Analyse zur Landtagswahl im Saarland

Von Stefan Sasse
Die erste der Landtagswahlen 2012, die nie hätten stattfinden (Saarland, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein) sollen ist vorüber. Die Ergebnisse sind gleichzeitig überraschend und erwartet. Erwartet war die Tendenz, überraschend ist die Deutlichkeit, mit einer Ausnahme. Sehen wir sie uns Stück für Stück an. Die CDU hat ihre Position mit nur 0,1% Verlust behauptet und bleibt stärkste Partei. Annegret Kramp-Karrenbauer bleibt damit Ministerpräsidentin, denn CDU und SPD hatten sich bereits vorher auf eine Große Koalition festgelegt. Die SPD hat 5,6% gewonnen, die LINKE 4,9% verloren - gut möglich, dass die Wählerwanderung zwischen diesen beiden Parteien stattfand. Die SPD ist damit immer noch mehr als 3% von der CDU entfernt, was reichlich viel dafür ist, dass man ihr eigentlich ein hartes Kopf-an-Kopf-Rennen prophezeit hat. Die LINKE hat etwas über 16%, was vermutlich auch einem gewissen Lafontaine-Effekt geschuldet sein dürfte - vielleicht zum letzten Mal, wenn der Landtag die vorgesehenen fünf Jahre hält, bedenkt man das Alter Lafontaines. Die FDP ist brutal abgestürzt, verlor über siebeneinhalb Prozent und liegt jetzt bei stark anderthalb - so deutlich dürfte sie noch aus keinem Landtag geflogen sein. Die Grünen haben gute Chancen, extrem knapp drin zu bleiben, sie liegen derzeit um 5%. Sehr deutlich in den Landtag eingezogen und damit viertstärkste Kraft sind die Piraten, die über siebeneinhalb Prozent geschafft haben. Soweit die Zahlen (alle SZ). Was aber bedeuten sie?
Da ist zum Einen das direkte Ergebnis. Die CDU stellt weiter den Ministerpräsidenten und wird künftig wohl mit der SPD regieren. Von der ist ein Ausscheren aus den Vor-Wahl-Aussagen in Richtung Rot-Rot-Grün, gelinde gesagt, unwahrscheinlich. Das schwache Abschneiden der LINKEn im Vergleich zur letzten Wahl und der relative Zugewinn der SPD entsprechen dem Bundestrend. Die LINKE im Saarland kann sich auf Lafontaines Popularität stützen, und der alte Mann der Partei hat dieselbe wohl recht fest im Griff. Eigentlich würde das eine Koalition im Vergleich zu anderen Bundesländern wie Hessen oder NRW ja durchaus befürworten, aber die SPD hat sich auf ihre Rolle als Wurmfortsatz der CDU eingeschossen, und die Grünen im Saarland sind...anders. Hier haben wir auch die Überraschung des Abends: warum um alles in der Welt haben die Grünen das Jamaika-Debakel derart gut überstunden? Es ist wohl anzunehmen, dass eine Mehrheit der Grünen-Wähler von 2009 die Orientierung der Partei hin zu CDU und FDP entgegen der Lafontaine-Rhetorik ("Wer grün wählt, wird sich schwarz ärgern") grundsätzlich befürwortete. Dies kann als Indiz für eine stärkere Orientierung hin zum "bürgerlichen Lager" gelten.
Der wohl interessanteste Aspekt des Abends aber ist der triumphale Einzug der Piraten in den Saarländer Landtag, der mit 7,6% überraschend deutlich ausfiel und fast aufs Prozent genau den Verlusten der FDP entspricht. Eine exakte Übereinstimmung liegt hier natürlich nicht vor; 25% aller Erstwähler etwa wählten die Piraten. Vermutlich verweigerte sich ein substantieller Anteil von 2009-FDP-Wählern gänzlich der Urne, ähnlich der SPD bei der Bundestagswahl 2009. Trotzdem spricht der Erfolg der Piraten vor allem für eine These: dass es in Deutschland ein starkes Potenzial für eine liberale Partei gibt, das von der FDP nicht auch nur ansatzweise ausgefüllt werden konnte, und dass dieses Potenzial auch von einer linksliberaleren Partei abgeschöpft werden kann. Gleichzeitig spricht es auch dafür, dass der neue Politikstil der Piraten mit ihrer Basisdemokratie und Transparenz deutlichen Zuspruch findet.
Eine Koalitionsoption ergibt sich aus diesem Erfolg der Piraten natürlich erst einmal nicht - die Partei ist derzeit, das hat der NRW-Parteitag an diesem Wochenende zur Genüge bewiesen, noch eine einzige, große Wundertüte. Niemand weiß, wie die Piraten in einem Parlament tatsächlich arbeiten werden (können), am Allerwenigsten die Piraten selbst. Es ist aber gut möglich, dass sich bei einer dauerhaften Etablierung der Partei und einer Marginalisierung der FDP Optionen für die Zeit nach 2016/17 ergeben. Im Augenblick ist das noch Zukunftsmusik. Deutlich geworden ist aber das Bedürfnis nach Stabilität auf Seiten einer Mehrheit (nämlich der SPD- und CDU-Wähler) und der Bedürfnis nach Wandel bei einer Minderheit (den Piraten-Fans). Was aus der LINKEn und der FDP wird, bleibt derzeit völlig offen. Sie könnten sich auf niedrigerem Niveau stabilisieren (was besonders für die LINKE wahrscheinlich sein dürfte) oder gänzlich verschwinden (was derzeit die FDP bedroht, obgleich diese in ihrer Geschichte schon öfter in solchen Situationen war und deswegen nicht zu früh für tot erklärt werden sollte). So oder so bleibt es spannend, so viel ist sicher.


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