Amy Adams, Bradley Cooper, Jeremy Renner, Christian Bale und Jennifer Lawrence (v.l.n.r.) in David O. Russells American Hustle
Es erscheint wie eine Absicherung der Glaubwürdigkeit dieser Groteske, wenn in David O. Russells American Hustle die Worte „Manches von diesen Dingen ist wirklich geschehen“ auf der Leinwand erscheinen. Ein wenig nutzt es natürlich dazu, die kuriose Wahrhaftigkeit zu unterstützen. Es regt aber ebenso zum Nachdenken an, welche Teile dementsprechend wohl eben nicht der Realität entnommen wurden. Zahlreiche Filme versuchen aus kleinen wahren Geschichten die das Leben schreibt eine dramaturgische Handlung in Filmlänge heraus zu ziehen. Michael Bay hat das mit Pain & Gain eher wenig zufrieden stellend bewerkstelligt, bei David O. Russell macht es einfach nur Spaß. So viel Spaß, dass es eigentlich gänzlich egal ist, wo hier reale und fiktive Ansatzpunkte zu finden sind.
Der Realität entnommen ist eine Großermittlung des amerikanischen FBI in den späten 1970er und frühen 80er Jahren. Die Aktion, die als ABSCAM bekannt wurde, richtete sich gegen Korruption im US-Kongress. Den Untersuchungen des Federal Bureau of Investigation folgten Verurteilungen eines US-Senators, Abgeordneten des Repräsentantenhauses, dem Bürgermeister von Camden und weiteren Amtsinhabern des US-Staatssystems.
In O. Russells Film vereint dieser seine wohl liebsten Darsteller aus seinen zwei vorherigen Filmen. Mit Christian Bale und Amy Adams arbeitete er bereits für The Fighter zusammen (und zumindest Bale kann hierfür einen Oscar sein Eigen nennen) und aus Silver Linings Playbook holte sich der Regisseur und Drehbuchautor Bradley Cooper, Jennifer Lawrence und Robert De Niro heran (hier wiederum konnte Jennifer Lawrence sich ihre Rolle mit einem Oscar versüßen lassen).
Etwas gerundet: Christian Bale als Irving Rosenfeld
Diese illustre Riege wird in das New York der 70er Jahre versetzt, wo Irving Rosenfeld (Bale) oberflächlich der Besitzer zahlreicher Waschsalons ist, sein gutes Leben allerdings eher im Hinterzimmer mit Geldgeschäften finanziert. Auf einer Party lernt er Sydney Prosser (Adams) kennen, die sich in seine Geschäfte einklinkt und zur wertvollen Partnerin – geschäftlich wie romantisch – wird. Erst als FBI-Agent Richie DiMaso (Cooper) die beiden Trickbetrüger zur Strecke bringt, droht das schöne Leben ein Ende zu nehmen. Aber DiMaso bietet einen ungewöhnlichen Deal an: Rosenfeld und Prosser sollen ihre Spielchen mit den Politikern New Jerseys treiben um ihnen Korruption nachweisen zu können. Vor allem hat es der FBI-Mann auf Carmine Polito (Jeremy Renner) abgesehen, den Bürgermeister von Camden. Der in den Medien als absoluter Saubermann auftretende Politiker hat laut FBI-Vermutungen sogar Verbindungen zur Mafia. Die Ermittlungen könnten so einfach wie schnell von statten gehen, wäre da nicht noch Rosenfelds eifersüchtige Ehefrau Rosalyn (Lawrence), die bei dem Spiel auch noch das eine oder andere Wörtchen mitreden möchte.
Liebe auf den ersten Blick gibt es für Kostümdesigner Michael Wilkinson, der schon die Kostüme der Darsteller in Disneys Tron: Legacy, Zack Snyders Sucker Punch und Man of Steel zu eigenwilligen wie auch einmaligen visuellen Erlebnissen gemacht hat. Nicht zu Unrecht ist er, ebenso wie das Produktionsdesign zu American Hustle für den Oscar nominiert (nur kleine Kategorien, die Darsteller selbst haben allesamt ihre Nominierung erhalten). Nur, und das ist ein pures Rätsel, in der Kategorie “Haare und Makeup” steht der Film unerwähnt da. Und das ist eigentlich das visuell faszinierendste Merkmal von American Hustle. Wenn Christian Bale sich vorm Spiegel sorgsam seine Haarfetzen zu einer ansehnlichen Frisur zusammen klebt und sich später fettwanstig in einem Stuhl räkelt, ist das entgegen allem, was Bale bisher von sich gezeigt hat. Ebenso wie man seine Abmagerungskur für The Machinist vergessen muss, ist es wohl die bisher – wenn auch unfreiwillig – komödiantischste Rolle Bales. Der Spaß ist der ganzen Besetzung anzumerken, wie sie sich spielwütig auf ihre Figuren stürzen und ihnen Leben einhauchen, ganz gleich ob in dialogstarken Verbalduellen oder wenigen ebenso rührseligen Momenten.
Starke Frauen: Jennifer Lawrence als Rosalyn Rosenfeld und Amy Adams als Sydney Prosser
Bradley Cooper erscheint da mit Vollbart und Lockenkopf, Jeremy Renner trägt die zeitgenössische Fönwellenfrisur und Jennifer Lawrence mimt die Tussi aus der Unterschicht, die mit hoch toupierten Haaren Zuhause dahin vegetiert, aber umso schöner ihre Hasstiraden auf ihren Mann und das Leben allgemein herab prasseln lassen kann. Einzig Amy Adams sticht aus dem Ensemble hervor, zeigt sich als schöne Verführerin. Sowohl Lawrence als auch Adams beweisen in diesem Fall mal wieder, dass O. Russell ein Faible für starke Frauenfiguren hat. Stark im Sinne von herum kommandierend, rechthaberisch oder eben manipulativ. Aber im Grunde behält der Regisseur für seinen Topf von Darstellern das bei, was er schon in vorherigen Filmen gezeigt hat. Bei ihm geht es um Menschen, die außer Kontrolle geraten, um kaputte Existenzen, denen eigentlich nicht mehr zu helfen ist. Er gibt seinen Figuren zwar an diversen Stellen ihres Lebens Möglichkeiten eine Entscheidung zu treffen, aber in American Hustle wird genau das schön zusammengefasst: „Sometimes all you’ve got in life are fucked up poisonous choices“.
American Hustle ist vor allem so schön geworden, da es einer dieser Filme ist, der sich erst in den letzten zehn Minuten gänzlich erschließt. Ein Film, der vom Betrügen und betrogen werden erzählt mit Darstellern, die ganz in ihren Rollen verschwinden, die sich wiederum hinter falschen Identitäten verstecken. Und ganz nebenbei kann man in diesen 70er Jahre Flair eintauchen, in dem noch riesige Wandgemälde eines nackt posierenden Burt Reynolds an den Wänden hingen und Mikrowellen eine Besonderheit waren.
Altersfreigabe: ab 6 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2013
Länge: ca. 138 Minuten
Regie: David O. Russell
Darsteller: Christian Bale, Amy Adams, Bradley Cooper, Jennifer Lawrence, Jeremy Renner, Robert De Niro, Louis C. K., Jack Huston, Michael Peña
Kinostart: 13. Februar 2014
Im Netz: americanhustle.de