Die junge Medizinstudentin Mary ist gestresst. Geplagt von finanzielle Sorgen, kann sie nicht mal regelmäßig für ihre Miete aufkommen. Ein Job als Stripperin scheitert, als sich eine neue Tür öffnet. Durch einen Zufall gelangt Mary in die Szene der Untergrundoperationen. Dort lernt sie allerhand merkwürdige Personen kennen. Aber die Geldsorgen scheinen wie aufgelöst...
Ich bin ehrlich. Beim ersten Ansehen American Marys vor drei Jahren hat mir der Film der Soska-Sisters überhaupt nicht zugesagt, trotz einiger Formalitäten, die bei mir per se einen tollen Film ausmachen. Pünktlich zum #horrorctober gab ich dem Film noch eine Möglichkeit mir zu gefallen. Da ich über die Jahre hinweg ein großer Fan der Hauptdarstellerin, Katharine Isabelle, geworden bin und American Mary einer ihrer wenigen Filme war, die mir nicht auf Anhieb gefallen haben, bin ich also ein weiteres Mal in die Abgründe der Gesellschaft gestiegen.
Und ja der Film ist tatsächlich einer von der sehenswerten Sorte. Großer Pluspunkte sind die Regie-Schwestern Jen und Sylvia Soska, die dem Film für sein niedriges Budget eine famose Bildsprache und Ästhetik verliehen haben. Desweiteren präsentieren sie uns mit American Mary unverbrauchte, frische Themen, die auch nicht weniger originell umgesetzt werden. Ihr Umgang mit Sadismus, Body Modifikation und Macht ist eine Mischung aus Seriösität und Satire. Eine Schwarzweißmalerei der Charaktere findet zwar statt, aber paradoxerweise konträr zum üblichen Hollywoodmuster. In American Mary sind die für den Normalo absurden, extremen oder sich von der Gesellschaft abgrenzenden Personen die Sympathiefiguren. Die gezwungene Standardisierung und Normalisierung der gefühlt normalen Charaktere sorgt für Ablehnung beim Zuschauer. Die Normalität strahlt hier die Bösartigkeit aus.
Probleme hat der Film, wenn er tiefgründiger in seine Themen gehen will, es aber nie schafft. American Mary springt zu sehr zwischen den kleinen und großen Geschichten, ohne sich aber wirklich ernsthaft mit diesen auseinanderzusetzen. Auch ist die Charakterentwicklung, vor allem bei Hauptfigur Mary sehr unrealistisch und unlogisch. Nachvollziehbar ist anders. Ebenfalls sollte man keine Splatterorgie erwarten. Trotz des extremen Themas gibt es nur selten blutige Schauwerte. Ebenfalls ein gelungener Coup der Soska Sisters, die hier gezielt mit den Erwartungen der Zuschauer spielen.
Ohne Frage, die morbide und düstere Stimmung ist ungemein faszinierend und anziehend. Die Soska Sisters haben hier eher einen asiatisch-, vielleicht auch europäisch angehauchten Film gedreht, weniger amerikanisch. Durch die sinnliche Optik des Films bleibt der Film auch in den wenigen Füllszenen interessant. Hauptdarstellerin Katharine Isabelle, die ich enorm schätze und für unter Wert verkauft halte, überzeugt in diesem Horrordrama auf ganzer Linie. Es gibt zwar viele Figuren im Film, aber das Hauptaugenmerk liegt auf Mary und so muss Isabelle den Film nahezu allein tragen und das gelingt ihr.
In der Summe ist American Mary ein erfrischender und origineller Film, der das Rad nicht neue erfindet und auch einige Längen und logische Schwächen mit sich bringt. Die tolle Produktion, das unverbrauchte Thema und die starke Performance von Katharine Isabelle machen den Film aber definitiv sehenswert, auch wenn ich das erst im zweiten Sehvergnügen feststellen musste.
OT: American Mary VÖ: 2012 Laufzeit: 98 Minuten FSK: 18 R: Jen Soska, Sylvia Soska D: Katharine Isabelle, Julia Maxwell, Antonio Cupo
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Christian
Bildquelle: Universal