Auf dem Weg Richtung Mocoa passierten wir ungewöhnlich viele Militärpunkte. Es standen sogar gepanzerte Fahrzeuge mit in den Osten gerichteten Kanonen am Straßenrand. Kurz hinter Mocoa mussten alle aussteigen. Diesmal wurden jedoch nur die Einheimischen durchsucht. Das Militär verlangte unsere Pässe. Kurze Zeit später rief mich ein Soldat zu sich. Er zeigte auf mein abgelaufenes Visum. Ich nahm mein Reisepass, blätterte eine Seite vor und zeigte auf die Verlängerung. Der Soldat nahm mein Reisepass. Er zeigte auf das obige Datum und gestikulierte „Morgen! Morgen!“. Ich war irritiert. Dann verstand ich. Ich zeigte auf das untere Datum. Er schaute lange. Dann gab er mir mein Pass zurück.
Das obige Datum war das Ausstellungsdatum, das Untere die Frist. Das obige Datum war der 3. November 2010. Die Kontrolle war am 2. Dezember. Eine Mitreisende fragte mich später, ob ich das mitbekommen hätte. Ich wusste nicht was sie meinte. Sie antwortete „Der Junge hat Buchstaben für Buchstaben lesen müssen. Ich hab seine Lippen gesehen.“
Wir fuhren weiter. Vor mir saß eine kleiner Junge. Sein Arm ragte aus dem Fenster. In seiner Hand hielt er eine aus Knete geformte Pistole. Er schoss auf Passanten.
Wir befanden uns über den Wolken. Dunkle Narben wanden sich durch dichtbewachsene Berge. Ich schaute raus, presste meine Stirn an das kalte Glas, schielte nach unten und sah nur vom Nebel verschlungene Täler und herausragende Baumkronen. Vor Furten hielt der Bus immer noch einmal. An manchen Kurven musste der Kollege des Busfahrers aussteigen und dirigieren.
Seine Mutter riss ihm plötzlich die blau-weiß gestreifte Plastiktüte aus der Hand und warf sie aus dem Fenster, hinaus in die bizarre Landschaft. Der Wind spielte noch ein wenig mit ihr, lies sie dann aber gelangweilt auf der Straße liegen. Der Kleine schaute seine Mutter verwundert an – mit großen Augen und offenem Mund.
Es lief eine Musik-CD in Dauerschleife. Es wurden abwechselnd kolumbianische Folklore und Dance-Musik aus den 90ern gespielt. Darunter so namhafte Vertreter wie Dr. Alban, Ace of Base und Real McCoy. Nach drei Stunden gaben die Batterien meines MP3-Players auf. Geschmack und Intelligenz hängen zusammen.