichtet. Bernhard schreibt dazu (2, S. 134):

Die in der vorliegenden Untersuchung erstmals vorgenommene statistische Analyse sämtlicher verfügbarer Daten aus Kleinasien spricht für die Annahme einiger Autoren, wonach die Zunahme der Kurzköpfigkeit in Anatolien (...) mit der Einwanderung und Verbreitung der Hethiter in Zusammenhang steht.

Die Hethiter waren doch aber Indogermanen, die hinwiederum langköpfig gewesen sein sollen. Nun, diesen Dingen können wir hier einstweilen nicht in extenso nachgehen. Auch soll sich in der Eisenzeit mit der Zuwanderung der Seevölker erneut Langköpfigkeit in Kleinasien ausgebreitet haben (2, S. 135). Auch hier werden sicherlich in Bälde anient-DNA-Forschungsergebnisse definitivere Aussagen machen. Aber es kann natürlich sein, daß durch die Zuwanderung neuer Oberschichten (die spätestens am Ende der Spätantike im Mittelmeerraum ausstarben), sich auch für jene Unterschichten neue Selektionsregime ergeben haben, deren Nachkommen heute noch in dieser Region leben. All das muß einstweilen noch als ungeklärt gelten.

Als Eindruck insgesamt darf festgehalten werden: Viele Einsichten der tradtionellen Anthropologie haben sich bestätigt, einige stellen sich als eklatante Fehlbeurteilungen heraus. Wie schön, daß es heute die ancient-DNA-Forschung gibt. Man kann einmal wie Ulrich von Hutten in seinem Brief an Wilibald Pirckheimer ausrufen: „O Jahrhundert! O Wissenschaften! Es ist eine Lust zu leben, wenn man sich auch noch nicht ausruhen darf, mein Willibald!"

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  1. Schwidetzky, Ilse: Rassengeschichte von Deutschland. In: diess. (Hg.): Rassengeschichte der Menschheit, Bd. V: Europa. R. Oldenbourg Verlag, München, Wien 1979, S. 45-101
  2. Bernhard, Wolfram: Anthropologie von Südwestasien. In: Schwidetzky, I. (Hg.): Rassengeschichte der Menschheit, Bd. IV: Südwestasien. R. Oldenbourg Verlag, München 1993
  3. Bernhard, Wolfram; Palsson-Kandler, Anneliese (Hrsg.): Ethnogenese europäischer Völker. Aus der Sicht der Anthropologie und Vor- und Frühgeschichte. Ilse Schwidetzky zum 75. Geburtstag gewidmet. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, New York 1986
  4. Vonderach, Andreas: Anthropologie Europas. Völker, Typen und Gene vom Neandertaler bis zur Gegenwart. Ares-Verlag, Graz 2008
  5. Bading, Ingo: Neue Forschungen zur Entstehung der Indogermanen Wie entstanden die modernen europäischen Völker? Auf: Studium generale, 2.7.2017, http://studgendeutsch.blogspot.de/2017/07/neue-forschungen-zur-entstehung-der.html
  6. Bading, Ingo: Was macht uns Europäer genetisch so einzigartig? Die ancient-DNA-Forschung entwirft ein völlig neues und unerwartetes Bild vom Werden der europäischen Völker. Auf: Studium generale, 10.7.2017, http://studgendeutsch.blogspot.de/2017/07/die-trichterbecher-leute-standen.html

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