© Stefan Scherer
Nun habe ich ja ein paar Tage Zeit gehabt, den geliehenen Kindle genauer „unter die Lupe“ zu nehmen.
Den ersten Teil finden Sie Hier!
Und auch an dieser Stelle möchte ich mich noch einmal ganz herzlich bei „Mexxbooks“ für das Leihgerät bedanken!
Aber am besten fange ich doch einmal mit dem Posting von Herrn Dr. Bechyna an:
„Lieber Herr Scherer :
besten Dank für Ihre ersten Hinweise und vorläufigen Bewertungen .
Wichtig ist in der Tat die Frage, wie lange kann man dort ermüdungsfrei lesen ?
Und wie ist die Schriftgrösse ? Kann man sie variieren ?
Wie sieht es mit Fachliteratur aus ( also etwa NJW , “ Palandt “ usw. ) . Ist solch ein Gerät im Arbeits – Alltagsbetrieb wirklich eine Erleichterung ?
Ich bin auf Ihre weiteren Erfahrungen sehr gespannt .
Sie sind offensichtlich voll mit Apple-Produkten versorgt .
Mit besten Grüssen ,
Frank G. Bechyna“
Zum etwas umfangreicheren Test habe ich mir das E-Buch „Claus Störtebeker“ von Georg Engel (kostenfrei!) geladen und inzwischen bis zur Hälfte gelesen – und zwar an ganz unterschiedlichen Orten zu verschiedenen Uhrzeiten. Dabei konnte ich feststellen, dass das Lesen auf dem Kindle tatsächlich für die Augen ähnlich angenehm ist wie das Lesen von „echten“ Büchern aus Papier. Allerdings benötigt man auch ähnlich viel Licht, d.h., auch beim E-Book geht nichts ohne eine gute, blendfreie Leselampe; man kann es also überhaupt nicht mit einem Bildschirm am PC, mit einem Display am Notebook oder mit einem Tablet vergleichen. Nach meiner Ansicht hat ein solcher Reader wie der Kindle eine ganz andere Aufgabe, und die erfüllt er vom „Bildschirm“ her perfekt.
Liest man mit ihm, fällt einem auf, wie angenehm leicht das Gerät in der Hand liegt – und man lernt sehr schnell die Leichtigkeit des Kindle schätzen, und zwar insbesondere im Bett: dort lese ich zB. am liebsten auf dem Rücken liegend, und da ist so mancher „schwere Wälzer“ doch bald tatsächlich zu schwer… nicht so der Kindle, der einem da auch nach einer Stunde keine schmerzenden Arme beschert.
Das geringe Gewicht und die kompakte Grösse führen dazu, dass man ihn durchaus überall mit hinnehmen kann – bei den Damen passt er sicherlich in (fast) jede Handtasche, bei Männer findet er auch im Jackett oder notfalls in der (vorderen) Jeanstasche einen akzeptablen Platz – hier allerdings macht sich dann schon die Grösse durch die Tastatur bemerkbar, weswegen für mich wohl weiterhin der Kindle „Touch“ die bessere Alternative ist: die Tastatur selbst ist nämlich doch sehr klein, aber dazu später noch ein bisschen mehr, und deswegen macht für mich der Längenunterschied von 2cm (17cm auf 19cm) zusammen mit einem noch geringeren Gewicht den grösseren Gewinn aus …
Doch bleiben wir noch kurz beim Display: der Kontrast ist ausreichend gross, ob man ihn noch einstellen kann, habe ich nicht geklärt, weil er für mich optimal war. Auch die Bilder in schwarz-weiss sind sehr deutlich und klar, eben durchaus „gestochen scharf“ wie bei einem schwarz-weiss Buchdruck. Mein Sohn und einer seiner Freunde waren jedenfalls begeistert von den Zeichnungen, als ich ihnen „Max und Moritz“ vorgelesen habe.
