Schlechte Nachrichten beherrschen unsere Medien. In Newtown im US-Bundesstaat Connecticut richtete ein Amokläufer ein Blutbad an, zwanzig Kinder und sieben Erwachsene verloren ihr Leben. Mehr Glück hatten die Reisenden auf dem Bonner Bahnhof. Ein dort geplanter Anschlag kam nicht zustande, weil die Bombe nicht zündete. Etliche Tote und Verletzte forderten die Unruhen in Ägypten. Auslöser war der Versuch der Muslimbrüder, dem Land eine islamistisch geprägte Verfassung aufzuzwingen.
Wieder einmal müssen wir uns fragen: Lernt die Menschheit denn nie aus ihren Fehlern? Ist kein Fortschritt möglich?
Die Antwort lautet: Selbstverständlich ist Fortschritt möglich. Terror und Extremismus können jederzeit beendet werden. Wir müssen nur endlich den nächsten Schritt vollziehen – von der kindlichen zur erwachsenen Zivilisation. Bislang haben wir uns wie Kinder benommen, wie ängstliche und wütende Kinder, die die Welt um sie herum nicht verstehen und keine Hilfe annehmen wollen. Bezeichnend ist, was die Lehrerin Kaitlin Roig während des Amoklaufs zu ihren Schülern sagte: "Das sind böse Leute draußen. Wir müssen warten, bis die guten kommen." (Quelle: Spiegel online vom 16.12.12) Auf diesem Niveau wird leider nicht nur zu Kindern gesprochen, sondern auch zu so genannten "Erwachsenen".
Damit ist das Dilemma im Grunde schon beschrieben. Wir haben die Grundprinzipien des Lebens nicht verstanden. Sie lauten folgendermaßen:
1. Das Leben ist ein Prozess.
2. Das menschliche Leben basiert auf Gefühlen.
Beginnen wir mit Punkt zwei: Gefühle als Grundlage unseres Seins. Amokläufe, Terroranschläge sowie politischer und religiöser Extremismus sind nicht die Folge vernünftiger Überlegungen, sondern sie entstehen aus übersteigerter Angst und Wut. Menschen fühlen sich ohnmächtig, beleidigt, bestohlen, bedroht und unterdrückt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Ursache real oder eingebildet ist. Der Amokläufer von Newtown war vermutlich psychisch krank, er lebte in einer Wahnwelt, die von bösen Menschen regiert wird, und sah als letzten Ausweg nur die Tötung seiner Feinde, ihrer Angehörigen und schließlich den Selbstmord.
Die islamischen Fundamentalisten sind mehrheitlich gewiss nicht psychisch krank. Aber auch sie sehen sich von bösen Menschen bedroht, wobei der Begriff „böse“ in ihrer Kultur meist mit „ungläubig“ übersetzt wird. Sicherheit verspricht nur eine radikale Auslegung des Islam.
Punkt eins: der Prozess. Das Leben basiert nicht auf dem Prinzip Trennung – in gut und böse, richtig und falsch, gläubig und ungläubig. Das Leben ist ein einheitlicher Prozess, bei dem jeder das herausbekommt, was er eingibt. In den USA beispielsweise sind Waffen leicht erhältlich. Amokläufern wird es dadurch leicht gemacht, ihre Taten zu begehen. Ursache für die laxen Waffengesetze ist wiederum Angst. Waffen versprechen Sicherheit – und erzeugen dadurch neue Angst. Ein Kreislauf, der von den Medien angefeuert wird. Film und Fernsehen, Internet, Computerspiele und Nachrichten enthalten immer mehr Gewalt, sogar Kinder werden bombardiert mit Bildern von Kriegen und Verbrechen. Die Gewalt ist in der Regel unreflektiert, es werden lediglich die Folgen der Taten gezeigt, nicht jedoch deren tiefere Ursachen. Eine echte Problemlösung ist somit nicht möglich.
Der ägyptische Diktator Mubarak wurde jahrelang vom Westen unterstützt, er bekam wirtschaftliche und militärische Hilfe im Wert von vielen Milliarden Euro. Diese Hilfe kam jedoch nicht dem gesamten Volk zugute, sondern floss größtenteils in die Taschen von Mubaraks Familienclan und einer kleinen Führungsschicht. Zugleich sahen sich Millionen Ägypter von Armut und Gewalt bedroht. Die Fundamentalisten hatten somit leichtes Spiel, sie mussten die Angst und die Wut nur auf entsprechende Feindbilder lenken.
Welche Auswege bieten sich?
1. Wir sollten uns unserer Gefühle bewusst werden. Es gibt keinen Grund Angst zu haben oder wütend zu sein, denn es gibt keinen Feind. Das Böse existiert nicht, es ist lediglich ein Zerrbild von uns selbst.
2. Wir sollten den Prozess bewusst gestalten. Das heißt, negative Energien wie Waffen oder gewalttätige Medien reduzieren. Stattdessen positive Energien wie psychologische Hilfen und reflektierende Medien stärken.
Und eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass wir Diktatoren wie Mubarak, Saddam Hussein, Gaddafi usw. nicht unterstützen.
Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang unser Verhältnis zur Geschichte. Bis heute hat keine ehrliche Aufarbeitung des Faschismus stattgefunden, die bisherigen Publikationen zu diesem Thema sind einseitig und unvollständig, auch sie sind von Angst und Wut getrieben. Auch deshalb werden die Fehler der Vergangenheit ständig wiederholt.
Der nächste Schritt ist leicht zu vollziehen. Wir müssen ihn bloß wagen.
Weitere Informationen zu den Grundprinzipien des Lebens finden Sie in meinem Sachbuch Die Fischnetz-Theorie.
In meinem Roman Die Auswerterin - oder Das Ende von Auschwitz erleben Sie die Geschichte aus einem anderen Blickwinkel und erfahren Dinge, von denen die meisten Menschen bisher nichts wussten.