Heute habe ich Austern gegessen. Ein bisschen Meer in Bern. Die Schalentiere und ich - das war keine Liebe auf den ersten Biss. Auf den Geschmack gebracht hat mich Frau Jung, eine ältere Dame, gut erhalten, die regelmässig meine Fahrdienste beansprucht. Frau Jung hat ein Faible für Alain Delon, und für Austern. Ich hole sie jeweils vor dem Fischgeschäft ab, wo sie wöchentlich sechzig Austern abholt, in einer blauen Gefrierbox, die sie wie eine Schatztruhe auf ihrem schmalen Schoss hütet. Ich kühle das Taxi immer runter, saukalt ist es, aber Frau Jung weiss das zu schätzen. Alain und sie, das war amour fou, einen Sommer lang, in Cannes. Das Salz noch auf der Haut, hätten sie Austern gegessen und Sauternes getrunken, betrunken vor Liebe. Das waren noch Zeiten. Ich solle mit Moules starten, sagte Frau Jung, Austern sei für Fortgeschrittene. Also kaufte ich mir im Fischgeschäft eine Handvoll Moules, Haustiere, denn sie leben noch, und wie. Schale auf, Schale zu, klipp klapp, spielen sie mit ihren Muckis, wie Alain, und landen dennoch in der Pfanne, den Bart rasiert. Da muss man durch, sagte ich mir, für Frau Jung und für Alain und für die Liebe. Übung macht den Meister. Wochen später schenkte mir Frau Jung eine Auster aus ihrer Kühlbox. Noch im Taxi musste ich sie ausschlürfen. Augen zu und fucking runter mit dem Zeug. Das Salz brannte auf meiner Zunge. Gar nicht so schlecht, sagte ich zu Frau Jung. Comme Alain.
Image: Taxi Hofer