Die Grösse der Schrift kann man in acht Stufen einstellen, ebenfalls kann man wählen zwischen 3 verschiedenen Schriftarten und zusätzlich den Linienabstand variieren – bei E-Books, versteht sich, bei pdf-Dokumenten kann man nur die Grösse der Anzeige einstellen, da geht man den einen oder anderen Kompromiss ein, aber bei einer Queransicht ist eigentlich jedes Dokument in DIN A4 gut lesbar. Apropos Ansicht: Den Kindle kann man sowohl im Querformat als auch im Längsformat nutzen, so, wie man ihn am besten halten kann. Und beim Halten sind wir schon bei einem der wenigen Kritikpunkte: für mich sind die auf beiden Seiten angebrachten Tasten zum Blättern irgendwie unglücklich, denn halte ich den Reader nur mit einer Hand, komme ich entweder nicht an die Tasten – oder hänge ständig drauf und blättere weiter, ohne dies zu wollen. Und wenn es tatsächlich so ist, dass man beim „Touch“ blättern kann, indem man unten rechts auf das Display tippt: dann wäre das genau die Stelle, wo sich mein Daumen sowieso befindet.
Der nächste Kritikpunkt ist die Tastatur, denn ich finde sie frickelig, ich denke, dass eine On-Screen-Tastatur nicht schlechter funktioniert, allerdings ist die feste Tastatur sicherlich dem Navigationskreuz des neuen Kindle 4 weit überlegen – da würde ich doch wohl immer den Kindle Keyboard bevorzugen, zumal ich keinen wirklichen Nachteil in der englischsprachigen Bedienung meines Leihgeräts sehe. Trotzdem: auch hier sehe ich durchaus Vorteile beim „Touch“.
Sehr nett ist der experimentelle Browser (der einen immerhin kostenfreien Zugang zum Internet in vielen Ländern der Erde bereitet): natürlich kann man mit ihm keine Videos gucken – noch nicht einmal bunte Bildchen – aber zur Info reicht es allemal; ein typisches Beispiel: gestern Abend bin ich nach dem 1:0 von Borussia Dortmund gegen Dynamo Dresden im DfB-Pokal ins Bett gegangen, wollte aber doch beim Lesen meines „Buches“ auf dem Laufenden bleiben, ob das Fussballspiel vielleicht doch noch spannend würde. Auf dem Kindle habe ich einen Liveticker im Internet gestartet und von Zeit zu Zeit beim Lesen „umgeschaltet“ – sehr angenehm. Insgesamt passt der Browser also durchaus ins Gesamtkonzept: der Kindle ist gedacht für Information und Unterhaltung im Schriftbereich, und da macht er seine Sache – wie schon erwähnt – perfekt. Er ist eben ein Spezialist, keine eierlegende Wollmilchsau…
So passt auch der zugegeben in den Funktionen sehr stark eingeschränkte MP3-Player: man lädt Musik auf den Kindle per USB und kann die dann als Hintergrundmusik angenehm hören – aber man kann nach meinen Versuchen die Lieder nur vorwärts und rückwärts ansteuern, also keine speziellen Lieder suchen; nur, wer will das auch bei Lesen? Ich jedenfalls hatte mir Musik von den „Wise Guys“ geladen – und diese sehr schnell wieder ausgemacht, da ich mich nicht mehr auf das Buch konzentrieren konnte.
Insgesamt ist der Kindle Keyboard ein feiner E-Book-Reader, und zusammen mit dem 3G-Modul auch ein Helfer in der Not, wenn man kurzfristig bestimmte Informationen benötigt. Die Bedienung ist sehr einfach und selbsterklärend, das Display kontrastreich und bei vernünftiger Lesebeleuchtung ermüdungsfrei zu nutzen, passende Musik zum Lesegenuss kann er auch noch liefern, und über die Kapazität der Batterie braucht man keine grossenWorte verlieren: ich habe sie zu Beginn meines „Tests“ geladen und sie liegt immer noch über 80% – trotz durchgängig angeschaltetem 3G. Einige Kleinigkeiten würden mich zwar zum Kindle „Touch“ greifen lassen, aber das ist sicherlich eine Geschmacksfrage.
Stellt sich abschliessend die Frage zur Auswahl der Inhalte: spezielle juristische Literatur habe ich nur sehr wenige gefunden, und mit selbst eingelesenen pdf-Dokumenten wird man nicht so richtig glücklich, weil man in diesen doch ein wenig hilflos herumblättert: ihnen fehlt einfach die Funktionalität eines „richtigen“ E-Books: so habe ich mir das BGB als pdf auf den Kindle geladen, aber die Suche nach einer bestimmten Norm dauert einfach zu lange über die (nicht mit den Gesetzesnormen korrespondierenden) Seitenzahlen. Da bleibt also nur das Warten auf die Zukunft und die weitere Verbreitung der Reader auch in Deutschland.
