Glaubt mir, ich war von Anfang an dagegen, dass wir unseren Kindern einen Ämtliplan machen. Ein Ämtliplan, liebe deutsche Leserinnen und Leser, ist ein Plan, in dem eingetragen wird, welches Kind wann welche Hausarbeit erledigen muss. Ich weiss, viele Familien schwören auf solche Pläne. Mir aber waren sie seit jeher suspekt. Schon damals, als ich noch ein Kind war und mir nicht sicher war, ob das nun Äntliplan (Entchenplan) oder Ämtliplan heisst. Später, als ich Mutter wurde, schwand meine Skepsis nicht, denn wenn ich schon selber nicht die Disziplin aufbringen kann, mich in Haushaltsfragen an einen Plan zu halten, wie soll ich erst überwachen, ob die Kinder schön brav tun, was sie tun sollten? Jetzt aber, wo „Meiner“ sich so langsam darauf einstellt, Teilzeit-Hausmann zu werden, musste ich ihn wohl oder übel gewähren lassen, als er beschloss, dass unsere Kinder ab sofort alle zwei Tage eine neue Aufgabe übernehmen sollten: Tisch abräumen, Lavabo und WC putzen, Schuhe aufräumen, Grünabfall heruntertragen, Bilderbücher aufräumen. Versteht mich nicht falsch, auch ich will, dass unsere Kinder bei diesen Dingen mithelfen und auch an den Tagen, an denen ich der Chef im Hause bin, müssen sie mit anpacken. Nur verläuft bei mir nichts nach Plan, sondern nach Aufgaben, die eben gerade erledigt werden müssen. Deshalb wurde mir, als ich den Plan sah, ein wenig mulmig und mein Gefühl sollte mich nicht täuschen: Der erste Tag mit Ämtliplan war ein Debakel.
Zumindest aus meiner Sicht, die Kinder machten nämlich erstaunlich motiviert mit. Nur scheint es, dass sie das Ganze auf etwas eigenwillige Art und Weise interpretieren. Der Zoowärter, zum Beispiel, hat heute und morgen die Pflicht, nach jeder Mahlzeit beim Abräumen des Esstischs zu helfen. Er sei heute und morgen der Küchenchef, verkündete er voller Stolz und dann erklärte er uns auch sogleich, was er unter seinem Amt versteht: „Wenn der FeuerwehrRitterRömerPirat und Luise am Tisch streiten, dann sage ich ihnen, dass sie aufhören müssen. Und wenn die anderen zu laut sind, dann sage ich, dass sie ruhig sein müssen.“ Während seiner Ausführungen sass er seelenruhig am Tisch und sah dabei zu, wie „Meiner“ und ich seine Arbeit erledigten. Unsere Ermahnungen, dass zum Amt des Küchenchefs auch das Abräumen des Tisches gehöre, überhörte er geflissentlich.
Während der Zoowärter – ähnlich wie seine Mutter übrigens – lieber über Hausarbeit redet, als sie zu erledigen, stürzten sich Lusie und der FeuerwehrRitterRömerPirat mit so viel Eifer in ihre neue Aufgabe, dass bald schon die Fetzen flogen. Luise, die eigentlich nur schnell mit einem feuchten Lappen das Lavabo hätte abwischen müssen, bestand darauf, dass sie auch noch das WC und sämtliche Spiegel mit Putzmittel und Haushaltpapier reinigen wolle. Gleichzeitig entdeckte der FeuerwehrRitterRömerPirat beim Aufräumen der Bilderbücher, dass die Salontischchen und die Wohnzimmerfenster nicht ganz blitzblank waren, was er unmöglich so sein lassen konnte. Ich meine, immerhin hatte er eine wichtige Aufgabe zugeteilt bekommen, die er nun auch seriös erledigen wollte. Dumm war nur, dass Luise weder Putzmittel noch Haushaltpapier hergeben wollte und dass Mama, die miserable Hausfrau, keine zweite Garnitur zur Hand hatte. Und so zankten sich die zwei um die letzten Fetzen der Küchenrolle und um die Sprühflasche, die keiner von beiden aus der Hand geben wollte, wenn er sie mal geschnappt hatte. Dass diese zwei so karriereversessen sind, hätte ich wohl ohne diesen Ämtliplan nie herausgefunden, aber ich versichere euch, dass ich nach einem anstrengenden Arbeits- und Familientag, an dem ich auch noch die Kinder alleine ins Bett bringen musste, ganz gerne darauf verzichtet hätte, kurz vor acht Uhr abends diesen Charakterzug in meinem zweiten und meinem dritten Kind zu entdecken.
Nun mögt ihr ja vielleicht denken, das mit dem Ämtliplan sei doch ein durchschlagender Erfolg, denn Kinder, die mehr tun wollen, als man von ihnen verlangt, seien doch viel besser als Kinder, die sich weigern, einen Finger krumm zu machen. Und bis zu einem gewissen Grad teile ich diese Meinung ja auch. Aber mir wurde heute zum ersten Mal bewusst, dass meine Tage als halbherzige Hausfrau wohl gezählt sind. Bald wird es nämlich heissen: „Los, Mama, pack mal mit an. In diesem Haus sieht’s ja aus wie in einem Schweinestall. Und glaub bloss nicht, wir würden all die Arbeit alleine machen. Du lebst hier doch nicht im Hotel…“