Amour Fou

“Man denkt, man möchte leben und möchte doch sterben”, verkündet der Dichter Heinrich von Kleist und definiert damit die Quintessenz des Films Amour Fou, der dieses Jahr die Viennale eröffnen wird.

In Cannes in der Reihe “Un certain regard” feierte er heuer Weltpremiere. Der Film fällt auf jeden Fall aus dem Rahmen, aber enttäuscht, wenn man mit zu großen Erwartungen ins Kino geht. Der Titel Amour Fou trifft den Inhalt des Filmes sehr gut, doch auf eine ganz andere Art, wie sich das der gemeine Filmgeher vorstellen würde. Die österreichische Regisseurin Jessica Hauser erzählt mit Amour Fou die letzten Wochen des Dichters Heinrich von Kleist, der 1811 den Freitod wählte.

Kleist (Christian Friedel), der dem Leben überdrüssig geworden ist, macht sich auf die Suche nach einer Frau, die ihn liebt. Jedoch tut er dies nicht um mit ihr ein glückliches Leben zu führen, sondern um zusammen mit ihr zu sterben. Er sucht also eine verrückte Art der Liebe – eine Liebe des Sterbens willen. Seine erste Wahl fällt auf die adelige Dame Marie (Sandra Hüller), die ihn jedoch nicht ernst zu nehmen scheint und nicht im Traum daran denkt zu sterben. Bei einem Heimkonzert trifft er auf die empfindsame Henriette (Birte Schnöink). Auch sie wundert sich über seine Bitte, die sie vorerst ausschlägt. Als bei Henriette fälschlicher Weise eine totbringende Krankheit festgestellt wird, kommt sie auf Kleists Bitte zurück, ohne sich eindeutig für einen vorzeitigen Tod entschieden zu haben.

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Jessica Hausers Film ist sehr still und handlungsarm. Von freudiger Unterhaltung kann ebenso wenig die Rede sein wie von großen herzzerreißenden Szenen. Offensichtlich versucht Hauser dennoch Melancholie zum Ausdruck zu bringen. Es gelingt ihr auch, eine ansatzweise melancholische Stimmung zu schaffen und durchgehend aufrecht zu erhalten. Die zaghaften Dialoge, die sehr langen Einstellungen und das langsame Ausführen jeder Handlung unterstreichen diese Stimmung. Dennoch ist der Film weder mit traurig zu umschreiben noch hinterlässt er ein betrübtes Gemüt. Man fühlt sich oft dazu verleitet abzuschweifen oder einfach nur spaßend den Kopf zu schütteln.

Amour Fou trägt eine subtile Witzhaftigkeit mit sich – es ist jedoch nicht Witz im Sinn von ausgelassenem Gelächter, sondern im Sinn eines abschätzigen Schmunzelns. Diese Humorigkeit ist von Hauser durchaus gewollt und spiegelt sich vor allem in den Dialogen. Schon allein die gerade aus gestellte Frage von Kleist, ob die Dame nicht Lust hätte mit ihm und für ihn zu sterben, ist doch einfach nur lächerlich. Gerade ebenso lachhaft erscheint Henriettes Frage an den Arzt, was man denn nun tun könne gegen ihren bevorstehenden sicheren Tod.

Trotz der klaren Thematisierung des Todes bleiben die großen Gefühlsmomente schlichtweg aus. Alle Protagonisten bleiben sehr besonnen und niemand wird zu emotional. Die Darsteller sind allesamt unterm Strich recht leblos. Nur gelegentlich erheben Henriette, ihr Mann Vogel (Stephan Grossmann) oder die gemeinsame Tochter das Gemüt. Ausgerechnet der Arzt erscheint als einziger angemessen mitfühlend und bewegt von der Situation. Den Dichter Kleist umschreibt man hier am besten mit weinerlich, egozentrisch und pessimistisch: Ein Mann der mit seiner negativen Einstellung schnell als unsympathisch enttarnt wird. Allesamt werden großartig in aller Einfachheit von den Schauspielern dargestellt.

Amour Fou legt seinen Fokus auf die visuellen Reize. Jedes Bild, das der Zuseher betrachten darf, gleicht einer Fotografie, in der die Darsteller fast genauso starr und reglos auftreten, als würden sie tatsächlich für ein Foto posieren. Die ungewöhnlich langen Einstellungen lassen es zu jedes Detail genau ins Auge zu fassen. Von jeglichem musikalischem Hintergrundgedudel wird in diesem stillen Film Abstand genommen. Lediglich zwei Musikwerke werden in den Film eingearbeitet, dies jedoch sehr ausführlich und als Teil der Handlung. Für diejenigen, die sich gelegentlich ins Kino begeben um unterhalten zu werden, sind wohl die Begriffe langatmig und unspektakulär die richtigen Umschreibungen für Amour Fou. Wer es jedoch langsam mag und sich gerne in visuelle und rhetorische Schmankerln vertieft, wird hier fündig werden.

Regie und Drehbuch: Jessica Hauser
Darsteller: Christian Friedel , Birte Schnöink, Sandra Hüller, Stephan Grossmann u.a.
Filmlänge: 96 Minuten; Kinostart: 06. 11. 2014


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