An der grünen Grenze

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Der Maierhöfen-Trilogie letzter Teil: das anhaltend sommerliche Wetter des diesjährigen Herbstes gäbe vortrefflich Anlass zu einem Beitrag über den Klimawandel. Von meiner Warte im Westallgäu scheint mir ein anderes Thema aber naheliegender.

Sonntag, der 1. November 2015.
Im katholisch geprägten Bayern – in meiner oberbayerischen Heimat wie in meinem Allgäuer Feriendomizil – wird heute das Fest Allerheiligen begangen.

Grenzstein und Zaun im Niemandsland zwischen Bayern und Baden-Württemberg.Grenzstein und Zaun im Niemandsland zwischen Bayern und Baden-Württemberg.

Über dem Alpenvorland erstreckt sich wolkenlos blauer Himmel. Die strahlende Sonne wäre passender, das farbenfrohe Volksfest des mexikanischen „Día de Muertos“ auszuleuchten, als die von bedrückenden Blechbläsern begleitete Allerheiligenprozession über einen bayerischen Friedhof.
Fern der Heimat bleibt mir der oft als „Grabralley“ verspottete Gang dieses Jahr erspart. Den Schweiß derer, die angesichts des fortgeschrittenen Jahres im schweren Lodenmantel über den Friedhof paradieren, kann ich dennoch förmlich auf der Haut spüren.

Der 1. November 2015 markiert auch den Ablauf des Ultimatums von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer an Angela Merkel. Unter dem Eindruck täglich tausender illegaler Grenzgänger verlangt Seehofer von der Bundeskanzlerin das Schliessen der bayerisch-österreichischen Grenze. Über die Folgen eines Verstreichens der Frist wird viel spekuliert. Marschiert bayerische Landespolizei an der Grenze auf? Baut man, nach ungarischem Vorbild, gar einen Zaun?

An der bayerischen Grenze meines Urlaubsdomizils sehe ich weder Polizisten in schildkrötenartigen Körperpanzern, noch sind Einsatzfahrzeuge und Wasserwerfer aufgefahren. Im Alleingang hält ein steinerner Posten Wacht im Niemandsland.
Statt eines blutrünstigen Stacheldrahtverhaus mit Bewegungsmeldern und Kameras markiert ein einfacher Weidezaun den Verlauf der Grenzlinie. Der Stein ist das augenscheinlichste Merkmal der Grenze zwischen dem württembergischen Isny und der bayerisch-schwäbischen Gemeinde Maierhöfen. Seine Initialen K. B. – Königreich Bayern – reichen zurück in eine Zeit, die von eifrigen Separatisten rückblickend gerne nostalgisch verklärt wird. In München regierte tatsächlich noch ein König, auch wenn es um dessen Geisteszustand nicht immer zum Besten stand. Selbst wenn der Regent bei Sinnen war, ignorierte er teils geflissentlich die Bedürfnisse seiner Untertanen. Mächtigere Herrscher und graue Eminenzen zogen oft genug die Fäden der bayerischen Marionette und machten das Land zum Spielball ihrer Interessen. Die Parallelen ins Hier und Jetzt sind unverkennbar: es hat sich seitdem nicht viel verändert.

Ein Männlein steht alleine, ganz still und stumm: jahrhundertealter Grenzstein in Maierhöfen.Ein Männlein steht alleine, ganz still und stumm: jahrhundertealter Grenzstein in Maierhöfen.

Auch im 21. Jahrhundert trennt diese Grenze noch mehr, als das sie verbindet; das Phrasenschwein bleibt also heute leer. Föderalismus sei Dank, besucht der Maierhöfener Nachwuchs die Schulen des knapp zwanzig Kilometer westlich gelegenen Mittelzentrums Lindenberg.
Auch die blau-silbernen Streifenwagen aus dem sechs Kilometer entfernten Isny haben im bayerischen Schwaben nichts zu melden und machen schon vor der Landesgrenze kehrt: für Ruhe und Ordnung sorgen die klassisch moosgrün und beige uniformierten bayerischen Kollegen, ebenfalls von Lindenberg aus. Lange Anfahrtswege inbegriffen.

Ort: Panoramarundweg auf dem Gelände des Ferienclub Maierhöfen im Ortsteil Stockach

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