Beim Kindle ist man natürlich auch ein wenig eingeschränkt auf das Angebot von Amazon – man sollte dies bedenken. Klickt man sich da ein wenig durch den Shop, so stellt man fest, dass das Angebot an kostenlosen Büchern aus dem klassischen Bereich ein recht hohes Niveau hat – Belletristik kostet dagegen Geld. Die Preise für die E-Books liegen unter denen für die gedruckten Ausgabe, aber – bisher – kann die elektronischen Bücher ja auch nur unter Schwierigkeiten Anderen zugänglich machen. Das muss man ebenfalls im Auge behalten; ich zB. überlege, mir die Biographie von Steve Jobs zu kaufen, sie ist für den Kindle immerhin 20% billiger; doch wenn ich sie noch jemandem leihen will, relativiert sich der Vorteil schon wieder erheblich. Doch gibt es natürlich auch abseits des „Mainstreams“ eine Menge Schnäppchen; beispielhaft sei hier Karl Mays „Winnetou“ genannt: alle 4 Bände für 0,99 EUR kann man nicht wirklich als teuer bezeichnen.
Also, abschliessend zu diesem 2. Teil meines Berichts über den Kindle Keyboard 3G denke ich, dass ein E-Book-Reader in der Grösse und Qualität dieses Gerätes für Menschen, die viel und gerne lesen, eine echte Alternative ist, zumal er wirklich überall hin mitgenommen werden kann. Wenn ich mir selber einen solchen reinen Reader kaufen sollte, dann wird es allerdings ein Kindle „Touch“ sein, da er noch ein bisschen kleiner und leichter ist und ich die Vorteil des Touch-Displays tatsächlich nutzen würde.
Erst einmal werde ich aber sehen, ob mein bestellter Kindle „Fire“ nicht doch den für mich besseren Kompromiss darstellt: zwar wird er sicherlich nicht dieses auf das reine Lesen hin optimierte Display haben, aber vielleicht sind die Abstriche so gering, dass man nicht noch ein zweites Gerät benötigt. In der Grösse entspricht er dem Kindle Keyboard, er ist nur dicker und deutlich schwerer. Trotzdem, die Grösse finde ich schon mal ausgesprochen angenehm…
Ob solche Reader zukünftig auch im beruflichen Bereich ihren Platz finden werden, hängt nach meiner Einschätzung eigentlich nicht mehr von den Endgeräten ab, sondern nur vom noch zur Verfügung stellenden Inhalt. Ich jedenfalls würde mir keinen Palandt aus Papier kaufen, wenn ich ihn auf „meinen“ Kindle als E-Book laden könnte. Dabei Dabei wäre mir ein solches auf Bücher spezialisiertes Geräte zu einem günstigen Preis tatsächlich lieber als die Anschaffung zB. eines iPad.
Ja, das iPad und der Apple-Hype – sind wir nun also bei der letzten Frage von Dr. Bechyna: ich bin tatsächlich von meinem beruflich genutzten iMac, meinem privat eingesetzten Mac mini sowie vom MacBook pro und dem iPhone für unterwegs überzeugt. Das liegt am schlüssigen Konzept für meine Nutzungen, nicht an einer irgendwo überragenden Leistung. Keines der Produkte ist besonders „amazing“, und schon gar nicht das neue iPhone 4s. Aber sie funktionieren tadellos, sie tun, was sie sollen, sie sind wertig, insbesondere bei den Rechnern ist die Lebensdauer weit höher als bei den sogenannten „PC“ – und beim iPhone akzeptiere ich die Eingeschränktheit, was die Software betrifft (bei den anderen Geräten steht mir ja auf Wunsch auch die gesamte Breite der Windows-Welt zur Verfügung, besitzt mein iMac beispielsweise neben Mac OSX Lion auch Windows XP und Windows 7). Doch das iPad überzeugt mich weiterhin nicht, ist es eben doch kein vollwertiger Rechner, es ist aber auch nicht klein genug, um mich unterwegs immer zu begleiten; kurz, es kann Vieles und eigentlich wieder doch nichts, es ist ein Zwitter zu einem Preis, den ich bisher nicht bereit bin, zu bezahlen.
Aber warten wir es ab, vielleicht bin ich vom Kindle „Fire“, der mir derzeit als bessere Alternative erscheint, demnächst furchtbar enttäuscht und leiste nicht nur dem iPad Abbitte, sondern mir auch selbst ein solches Tablet aus dem Hause Apple. Wir werden sehen…